Am 11. Mai fielen auf dem Gelände des Sindelfinger Mercedes-Werks die tödlichen Schüsse. Foto: dpa/Julian Rettig

Ein 53-jähriger Türke erschießt in einer Produktionshalle des Mercedes-Werks in Sindelfingen zwei Vorgesetzte und Landsleute. Nun ist er angeklagt. Gab es dafür mehrere Motive?

Wird sich das Motiv des Doppelmordes im Mercedes-Werk vor Gericht klären lassen? Gut fünf Monate nach den tödlichen Schüssen in einer Produktionshalle des Sindelfinger Mercedes-Werks hat die Staatsanwaltschaft gegen einen 53-Jährigen beim Stuttgarter Landgericht Anklage wegen zweifachen Mordes erhoben. Der Mitarbeiter eines Speditionsunternehmens soll am 11. Mai zwei 44 und 45 Jahre alte Vorgesetzte „heimtückisch aus nächster Nähe“ erschossen haben.

Heimtücke als Mordmerkmal – das ist für die Staatsanwaltschaft inzwischen eindeutig. „Die Opfer sind arg- und wehrlos gewesen, sie haben offenbar nicht mit einem Angriff auf ihr Leben gerechnet“, sagt Staatsanwaltssprecher Aniello Ambrosio. Das Motiv, über das so lange spekuliert worden ist, sei dagegen offen: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass hier verschiedene Motive zusammengekommen sind“, so der Sprecher. Die Klärung sei der Hauptverhandlung vorbehalten.

Schüsse kurz vor der Erdogan-Wahl nährten Spekulationen

Bei dem Beschuldigten wie auch den Opfern handelt es sich um türkische Staatsbürger, die bei einem Logistikunternehmen auf dem Mercedes-Gelände beschäftigt waren. Während der laufenden Produktion, knapp zwei Stunden nach Schichtbeginn, soll der 53-Jährige auf die beiden Landsleute geschossen haben. Er hatte sich anschließend widerstandslos festnehmen lassen. Die Bluttat in der Produktionshalle Factory 56 hatte auch die Produktion von S-Klasse, Maybach und EQS für mehrere Tage stillgelegt.

Zu den Motiven des Streits zählte schon kurz nach der Tat ein möglicher politischer Streit der türkischen Männer in der Zeit der unmittelbar bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei. So wurde kolportiert, der 53-Jährige habe als engagierter Anhänger der Opposition die beiden getötet, weil sie vermeintlich Erdogan-Anhänger gewesen seien. Im Umfeld der Ulu-Moschee im Gewerbegebiet vermutete man eher einen Streit über den arbeitsrechtlichen Status des 53-Jährigen. Die 44 und 45 Jahre alten Männer zählten zu dessen Vorgesetzten in der Spedition. 

Die Entscheidung über die Zulassung der Anklage sowie die Terminierung der Hauptverhandlung beim Stuttgarter Landgericht steht noch aus.