Dem Vorwurf eines schwerwiegenden Behandlungsfehlers sieht sich das Schwarzwald-Baar-Klinikum ausgesetzt. Foto: Schwarzwälder-Bote

Vorwürfe gegen Schwarzwald-Baar-Klinikum. Vierjährige hat Hirntumor. Klinik an Aufklärung interessiert.

Villingen-Schwenningen - Die Vierjährige erbrach sich, hatte Kopfweh, Gangstörungen. Die Eltern kamen ins Schwarzwald-Baar-Klinikum und mit einem neuen Termin wieder heraus. Tage später wurde in Singen ein Tumor erkannt, das Kind in Freiburg operiert. Der Anwalt der Eltern erhebt Vorwürfe gegen die Klinik. Diese ist an der Aufklärung des Falls interessiert.

Die Anschuldigung des Juristen: "Die Nichtbehandlung des Kindes stellt einen schwerwiegenden ärztlichen Kunstfehler dar." Das Mädchen habe sich in Lebensgefahr befunden und sei in der Klinik abgewiesen worden. Zur Vorgeschichte: Die Vierjährige klagt wiederholt über Kopfschmerzen, Erbrechen und Gleichgewichtsstörungen. Das Paar kontaktiert den Kinderarzt. Eine Überweisung ist die Folge, darauf der Hinweis auf eine neurologische Abklärung und eventuell ein Magnetresonanztomographie (MRT). Die Eltern richten sich auf einen stationären Aufenthalt ein, der Vater nimmt Urlaub, der Sohn ist versorgt.

Doch aus der Klinik, so die Darstellung der beiden im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, seien sie schneller wieder draußen gewesen als sie gedacht haben. Dort habe man ihnen erläutert, dass Kinder zu Migräne neigen und man davon ausgehe, dass nichts Akutes vorliege. Einen Termin für eine MRT habe das Paar erst sechs Wochen später bekommen. Damit sei die Behandlung zu Ende gewesen. Zu dem Termin Anfang Juli kam es nicht mehr. Dem Kind ging es zunehmends schlechter. Mit einer weiteren Überweisung in der Tasche suchte die Familie wieder die Klinik auf, dieses Mal die Bodensee-Hegau-Klinik in Singen. Hier wurde sofort ein MRT veranlasst. Das Ergebnis erschütterte nicht nur die Eltern: Der Befund zeigte einen fünf Zentimeter großen Gehirntumor im Bereich des Kleinhirns. Mit dem Rettungswagen, erzählt die Mutter, sei das Kind in die Uni-Klinik nach Freiburg gebracht worden.

Das Schwarzwald-Baar-Klinikum dagegen schreibt zu den Vorhaltungen der Familie aus der Region: "Im vorliegenden Fall wurde das Kind zunächst nach den derzeit gültigen medizinischen Standards und Diagnoseleitlinien untersucht. Mit den Eltern wurden zusätzliche Termine für weitere Untersuchungen vereinbart – zur MRT und im Sozialpädiatrischen Zentrum –, die aber nicht wahrgenommen wurden."

Auf Nachfrage erläutert Pressesprecherin Sandra Adams, dass es sich um den MRT-Termin Wochen später gehandelt hätte. "Selbstverständlich sind wir selbst sehr an der Aufklärung des Sachverhalts interessiert. Wir empfehlen den Eltern deshalb, sich mit der Gutachterstelle der Ärztekammer in Freiburg in Verbindung setzen." Ein Rat, der offensichtlich bereits umgesetzt wurde.

Dem betroffenen Paar nach eigener Aussage geht es nicht in erster Linie darum, das Schwarzwald-Baar-Klinikum an den Pranger zu stellen. "Wir wollen wach rütteln, dass so etwas nicht wieder passiert."

Info: Patientenrecht

Hat der Patient Recht oder doch der Arzt? Wenn es um den Vorwurf des Behandlungsfehlers geht, können Patienten die Justiz einschalten oder aber den Weg über eine Gutachterbezirkskommission wählen, die die Landesärztekammern in ihren vier Bezirken eingerichtet hat. Die Kommission besteht aus einem Juristen und zwei Medizinern und schlichtet Auseinandersetzungen, ohne dass für die Kläger Kosten anfallen. Die Zahl der Anträge steigt seit Jahren langsam aber stetig, stellt Oliver Erens, Leiter der Pressestelle der Landesärztekammer, fest. 2013 zählte die Kammer 1178 Anträge, bei etwa 500 werde die Beschwerde zurückgezogen. Bei mehr als 160 Anträgen wurden Behandlungsfehler nachgewiesen. "In vielen Fällen findet jedoch eine Annäherung statt." Problematisch werde es dann, wenn Ärzte sich weigern, sich den Gutachtern zu stellen. "Zwingen kann man sie dazu nicht."

Gutachter und Buchautor Michael Imhof beobachtet seit Jahren, dass sich Gerichte bundesweit zunehmends auf die Seite der klagenden Patienten stellen. Seinen Beobachtungen nach werden bereits etwa 30 Prozent aller vorgeworfenen Behandlungsfehler bestätigt. Iin deutschen Kliniken beklagt er so einige Missstände. Zum einen müssten Patienten, bei denen der Verdacht auf ernsthafte Erkrankungen bestehen, teils zu lange auf eine MRT warten. "Das kann bei schnell wachsenden Tumoren fatal sein." Andererseits sieht er eine große Gefahr für das Wohl der Patienten, "weil der ökonomische Faktor immer stärker dominiert".