Polizei richtet Augenmerk auf Problem. Plattformbetreiber sollen noch mehr in Pflicht genommen werden.

Oberndorf/Stuttgart - Immer mehr Hassbeiträge im Internet machen Opfern und Ermittlern zu schaffen. Das entgeht auch der Polizei nicht, die verstärkt ihr Augenmerk auf das Problem richtet.

"Die Sau gehört abgestochen und nicht in den Knast!" oder "50 weniger zum durchfüttern! Und die Entsorgung der Kadaver bezahlen die Steuerzahler." Die Verrohung der Debattenkultur im Netz ist mittlerweile auf einem erschütternden Niveau angekommen. Hasspostings – wie oben genannt – sind täglich im Internet zu lesen. Ein Rückgang dieser Kommentare scheint nicht absehbar, im Gegenteil.

Die baden-württembergische Polizei erfasst immer mehr strafbare Hassbeiträge im Internet. 76 solcher Posts wurden nach Zahlen des Landeskriminalamts (LKA) und des Innenministeriums im ersten Halbjahr 2019 registriert. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2018 stieg die Zahl laut LKA um knapp 29 Prozent. Mit der Zunahme setzt sich der Vorjahrestrend fort: 2018 waren im Südwesten 204 Hassbeiträge und damit rund 28 Prozent mehr als 2017 erfasst worden. Und das obwohl der Bundestag im Jahr 2017 das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz verabschiedet hatte.

Damit sollen Plattformbetreiber von sozialen Netzwerken noch mehr in die Pflicht genommen werden, auf Beschwerden und Hasskommentare zu reagieren und diese zeitnah zu löschen. Andernfalls können den Betreibern empfindliche Strafen drohen.

Bereits rund 300.000 Schüler erreicht

Aber warum steigt der Hass im Netz dennoch weiter an? Hat das Gesetz, das umgangssprachlich auch als Facebook-Gesetz bekannt ist, versagt? "So einfach kann man das nicht sagen", stellt ein Sprecher des Landes-Innenministeriums klar. "Das Gesetz führt auch dazu, dass die Provider aufmerksamer geworden sind", sagt er unserer Zeitung. Was wiederum dazu führe, dass mehr Beiträge gemeldet würden. "Das Gesetz hellt hier ein Dunkelfeld auf." Doch nicht nur die Provider selbst lenken ihr Augenmerk verstärkt auf die strafbaren Inhalte. Bereits seit Jahren tritt das Landeskriminalamt (LKA) laut einer Mitteilung Hasskommentaren und Gewaltaufrufen im Netz mit mehreren Maßnahmen entgegen.

Gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder werden Netzinhalte etwa durch die "Koordinierte Internetauswertung – Rechts" (KIA-R) gezielt ausgewertet. Zusätzlich führt das LKA in Stuttgart anlassbezogen Internetrecherchen in einschlägigen Foren durch. Auffallend bei den Zahlen aus dem ersten Halbjahr: Die deutliche Mehrheit der Beiträge stuft die Polizei als rechtsmotiviert ein.

Junge Erwachsene vor den Gefahren und Straftaten der digitalen Welt, zu denen auch Hasskommentare und Gewaltaufrufe zählen, zu schützen hat sich die polizeiliche Präventionsarbeit zur Aufgabe gemacht. Das Medienpaket "Verklickt – Sicherheit im Medienalltag" soll dazu dienen, Kindern und Jugendlichen der Klassenstufen 5 bis 7 sicherheitsbewusstes Verhalten in ihrer digitalen Alltagswelt zu vermitteln. Seit 2015 hat die Polizei damit bereits rund 300.000 Schüler erreicht.

Wer Opfer von Hasskommentaren wird oder allgemein Diffamierungen im Netz melden will, der hat die Möglichkeit, sich an die Internetwache der Polizei Baden-Württemberg zu wenden. Dort können Bürger online Straftaten melden und Anzeigen. Werden die Täter geschnappt und belangt, beginnt das Strafmaß bei einer Geldstrafe. In besonders schweren Fällen droht den Straftätern sogar eine mehrjährige Haftstrafe.