"Healthy Generation" hat die umstrittene Reha-Einrichtung in der Turnerstraße geschlossen. Foto: sb

Vorsitzender Egon Friesen gibt Auflösung des Vereins "Healthy Generation" bekannt. Fragen nach tödlicher Attacke bleiben.

Trossingen - Egon Friesen, Vorsitzender des Trossinger Vereins "Healthy Generation", hat den Verein aufgelöst und die Reha-Einrichtung in der Turnerstraße geschlossen. Dies teilte er am Freitag in einer Pressemitteilung mit. Der Verein hatte den 25-jährigen russischen mutmaßlichen Mörder einer 45-jährigen Trossingerin betreut.

Friesen versicherte in der Presseerklärung, er hätte nie "gedacht, dass aus der Einrichtung unseres Vereins so etwas Schreckliches ausgehen konnte" und erklärte, sein "ganzes Herzblut" in seine ehrenamtliche Tätigkeit als Vorsitzender gesteckt zu haben.

In der Presseerklärung betont Friesen: "Ich möchte mit dieser Stellungnahme auch weiteren Spekulationen und Mutmaßungen aus den Medien, insbesondere auch aus den sozialen Medien, vorbeugen und auch Wesentliches berichtigen: Ich habe als Vorsitzender die Healthy Generation e.V. ehrenamtlich geführt und dabei mein ganzes Herzblut in diesen Verein gesteckt um jungen Menschen, die mit Suchtproblemen behaftet waren, zu helfen. Es handelt sich konkret um ehemalige Suchtkranke, wobei die Betonung auf Ehemalige liegt, die in Deutschland, eben in Trossingen in dieser Einrichtung, Lebenshilfe bekommen sollten, um sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren." Diese Hilfe habe nicht auf dem medizinischen Gebiet basiert, "denn Voraussetzung für die Aufnahme in unsere Einrichtung war unter anderem die vollständige Entgiftung und die beendete Therapie. Es handelte sich also nicht um ›kranke‹ Menschen, vielmehr eben um ehemalige Suchtkranke, die Resozialisierung bedurften und deren Selbstwertgefühl demzufolge in unserer Einrichtung aufgebaut werden sollte, indem man ihnen Liebe und Zuneigung entgegenbrachte", erklärt Friesen.

"Niemals hätte ich gedacht, dass der junge Mann, der erst kurz in unserer Einrichtung war, zu einer solch grausamen Gewalttat neigt und eine unschuldige junge Frau ohne irgendein Motiv umbringt. Ich war zu der Zeit der Tat und bereits vorher im Urlaub und wurde sofort über das Geschehen informiert. Daraufhin habe ich sofort alle Informationen über den Täter gesammelt bei allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln. Während der gesamten Zeit war ich mit den ermittelnden Behörden in Deutschland in Verbindung. Es war also nicht so, wie in der Presse anklang, dass ich mich von meiner Verantwortung als Vorsitzender des Vereins gedrückt habe. Ich bin mir dieser Verantwortung auch gegenüber der Bevölkerung und der Trauerfamilie bewusst und habe deswegen bereits veranlasst, dass die Einrichtung in Trossingen ab sofort geschlossen und der Verein aufgelöst wird", so Friesen weiter in seiner Stellungnahme.

Der Verein reagierte mit seiner Auflösung auf laufende Ermittlungen im Fall des 25 Jahre alten Russen Petr K., der am 5. September einer ihm offenbar unbekannten 45-jährige Trossingerin aufgelauert und sie mit zwei Küchenmessern getötet haben soll. Der mutmaßliche Täter sei ebenfalls in den Räumen des Rehazentrums in der Turnerstraße betreut worden, bestätigte am Freitag der Vereinschef.

Nach Recherchen unserer Zeitung in Russland übten die Teilnehmer der "biopsychosozialen" Gruppensitzungen im Trossinger Zentrum seit 2011 unter anderem "emotionale Heilung" durch Mülltrennung und Zeichnungen, auf denen sie ihre Leben darstellten. Laut der Webseite viprehab.org kostete eine solche Behandlung umgerechnet etwa 1600 Euro. In Russland warb unter anderem jahrelang das Reha-Netzwerk "Zentrum der gesunden Jugend" (ZGJ) für die "hochqualitative deutsche Therapie in einer traumhaften Lage".

In seiner Stellungnahme klammerte Egon Friesen den finanziellen Aspekt der Betreuung wie auch Verbindungen zu der von seinem Bruder geleiteten "CGG Christliche Glaubensgemeinde" oder dem russischen ZGJ komplett aus. Für Nachfragen war er am Freitag nicht zu erreichen.

Somit bleibt auch die Frage offen, welche Rolle Nikita Lushnikow in dem Trossinger Verein spielte. Laut Auszug aus dem Vereinsregister des Amtsgerichts Stuttgart, der unserer Zeitung vorliegt, ist der Russe heute stellvertretender Vorsitzender der "Healthy Generation". Er war seit der Gründung von ZGJ 2004 als dessen Präsident aktiv. Kritiker werfen Luschnikow vor, im Auftrag einer neupfingstlerischen Kirche zeitweise die russische Politik unterwandert zu haben.

Trossingens Bürgermeister Clemens Maier versicherte am Freitag auf Nachfrage, dass Egon Friesen seine Reha-Einrichtung "nicht einfach an einem anderen Ort wiedereröffnen" werde.