Die Richter waren von der Schuld des Vaters überzeugt. Foto: Bernklau

Bis zum Schluss streitet 50-Jähriger Vorwürfe ab - doch Indizien wiegen schwer.

Tübingen/Calw - Zum Schutz der jungen Frau war die Öffentlichkeit von weiten Teilen des Prozesses gegen ihren Vater ausgeschlossen. Jetzt wurde der 50-Jährige zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt, weil er nach Überzeugung der Richter seine inzwischen erwachsene Tochter missbraucht hat.

Den Prozessbeginn am Tübinger Landgericht hatte der mittlerweile im Hohenlohischen wohnhafte Angeklagte noch auf freiem Fuß erlebt. Nach dem Urteil aber wurde der ergangene Haftbefehl sofort vollstreckt: Der Mann soll für sieben Jahre und neun Monate ins Gefängnis, weil er über einen Zeitraum von zehn Jahren – zunächst in der gemeinsamen Wohnung der Eltern, nach der Scheidung bei den regelmäßigen Besuchen des Kindes an Wochenenden – seine Tochter vielfach missbraucht und in zwei Fällen oral vergewaltigt hat.

Bis zum Schluss hatte der gelernte Industriemechaniker die Vorwürfe abgestritten. Aber am Ende waren die von Staatsanwältin Rotraud Hölscher zusammengetragenen Indizien und die Aussage der jungen Frau doch so überzeugend, dass die Große Jugendstrafkammer unter Vorsitz der LG-Vizepräsidentin Mechthild Weinland keine Zweifel mehr hatte. Dass der Mann uneinsichtig in Tat und Schuld war und seiner Tochter nicht durch ein Geständnis die extrem belastende Zeugenaussage vor Gericht ersparte, wirkte sich strafverschärfend aus.

Der Fall war erst sechs Jahre nach den letzten fraglichen Geschehnissen ins Rollen gekommen, weil die inzwischen 20-jährige Frau am Arbeitsplatz zusammengebrochen war und danach auf Drängen ihrer Vorgesetzten gemeinsam mit der Mutter Anzeige gegen den – nach einem unter Alkoholeinfluss selbst verschuldeten Autounfall – in einer Behinderten-Werkstatt beschäftigten Mann erstattet hatte. Ihm waren rund 180 Fälle von teils schwerem Missbrauch seines schutzbefohlenen Kindes vorgeworfen worden. 23 davon zog die Große Jugendstrafkammer aus drei Richtern und zwei Schöffen jetzt als Grundlage für das Urteil heran.

In einer umfangreichen Beweisaufnahme waren eine Vielzahl von Zeugen aus dem damaligen und jetzigen Umfeld des Angeklagten und der Tochter vernommen worden. Das Gericht folgte der Anklage und sah am Ende die Vorwürfe als erwiesen an. Die dem Mann zur Last gelegten Übergriffe steigerten sich demnach von fuß-fetischistischen Berührungen und Lutschen an den Zehen der damals knapp Fünfjährigen in der Familie über die Jahre hinweg.

Sie gipfelten in mehreren versuchten Vergewaltigungen und in zwei Fällen von erzwungenem Oralverkehr. Das alles geschah dann während regelmäßigen 14-täglichen Besuchswochenenden in späteren Wohnungen des Angeklagten in und um Calw. Die sehr speziellen Praktiken und die sehr detaillierten Schilderungen belasteten den Mann so sehr, dass demgegenüber die Fürsprache seiner Eltern oder der späteren Lebenspartnerin kaum ins Gewicht fallen konnten.

Auch war weder von Seiten der Tochter selbst noch von der Mutter und früheren Ehefrau irgendein Interesse erkennbar, den Mann aus anderen Gründen zu beschuldigen und zu belasten. Im Gegenteil: Nach Aussage der vernehmenden Kripo-Beamtin liebe die Tochter ihren Vater trotz der angeklagten Geschehnisse immer noch. Zwar hatte der Angeklagte in seinen umfangreichen Aussagen keinerlei Angaben zu den Vorwürfen gemacht, aber auf die beiläufige Frage der Vorsitzenden Richterin sein Faible für Fuß-Fetischismus eingeräumt.

Die Verteidigung, die ihr Plädoyer ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgab, hat nun eine Wochen Zeit, das Urteil anzufechten und Revision zu beantragen.