Amadou Jawara hatte nur Shorts an, als er aus dem brennenden Container geflüchtet ist. Er trägt jetzt gespendete Kleidung. Für ihn der schlimmste Verlust: Sein Handy samt den Nummern der Familie ist verbrannt. Foto: Müssigmann

Flüchtlinge haben bei Feuer in Rottenburger Asylunterkunft alles verloren. Viele haben keine Kleidung und Schuhe mehr.

Rottenburg/Tübingen - Ein Feuerball, der aus den Fenstern der Wohncontainer kommt: Der Gambier Spraga (23) zeigt auf seinem Handy Bilder vom Brand der Container auf dem DHL-Areal in der Nacht auf Montag. 50 der 84 Opfer der Brandkatastrophe leben jetzt in der Tübinger Kreissporthalle. Ein Besuch.

Von der Tribüne der Sporthalle aus blickt man auf Stellwände und Spinde. Bunte Kleidungsstücke hängen über den gut mannshohen Stellwänden, sie wirken wie Farbkleckse auf einem grauen Blatt Papier. Vor einer Gerätegarage sitzen junge Männer auf einer Bierbank, sie hören Reggae. Weiter hinten, wo die Turnhalle noch Turnhalle ist, spielen vier Jungs Basketball. Die Stimmung ist gut, eher ruhig, manche schlafen auf Matratzen am Boden.

In Windeseile wurde die Halle am Montag bezugsfertig gemacht – die Arbeiten waren schon im Gang, aber erst Anfang Oktober hatte man hier mit Flüchtlingen gerechnet. Der Brand in Rottenburg hat den Zeitplan durcheinandergebracht, das Landratsamt am Montag alle Kräfte gebündelt und das Lager fertiggemacht. Man kann es als Glücksfall bezeichnen, dass eine nahezu fertig eingerichtete Notunterkunft zur Verfügung stand.

Amadou Jawara (25) aus Gambia, seit einem Jahr und drei Monaten in Deutschland, ist aufgewühlt von den Ereignissen der Woche, die für ihn mit einem großen Schock begonnen hat. Er sei in der Nacht auf Montag von Lärm und Geschrei aufgewacht und in Shorts ins Freie gerannt, er habe nicht einmal Schuhe getragen. "Mein Haus ist verbrannt", sagt er. "Ich habe jetzt Null Komma nix. Kleidung, Schuhe, alles ist weg."Fernseher, Radio, Handy, alles was er in seinem kleinen Zuhause besaß, Zimmer Nr. 20 in der Containersiedlung, habe das Feuer zerstört. Für Amadou und die anderen Männer hier ist es am schmerzlichsten, dass sie Handys samt SIM-Karten und Nummern von Familie und Freunden in der Heimat verloren haben. Junkung Ceesay (19), ebenfalls Gambier, sagt, dass seine Sorgen so groß seien, dass er an manchen Tagen nicht einmal Fußball spielen wolle.

Amela Suljic (25) ist eine der wenigen Frauen in der Halle. Sie ist mit ihrem Ehemann und ihrer Schwester aus Bosnien nach Deutschland gekommen. Und sie ist schwanger. Vor einer Rückkehr nach Rottenburg fürchtet sie sich. "Ich habe Angst vor diesem Ort«, sagt sie. Immerhin: Ihr Mann konnte unter Beisein der Feuerwehr am Donnerstag einige Kleider aus ihrem Container holen, der von den Flammen verschont geblieben ist. Im Hof der Tübinger Halle sortieren sie, was noch brauchbar und nicht vom Löschwasser total durchnässt ist. Alles stinkt beißend nach Rauch. Alles stinkt nach der Brandkatastrophe. Auf der Bank liegt ein Bündel Rosen, das Amelas Mann ihr von der Fahrt nach Rottenburg mitgebracht hat.

Die vergangene Woche war für die Asylsuchenden und die Mitarbeiter des Landratsamtes anstrengend, voller Trubel. Sogar das japanische Fernsehen war da, um über den Brand und die Folgen zu berichten, sagt Gabriel Wehle aus Rohrdorf (25), stellvertretender Pressesprecher des Landratsamtes. Er wünscht sich, dass keine Spekulationen zur Brandursache Raum greifen. "Uns ist wichtig, dass unter den Flüchtlingen keine Panik entsteht. Wir nehmen die Polizei beim Wort, die sagt, sie ermittle in alle Richtungen."Ein endgültiges Ergebnis gibt es bislang nicht.

Khaled Kabiri (27) ist der Hausmeister für die Flüchtlingsunterkunft in der Kreissporthalle und einer anderen Unterkunft in Tübingen, mit insgesamt 160 Leuten. Er achte darauf, dass die Bewohner keinen Unfug machen: nicht rauchen, keinen Schmutz machen, sich nicht anlegen, nichts klauen. Kabiri sagt: "Ich bin selber kein Deutscher. Ich verstehe die Leute von der Mentalität her."Er begrüßt die jungen Männer aus Afrika, die so alt sind wie er, mit kumpelhaftem Handschlag. "Ich bin hier Freund und Helfer. Mir macht das Spaß."

Wenn es ruhig ist, wie an diesem Nachmittag, kann er gegen 17 Uhr Feierabend machen. Dann übernimmt ein Sicherheitsdienst die Nachtschicht. Damit die schwangere Amela Suljic und die anderen Bewohner ruhig schlafen können.

Weitere Informationen: Wer helfen will, kann sich im Netz unter www.fluechtlinge-kreistuebingen.de über die Möglichkeiten informieren. Das Landratsamt bittet auch darum, gebrauchte Handys zu spenden.