Dieser Hund folgt einer Spur im Gras. In dieser Situation könnte er – womöglich unbemerkt von Herrchen – einen Giftköder aufnehmen. Foto: © Karoline Thalhofer - stock.adobe/K.THALHOFER

Hundehalter in Calw und Gechingen leben derzeit in Angst: Mit Symptomen wie Zittern, Speicheln mit Blutauswurf, Bauchkrämpfen, Atemnot oder Erbrechen mussten sie ihren Liebling zum Tierarzt bringen. Es deutet einiges auf ein und die selbe Ursache hin.

Freilauf mit Herrchen oder der ganzen Familie – das ist mit das Größte für einen Hund. Beim Herumstöbern in der Natur, ob mit oder ohne Leine, erschnüffelt die Hundenase alles mögliche Schmackhafte. Das wird dann, ebenso wie das Futter zu Hause, meist gierig verschlungen. Das liegt in der Natur der Tiere. Für den Hundehalter ist es schwer, das ständig beim Spaziergang zu kontrollieren. Genau dieser Umstand könnte in den vergangenen Tagen und Wochen mehreren Tieren aus dem Raum Calw und aus Gechingen zum Verhängnis geworden sein. Die hatten nämlich plötzlich schwere Schocksymptome.

Offizielle Warnung

Eine Warnung für Hundehalter hat jetzt die Gemeinde Gechingen herausgegeben. Sie schlägt Alarm wegen ausgelegtem Rattengift. „Auf der Gemarkung Gechingen hat ein Hund einen Köder mit Rattengift aufgenommen und den Vorfall nicht überlebt. Die Ursächlichkeit des Rattengiftes für das Versterben des Tieres wurde durch tierärztlichen Bericht bestätigt“, ist auf der Homepage der Gäugemeinde zu lesen. Alle Hundehalter würden um besondere Vorsicht und Beachtung gebeten. Vor allem der Bereich entlang des Stammheimer Wegs sei betroffen.

Auch Wildtiere in Gefahr

Weitere Fälle seien auch in den umliegenden Gemeinden bekannt, heißt es dort weiter. „Betroffen sind auch Hundehalter Richtung Kreis Böblingen, also Aidlingen und darüber hinaus“, äußerte sich Gechingens Bürgermeister Jens Häußler gegenüber unserer Redaktion. Der oder die Täter würden grausam und völlig unüberlegt handeln. Durch die Giftköder brächten sie unter Umständen Kinder in Gefahr, die das ausgebrachte Gift in die Finger bekommen könnten, und wahllos auch Wildtiere.

Vieles deutet auf einen Stoff hin

Ob es sich bei den weiteren Fällen im Raum Calw ebenfalls um eine Intoxikation mit Rattengift handelt, ist nicht vollständig geklärt, es deutet allerdings einiges darauf hin, zum Beispiel eine bestimmte Verfärbung von Erbrochenem. Oft wird für Köder Schneckenkorn verwendet. Auch Fleischbällchen, gespickt mit Rasierklingen, werden von Hundehassern ausgelegt – bevorzugt in Gebüschen oder am Rand von Gehwegen mit Rasenflächen.

Allein am Mittwoch und Donnerstag wurden in einer Tierarztpraxis im Kreis Calw sechs Hunde mit Vergiftungssymptomen behandelt, einer davon starb. In den Wochen zuvor sind dort nach Angaben der genannten Praxis viele weitere Tiere mit sogenannten Verdachtsvergiftungen untersucht worden. In einem weiteren Fall hatten drei junge Katzen, die alle in einem Straßenzug leben, innerhalb ein und des selben Zeitraums starke Vergiftungssymptome gezeigt. Bereits in den vergangenen fünf Jahren war es in Calw immer wieder zu Vergiftungen durch Köder gekommen, dieses Mal häufen sich die Fälle aber extrem.

Gift für wenig Geld im Baumarkt zu haben

Nach dem Vorfall in Gechingen und den jüngsten im Bereich Calw liegt der Verdacht nahe, dass ein perfider Hundehasser immer wieder Alpha-Chloralose, ein noch relativ neues Rattengift, auslegt, womöglich präpariert mit Fleischstücken, Hundeleckerli oder Keksen. Bei dem körnigen Mittel handelt es sich um eine Mischung aus dem Traubenzucker Glucose und dem starken Narkosemittel Chloralhydrat. Alpha-Chloralose kann im Vergleich zu herkömmlichem Gift gegen Ratten und Mäuse für wenig Geld problemlos in jedem Baumarkt oder online gekauft werden. Das Gemisch wirkt im Gegensatz zum alten recht schnell. Erste Symptome machen sich allgemeinen Angaben zufolge nach 30 Minuten bis zu vier Stunden bemerkbar. Das althergebrachten Rattengift verursacht innere Blutungen und führt über Tage hinweg zum Tod.

Ein Blutbild kann weiterhelfen

Welcher (Gift)Stoff genau für Symptome wie Erbrechen, Durchfall, helle Schleimhäute im Rachenbereich, schwankenden Gang, Atem- und/oder Herzstillstand, Krämpfe, schnellen Herzschlag, Lähmungserscheinungen oder Bewusstlosigkeit verantwortlich ist, kann generell nicht ohne Weiteres sofort festgestellt werden. Zunächst wird das betroffene Tier symptomatisch behandelt, der Kreislauf stabilisiert und weitere Maßnahmen ergriffen, damit der Körper den Auslöser der Beschwerden ausschwemmen kann. Ein Blutbild kann Aufschluss über dessen Art und Zusammensetzung geben. Das dauert aber. „Ob eine Behandlung zum Erfolg führt, hängt von vielen Faktoren ab, so von der Art des aufgenommenen Giftes oder dem Zeitraum zwischen Giftaufnahme und einsetzender Behandlung. Doch in der Regel kann der Tierarzt noch sehr viel für den Patienten tun“, heißt es vonseiten der Bundestierärztekammer.

Polizei nimmt Ermittlungen auf

Inzwischen ermittelt die Polizei. „Unweit von Gechingen waren zwei Hunde von Vergiftungssymptomen betroffen, einer konnte gerettet werden und ihm geht es wieder gut“, gab Christian Koch, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Pforzheim, im Gespräch mit unserer Redaktion an. Bei einem weiteren Fall handle es sich um ein zwölfjähriges Tier, das verstorben sei. „Dessen Mageninhalt war zunächst unauffällig“, so der Sprecher. Die Obduktionsergebnisse stünden allerdings noch aus. Beamte seien gemeinsam mit dessen Besitzer die Gassi-Strecke entlang gegangen, „haben aber nichts Auffälliges entdecken können“.

Geldstrafe bis zu 25 000 Euro

Hundebesitzer können im Fall der Fälle bei der Polizei Anzeige erstatten und es wird ein Strafverfahren wegen Tierquälerei und Sachbeschädigung eingeleitet. Wer Giftköder auslegt, macht sich nach dem Tierschutzgesetz strafbar. Wer erwischt wird, muss je nach Einzelfall mit einem Ordnungsgeld rechnen. Beim Auslegen von Giftködern ist nach dem Tierschutzgesetz eine Geldstrafe bis zu 25 000 Euro möglich. Der Täter muss außerdem mit einem Tierhalteverbot rechnen, das vom Veterinäramt verhängt wird, außerdem mit einer Schadenersatzklage des Hundebesitzers, was Behandlungskosten angeht. Es muss gegebenenfalls sogar Schmerzensgeld gezahlt werden. Ratsam ist es für die Tierbesitzer, Vergiftungen auch ans zuständige Veterinäramt zu melden. Für alle Hundehalter gilt jedenfalls die nächste Zeit eines mehr als zuvor: Augen auf beim Spaziergang mit dem vierbeinigen Freund.

Den Hund schützen und im Notfall helfen – so geht’s

Gassigehen
Dort, wo vor ausgelegtem Gift gewarnt wurde, sollte der Hund vorsorglich an der Leine geführt werden.

Zuhause
„Hundebesitzer können ihr Tier vor ‚selbst gemachten‘ Vergiftungen schützen: So sind Weintrauben, Rosinen, Macadamia-Nüsse, Koffein, Süßstoff oder Schokolade für Hunde giftig und sollten nie – auch nicht in kleinen Mengen – angeboten werden“, heißt es auf der Homepage der Bundestierärztekammer. Und weiter: „Auch vermeintlich harmlose Medikamente wie Aspirin, Paracetamol oder Teebaumöle wirken beim Tier toxisch.“

Symptome
„Abhängig vom Gift und von der Giftmenge erkennt man eine Vergiftung sofort oder wenige Stunden nach Giftaufnahme. Allerdings gibt es auch einige wenige Gifte – Rattengift, Thallium –, bei denen zwischen Aufnahmezeitpunkt und Auftreten der ersten Symptome einige Tage liegen können. Symptome, die bei einer Vergiftung auftreten können, sind starkes Speicheln, Zittern, Apathie oder starke Aufregung, Schwäche, Kreislaufprobleme (Kollaps mit Bewusstlosigkeit), Erbrechen, Würgen, Durchfall, Bauchkrämpfe, Blut im Erbrochenen, im Kot oder im Urin (bei Rattengift); außerdem können Atembeschwerden bis hin zur Atemnot auftreten oder Veränderung der Pupillen und der Mundschleimhaut.“

Sofortmaßnahmen
Durch die Vielzahl der Stoffe, die zu einer Vergiftung führen können, ist es laut Bundestierärztekammer für den Laien im Notfall unmöglich, gezielt zu helfen. Also sollte so schnell wie möglich ein Tierarzt aufgesucht werden. Sei das Tier bewusstlos, sollte es flach auf die Seite gelegt und sein Kopf so gedreht werden, dass Erbrochenes und Speichel aus dem Maul laufen können.

Unbedingt vermeiden
Der Hund sollte auf keinen Fall zum Erbrechen gebracht werden. Erstens sei es bei einem Hund nicht möglich, mit der Finger-in-den-Hals-Methode dieses auszulösen. Und zweitens könne es auch gefährlich sein, zum Beispiel wenn der giftige Mageninhalt nach oben komme. Bei ätzenden oder scharfen Ködern kann es zudem zu Verletzungen kommen. Auch das Einflößen von Milch oder Öl solle unterlassen werden, denn die Aufnahme mancher Giftstoffe werde dadurch beschleunigt. Wenn möglich, sollte außerdem die Substanz, die das Tier aufgenommen hat, gesichert und zum Tierarzt mitgenommen werden.