Diesen Scherzartikel gibt es in Titisee zu kaufen. Foto: Julia Witzel

Frauen finden Scherzartikel gewaltverherrlichend und geschmacklos. Geschäftsführer äußert sich nicht.

Titisee-Neustadt - In einem Geschäft in Titisee gibt es einen Scherzartikel zu kaufen, den viele ganz und gar nicht lustig finden: den "Erziehungs-Prügel - für die Dressur der Frau".

Es ist Samstag. Julia Witzel aus Marburg ist mit einer Freundin zu Gast in Titisee. Die beiden jungen Frauen schlendern durch die Seestraße. Dort ist am Wochenende immer einiges los. Der See, die Nähe zum Feldberg, das Freizeit- und Erlebnisbad "Badeparadies Schwarzwald": Titisee ist Anlaufpunkt sowohl von nationalen als auch internationalen Touristen. Deswegen werden in der 12.000-Einwohner-Gemeinde einige Souvenirs verkauft. Auch Julia Witzel und ihre Freundin sehen sich in den Geschäften um.

In "Brunner Welt der 1000 Uhren" stoßen die beiden dann auf etwas, das sie fassungslos macht: An einem Ständer hängen lange Holzbretter, an deren Enden farbige Stoffpolsterungen angebracht sind. Auf ihrer Vorderseite ist "Erziehungs-Prügel - für die Dressur der Frau" zu lesen. Hinten drauf steht: "Wenn sie zuviel spricht - ein Schlag auf's Sprachzentrum. Wenn sie mit anderen flirtet - ein Schlag aufs Sehzentrum. Wenn sie mal wieder 'Kopfweh' hat - schlagen bis sie wirklich Kopfweh hat."

Geschäftsführer äußert sich nicht

"Wir konnten nicht glauben, dass es das zu kaufen gibt", erinnert sich Julia Witzel, die sich selbst als humorvollen Menschen beschreibt. Die 23-Jährige hat sich an den Schwarzwälder Boten gewandt, weil sie findet, dass bei Gewaltverherrlichung der Spaß aufhört. Der "Erziehungs-Prügel" sei nicht nur frauenfeindlich, sondern eine Grenzüberschreitung, die sie nicht akzeptieren könne.

Witzel studiert Politikwissenschaft, sie beschäftigt sich deshalb mit Gender Studies (Geschlechterstudien). Außerdem sei ihre Generation sensibel für solche Themen, erklärt die 23-Jährige. Sie findet es "krass", was das Souvenir aussagt und fragt sich, was Touristen aus dem Ausland wohl über Deutschland denken, wenn sie den "Erziehungs-Prügel" sehen. Witzel kann nicht verstehen, wie jemand den Scherzartikel lustig finden kann. Aber irgendwer habe ihn ja offenkundig in das Sortiment aufgenommen, schließt die Studentin.

Der Schwarzwälder Bote hat deshalb "Brunner Welt der 1000 Uhren" kontaktiert. Auf der Website wirbt das Geschäft damit, ein Familienunternehmen zu sein und rühmt sich mit "über 100 Jahren Tradition am Titisee". Der stellvertretende Geschäftsführer geht direkt ans Telefon. Auf die Erklärung, dass es um Kritik an dem Scherzartikel geht, fragt er: "Das ist nicht ihr Ernst?" Danach heißt es: "Ich möchte dazu nicht Stellung nehmen." 

Frauenvereine sind außer sich

Deutliche Stellung zu dem Produkt nehmen Engagierte, die sich um Frauen kümmern, die echte Gewalt erfahren haben. Sigrid Jaschke vom Verein "Frauen helfen Frauen Schwarzwald-Baar" ist der Meinung, dass der Scherzartikel ein "echter Hammer ist". Der Verein bietet Frauen und Kindern in einem Schutzhaus eine Zufluchtsstätte. Er unterstützt und berät Frauen und Mädchen, die körperlicher und/oder seelischer Gewalt ausgesetzt sind. Der "Erziehungs-Prügel sei "nur dann akzeptabel, wenn's eine Schwanz-ab-Schere für Vergewaltigungsprävention gleich daneben zu kaufen gibt!", meint Jaschke. Der Artikel sei sowohl geschmacklos als auch frauenverachtend. 

Das findet auch Martina Sillmann, Kriminalhauptkommissarin a. D. Sie ist Vorsitzende der "FrauenHilfe Freudenstadt", einer Beratungsstelle für Frauen in Not. Sie möchte die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Breisgau Hochschwarzwald kontaktieren und um Entfernung der Gegenstände bitten. Sillmann: "Über solche Scherzartikel werden Botschaften in unsere Gesellschaft transportiert, die für Frauen sehr gefährlich sind."

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichne Gewalt gegen Frauen als eines der größten Gesundheitsrisiken weltweit, führt sie aus. Familiäre Gewalt gegen Frauen sei die Hauptursache für Tod oder schwere Gesundheitsschädigungen von Frauen. "Über solche Gegenstände werden Botschaften transportiert, die die Unterdrückung von Frauen als gesellschaftsfähig darstellen und Gewalt gegen Frauen in den Bereich der 'Normalität' rücken", erklärt die Engagierte. Und Kinder würden frühzeitig von solchen Bildern mit geprägt. Die "FrauenHilfe Freudenstadt" hat laut Sillmann pro Jahr mit durchschnittlich 150 Fällen von Beziehungsgewalt zu tun. 

Bürgermeisterin äußert sich zurückhaltend

Auch Meike Folkerts steht dem Scherzartikel als Frau kritisch gegenüber. Die 35-Jährige ist Ende 2019 zur Bürgermeisterin von Titisee-Neustadt gewählt worden. Damit hat die Schwarzwaldgemeinde erstmals eine Frau an ihrer Spitze. Und diese Frau hat sich ein Statement zum Thema nicht leicht gemacht. So plädiert Folkerts für eine freie Wirtschaft, in der es auch Scherzartikel geben darf. Das Angebot sei nur durch Gesetze in engen Grenzen einschränkbar. "Es ist gut, dass es freies Unternehmertum gibt", betont die Juristin im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. Eine Gemeinde habe keinen Einfluss darauf, was es in den Läden zu kaufen gebe. Und natürlich werde es auch in jeder Stadt Artikel geben, bei dem Mann oder Frau die Nase rümpfen kann. Aber: "Ich sage auch als Frau etwas dazu: Ich persönlich als Frau stehe einem solchen Artikel kritisch gegenüber."

Frauen im Schwarzwald-Baar-Kreis, die in Not sind, finden hier die richtigen Ansprechpartner. Frauen im Landkreis Freudenstadt erhalten hier Hilfe.