Der Sachverständige nahm den beklagten Fachmediziner in einer Verhandlung in VS aus der Schusslinie. Foto: sector_2010/Fotolia.com

Medizinischer Experte relativiert Vorwurf "Behandlungsfehler". Ex-Patientin lehnt Vergleich ab.

Villingen-Schwenningen - Für Zartbesaitete war das nichts: Es ging um Perforationen, Blutungen, spitze Gegenstände und die zivilrechtliche Frage nach etwaigen Behandlungsfehlern und damit Schmerzensgeld. Nach zweieinhalbstündiger Verhandlung blieben zwar einzelne Aspekte offen. Doch der vom Gericht bestellte Sachverständige nahm einen Facharzt aus der Region aus der Schusslinie. Ob der beklagte Arzt zahlen muss, entscheidet sich Ende Juli.

In der Verhandlung drehte sich fast alles um "Lasten": Wer trägt die Beweislast für drei zur Diskussion stehende Operationen an Nase und Ohr: Der Fachmediziner aus der Region, der sich keiner Schuld bewusst sieht, oder die Klägerin, die behauptetet, ohne medizinische Indikation in Vollnarkose gesetzt worden zu sein und zudem anführt, dass die in den OP-Berichten beschriebenen Eingriffe nicht durchgeführt worden seien. Der Arzt habe ihr die Verletzungen am Ohr mit einem spitzen Gegenstand selbst zugefügt, um einen "Rechtfertigungs-Grund" für eine OP gehabt zu haben, deren Umsetzung die Frau jedoch anzweifelt. Kurt Gött, Richter am Amtsgericht VS und dessen Direktor, muss diese Fragen und gegebenenfalls die Höhe eines möglichen Schmerzensgeldes prüfen. Eine zentrale Rolle im Prozess spielt dabei das Gutachten eines vom Gericht bestellten Experten, der den Beklagten im Großen und Ganzen eine medizinisch weiße Weste bescheinigte.

In diesem Einzelfall einer ehemaligen Patientin aus dem Kreis gab es einiges zu klären. Die Frau hatte vor bald zweieinhalb Jahren die Thematik um den Vorwurf des Ärztepfuschs ins Rollen gebracht, aus anfänglich zwei Strafanzeigen wurden zum Schluss der Ermittlungen 30 Anzeigen.

In der jüngsten Verhandlung ging es nun um zahlreiche medizinische Detailfragen. Dies änderte am Fazit des Experten indes nichts. Der Sachverständige sah bei allen drei Eingriffen eine medizinische Indikation als gegeben, und die Durchführung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Seine zentrale Aussage: Es liege weder ein Befunderherbungs- noch ein Diagnosefehler vor.

Doch trotz profundem Wissens musste auch er bei einer Frage passen: Ob eine OP im Bereich des Trommelfells stattgefunden habe oder nicht, das konnte im Nachhinein weder bestätigt noch dementiert werden. Der Experte sah zwar Anzeichen für einen Hinweis auf einen Eingriff, weitere Spuren für eine Operation seien aber nicht zu erkennen. Im Raum steht auch der Verdacht der Klägerin, dass es bei der Kontrolluntersuchung nach der Ohren-OP "Ritsch-Ratsch" gemacht und der Arzt das später operativ behandelte Nasenbluten selbst ausgelöst habe. Der Grund für die Verletzung ergebe sich nicht aus den Unterlagen, hieß es von Expertenseite

Der Name des beklagten Facharztes tauchte in den letzten Jahren immer wieder auf Tagesordnungen der Gerichte auf. Richter Gött streifte kurz, dass es bereits Versäumnisurteile und gütliche Einigungen bei ähnlichen Verfahren gegeben habe. Wie berichtet, nimmt parallel zu einigen Zivilverfahren nun das strafrechtliche Prozedere seinen Lauf: Wegen des Straftatbestandes der Körperverletzung in sechs Fällen muss sich der Mann vor dem Schöffengericht in VS verantworten.

Doch ganz gleich, was und wo gelaufen sei oder noch laufen werde, bemerkte Gött: Jeder Einzelfall müsse gesondert geprüft werden. Sein Vorschlag, auch diese Sache mit einem Vergleich zu beenden, war nach wenigen Minuten vom Tisch. Die Klägerseite bleibt bei ihrer Schmerzensgeld-Forderung von mindestens 4500 Euro, was die Beklagtenseite ablehnt.

Nach der Verhandlung sprach die Anwältin der ehemaligen Patientin ein weiteres, von der Klägerin in Auftrag gegebenes Gutachten an, das inhaltlich eine deutlich andere Sprache als die Expertise des vom Gericht bestellten Sachverständigen spricht. Auch diese Aussagen seien vom Gericht bei der Entscheidung Ende Juli zu bewerten, meinte die Anwältin. Falls nicht, "behalten wir uns Schritte vor".