Der mutmaßliche Mörder der 45-jährigen Trossingerin war Gast einer privaten Einrichtung zur Resozialisierung in der Turnerstraße. Foto: sb

Mutmaßlicher Mörder von Trossingen war Gast einer kirchlich-privaten Initiative für Resozialisierungsarbeit.

Trossingen - Der Stadt Trossingen und dem Landkreis Tuttlingen war die private Resozialisierungs-Einrichtung bekannt, in der sich der mutmaßliche Mörder der 45-jährigen Trossingerin laut Staatsanwaltschaft Rottweil seit drei Wochen befand.

Wie Hauptamtsleiter Dieter Kohler am Mittwoch auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigte, wusste die Stadt, dass "eine private kirchliche Schwenninger Organisation dorthin Gäste aus dem Ausland einlädt, um sie zu betreuen und auf den geraden Pfad zu bringen". Der mutmaßliche Täter stammte aus Russland.

Ebenfalls bekannt war, dass diese Gäste "gewisse Probleme im Leben" hatten, wie Kohler es ausdrückte. "Wie schwerwiegend oder intensiv diese psychischen Probleme waren, war uns nicht bekannt."

Wie Bürgermeister Clemens Maier gegenüber unserer Zeitung erklärte, hat die Stadt Trossingen im Januar diesen Jahres gemeinsam mit Vertretern des Gesundheitsamts des Landkreises die Betreiber im betreffenden Gebäude in der Turnerstraße besucht, um sich ein "Bild über den Charakter der Einrichtung zu machen". Maier sagte, der Organisation sei daraufhin schriftlich und mündlich untersagt worden, eine medizinische oder therapeutische Betreuung einzurichten. Eine private Resozialisierung hingegen ließe sich nicht verbieten, so der Bürgermeister.

Laut Bernd Mager, Sozialdezernent des Landkreises, habe es sich bei der Tätigkeit der Organisation um genau so eine "reine private Resozialisierung mittels Sportkursen und Ähnlichem" gehandelt. Dies habe auch eine russischsprachige Ärztin bestätigt, die die Vertreter des Gesundheitsamts bei dem Besuch begleitet hat, so Mager.

"Dafür ist weder eine Erlaubnis der Krankenkassen oder Ärztevereinigungen noch eine Erlaubnis der Heimaufsicht nötig", sagte er. Laut Angaben der kirchlichen Organisation gegenüber dem Gesundheitsamt handle es sich um eine reine Privatinitiative. Dem Landkreis, so Mager, sei bekannt gewesen, dass sich in dem Gebäude ehemalige Suchtkranke aufhielten.

Sämtliche Behörden betonen, keine Möglichkeit gehabt zu haben, der kirchlichen Organisation den Betrieb zu untersagen. Laut Kohler habe es sich um ein "Gästehaus" gehandelt, in das die Besitzer Menschen aus dem Ausland mit psychischen Problemen eingeladen habe: "Wenn Privatpersonen Bekannte mit psychischen Problemen zu sich nach Hause einladen, können wir das nicht verbieten."

Eine konkrete Gefahr habe die Stadt in der Privateinrichtung zu keinem Zeitpunkt vermutet. Auch Mager erklärte, der Kreis habe in dem Sachverhalt keine akute Gefahr gesehen: "Natürlich ist ein solches Klientel immer schwierig. Im Vordergrund steht aber, wie bei allen Einrichtungen, die sich mit Resozialisierung befassen, dass den Menschen geholfen wird." Der Kreis habe keine Handhabe gehabt, das private Programm zu untersagen. "Wenn sie nicht medizinisch tätig sind, entfällt die Zuständigkeit." Sowohl Maier und Kohler als auch Mager äußerten in diesem Zusammenhang ihre Betroffenheit über die schreckliche Tat.

Die dringende Frage, wie es nun mit der privaten Einrichtung weitergeht, deren Betreiber sich laut Staatsanwaltschaft Rottweil derzeit nicht in Deutschland aufhält, kann indes weder die Stadt Trossingen noch der Landkreis Tuttlingen beantworten.

Dieter Popp vom Polizeipräsidium Tuttlingen erklärte auf Anfrage unserer Zeitung, dass die Polizei derzeit im Umfeld des mutmaßlichen Täters ermittle, entsprechende Kontakte personell überprüfe und falls notwendig – beispielsweise bei illegalem Aufenthalt oder akuter Gefahr für andere Personen – entsprechende Maßnahmen ergreifen würde.

Die kirchliche Organisation aus Schwenningen, die das Programm betreibt, war für unsere Zeitung trotz mehrfacher Versuche gestern nicht zu erreichen.

Polizei und Staatsanwaltschaft gehen nach bisherigem Ermittlungsstand davon aus, dass die 45-jährige Frau, die am Samstagabend durch mehrere Messerstiche getötet worden ist, ein Zufallsopfer war. Der 25-Jährige hat laut Staatsanwaltschaft inzwischen gestanden, die Frau getötet zu haben.

Laut bisherigen Ermittlungen stand der Mann am Samstag gegen 21.15 Uhr vor dem Haus, in dem die 45-Jährige wohnte. Als sie an ihm vorbeigehen wollte, soll er laut Polizei mit einem Küchenmesser unvermittelt auf sie eingestochen haben.