Kein Weg zu weit: Songül und Sadık Deniz fahren heute 170 Kilometer, um den türkischen Staatspräsidenten zu wählen. Foto: Schreijäg Foto: Schwarzwälder-Bote

Türken aus der Doppelstadt bilden am Wochenende Fahrgemeinschaften nach Karlsruhe

Von Jonas Schreijäg Villingen-Schwenningen. Türken in ganz Deutschland wählen seit Donnerstag ihren neuen Staatspräsidenten. Erstmals per Direktwahl und erstmals auch aus dem Ausland. Auch aus der Doppelstadt brechen an diesem Wochenende viele Fahrgemeinschaften zum Wahllokal in Karlsruhe auf. Rund 170 Kilometer und knapp zwei Stunden Autostunden sind es von Villingen-Schwenningen zum Karlsruher Messegelände. Dort können seit Donnerstag über 200 000 türkische Staatsbürger aus Baden-Württemberg ihre Stimme abgeben. Diese Entfernung sei noch relativ klein, meint Sadık Deniz, Vorsitzender der türkisch-islamischen Gemeinde in Villingen-Schwenningen. "Früher sind viele in die Türkei geflogen, um zu wählen."

Auch Deniz fährt am heutigen Samstag mit seiner Frau Songül und einem befreundeten Ehepaar zur Stimmabgabe nach Karlsruhe. Online hat er sich für die Wahl registriert und sich einen Termin geben lassen. Der 39-Jährige nimmt die weite Anreise gerne in Kauf: "Ich bin türkischer Staatsbürger, aber lebe in Deutschland. Deshalb bin ich glücklich, dass ich jetzt auch von hier aus mitbestimmen kann."

In Villingen-Schwenningen leben laut Auskunft der Stadt 1772 türkische Staatsangehörige, 1633 sind über 18 Jahre alt und können ihre Stimme abgeben. Tatsächlich dürfte die Zahl der Wahlberechtigten aus VS aber höher liegen, weil Deutsch-Türken unter 23 Jahren beide Pässe besitzen können und dann in der Statistik als Deutsche und nicht als Türken erfasst werden. Allerdings berichten einige Türken aus Villingen-Schwenningen auch, dass sie ohnehin im August in den Türkei-Urlaub fahren und dann vor Ort wählen werden.

Hasim Günlü wäre gern zur Wahl nach Karlsruhe gegangen. Der Vorsitzende der islamischen Gemeinde IGMG in Villingen-Schwenningen kann die Anreise aber krankheitsbedingt nicht antreten. "Außerdem haben sie mich versehentlich ins Wahlregister München eingetragen", sagt er. Und die bayerische Hauptstadt sei schon sehr weit. Der Türke, der seit 1987 in Deutschland lebt, findet es aber richtig, dass den vielen Landsleuten aus seiner Gemeinde in Villingen-Schwenningen jetzt das Wahlrecht ermöglicht wird. "Es freut mich, dass wir jetzt auch die Möglichkeit haben, unsere Ansichten kundzutun", sagt Günlü. Viele aus seiner Gemeinde führen heute und morgen in vollen VW-Bussen nach Karlsruhe.

Zur Wahl für das Amt des Staatspräsidenten stehen neben Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auch Selahattin Demirta von der pro-kurdischen Partei HDP und Ekmeleddin Ihsanoglu, der gemeinsame Kandidat der beiden größten Oppositionsparteien der Türkei, CHP und MHP. Für wen die Türken aus Villingen-Schwenningen mehrheitlich stimmen werden, kann nur vermutet werden. Zumindest innerhalb ihrer Gemeinden sehen die beiden Vorsitzenden der Islamgemeinden aber einen deutlichen Favoriten: Recep Tayyip Erdogan. Er habe den Türken in Deutschland ja erst die Möglichkeit zur Stimmabgabe gegeben. Auch die Türken aus der Doppelstadt könnten ihm das mit ihrer Stimme danken. Außerdem, so meint Hasim Günlü, funkioniere seit Erdogans Machtübernahme vor elf Jahren vieles besser in der Türkei – seien es "Autobahnen, die Wirtschaft oder die Passbehörden".