Der TÜV Süd sieht in mangelhaft kontrollierten Schweizer Fahrzeugen Gefahr. Die Ämter im Nachbarland kommen mit den Kontrollen nicht mehr nach. Die Prüforganisation hat Hilfe angeboten. Foto: Gebert

Mit sicherheitsrelevanten Mängeln auf Straßen im Südwesten unterwegs. AGVS: Jedes zehnte Fahrzeug ein Risiko.

Oberndorf - Hohe Unfallgefahr durch mangelhafte Schweizer Autos auf den Autobahnen im Südwesten – das sieht der TÜV Süd als Folge maßlos überzogener Prüfungsfristen im Nachbarland. Die Schweiz dagegen will die späten Kontrollen nun sogar legalisieren.

"Wenn in der Schweiz Autos nach sechs oder gar acht Jahren erstmals zur Fahrzeugüberprüfung müssen, so wird dies zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko führen und sicher negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit in der Schweiz und den angrenzenden Nachbarländern haben", heißt es in einem Schreiben des TÜV Süd an die Schweizer Straßenverkehrsämter. Bernhard Kerscher, Sprecher der Geschäftsführung des TÜV Süd, prangert darin an, dass Schweizer Autos zum Teil doppelt so lange auf die Untersuchung warten wie gesetzlich vorgesehen. Schweiz sowie EU schreiben eigentlich eine Kontrolle nach vier Jahren vor.

Kontrolle nach sechs Jahren bald legal?

Den Schweizer Straßenverkehrsämtern fehlt es wohl an Personal, um die Autos fristgerecht zu kontrollieren. Der Kanton Luzern sei eineinhalb Jahre im Prüfungs-Rückstand, schrieb die Luzerner Zeitung 2012. Der Sender Schweiz Aktuell hatte bereits 2011 gemeldet, der Kanton Thurgau sei mit dem Pensum von 60.000 Autos im Verzug.

Ein Zustand, auf den die Politik nun verspätet reagiert: Das Schweizer Bundesamt für Straßen Astra will die Fristen für die erste Hauptuntersuchung auf sechs Jahre heraufsetzen lassen – zwei Jahre länger Zeit für die Straßenverkehrsämter.

Kerscher hält von diesen Plänen gar nichts: "Es ist gefährlich, auf diese Art und Weise den Vollzugsrückstand kompensieren zu wollen." Das Astra behauptet, die heutigen Neuwagen hätten eine so hohe Qualität, dass sie nicht schon nach vier Jahren untersucht werden müssten. Das wischt Kerscher als "Pseudoargument" vom Tisch – und verweist auf nach schon drei Jahren vorgefundene Mängel, beispielsweise an Scheinwerfern, Bremsen oder Lenkung. Zudem: "Sofort in die Werkstatt gehen die meisten doch nur, solange die Garantie dauert. Danach lassen viele Leute das von Freunden reparieren oder auch gar nicht."

Der TÜV Süd appelliert an die Schweiz, die Autos "wieder zu den gesetzlich geregelten Intervallen der MFK" prüfen zu lassen. Außerdem bietet die Prüforganisation der Schweiz Hilfe an – sie könnte dem Nachbarland womöglich einen Teil der Kontrollen abnehmen, um "unnötige Gefährdung für die Gesundheit und das Leben der Verkehrsteilnehmer" zu vermeiden. "Wenn durch die späten Prüfungen nur ein Unfall mehr passiert, ist der Schaden schon zu groß", sagt Kerscher.

Verband rechnet mit mehr Staus und Toten

Ähnlich sieht es Auto-Gewerbe-Verband Schweiz, der heftig gegen die Astra-Pläne protestiert: Durch nicht rechtzeitig behobene Fahrzeugmängel sei mit "mehr Pannen, Unfällen, Staus, Verletzten und Unfalltoten" zu rechnen.

Dass viele Schweizer Autofahrer auf deutschen Autobahnen gern das Gaspedal durchdrücken, ist bekannt. Erst 2013 warnte beispielsweise die Konstanzer Polizei vor jungen Schweizern, die für gefährliche Raserrennen über die Grenze kommen. Der TÜV Süd gibt der Geschwindigkeits-Debatte nun aber eine neue Dimension.

Die Schweizer Verkehrsministerin Doris Leuthard erklärte in einem Schreiben an den AGVS, an Neuwagen bis zum fünften Jahr seien an "weniger als zehn Prozent der geprüften Personenwagen erhebliche Mängel festgestellt" worden. Der AGVS fasst ihre Aussage in andere Worte: Knapp jedes zehnte Schweizer Auto ist ein rollendes Risiko.