Durch den Brand wurde das Gebäude schwer in Mitleidenschaft gezogen. Foto: dpa

Nach tödlicher Zwangsräumung: Zehntausende Dokumente mit Ruß und Löschwasser überzogen.

Tübingen - Auf eine halbe Million Euro schätzt die Polizei den Schaden an dem zwangsgeräumten Tübinger Universitätsgebäude. Experten dürfen das Ausmaß der Verwüstung näher begutachten.

Nach der Zwangsräumung mit einem Toten und einem Großbrand in Tübingen konnte am Montag zum ersten Mal der Schaden näher begutachtet werden. Zwar ist das Betreten des einsturzgefährdeten Hauses weiter untersagt, aber ein angeseilter Zimmermann kann aus den verschiedenen Etagen Inventar und Dokumente bergen. "Wir hoffen, dass noch etwas gerettet und spezialgetrocknet werden kann", sagt Hubert Klausmann, der Leiter der Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland am Ludwig-Uhland-Institut. Nach einer Woche Feuchtigkeit durch das Löschwasser werde jedoch vermutlich vieles zerstört sein.

Akten teils digitalisiert

In dem landeseigenen Gebäude waren neben den Büros von Klausmann und dem emeritierten Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger auch wichtige historische Dokumente untergebracht. Eine Fotosammlung mit Bildern aus den 1930er-Jahren umfasste rund 10 000 Aufnahmen. Vom Ruß überzogen und anschließend unter Wasser gesetzt wurde das Arno-Ruoff-Archiv mit 2000 Tonbandaufnahmen aus den 1950er-Jahren. Vermutlich stark beschädigt sind auch die Werke in der Bibliothek zur Dialektforschung und das Archiv des Ludwig-Uhland-Institutes mit vielen Fotografien und Zeitungsausschnitten. "Immerhin haben wir das Arno-Ruoff-Archiv und den Sprachatlas von Nord-Baden-Württemberg bereits digitalisiert", sagt der Dialektforscher Klausmann. Ein Zufall sei es, dass das alte Tonbandaufnahmegeräte gerade nach Stuttgart entliehen worden sei. Es ist in der Landesaustellung "Die Schwaben" zu sehen.

Hoher ideeller Verlust

Wie groß der Schaden bei den Archivalien ist, kann Klausmann nur schwer beziffern. Sicherlich sechsstellig bei der Bibliothek, dazu komme ein ideeller Verlust. Manches könne antiquarisch wieder erworben werden, schwieriger sei das bei alten Lexika. Klausmann selbst hatte zuletzt von Hand Sprachkarten erstellt, zunächst auf Papier. Eine Arbeit von mehreren Monaten, die verloren sei.

Den Schaden am Haus schätzt die Polizei auf eine halbe Million Euro. Das Haus muss abgerissen werden. Die acht Mitarbeiter des Instituts sollen provisorisch für ein Jahr in Räumen der alten Augenklinik unterkommen.

Ermittlungen nach Abbruch

Bei der Zwangsräumung des Gebäudes vor einer Woche hatte der 69-jährige Bewohner auf Beamte geschossen, vermutlich das Haus in Brand gesteckt und sich bei einem Sturz vom Balkon tödlich verletzt. Der Mann lebte mindestens sechs Jahre unrechtmäßig in den Universitätsbüros. Erst nach dem Abbruch des Hauses können Brandermittler den Schutt untersuchen, um nähere Erkenntnisse zur Brandursache zu erhalten.