Vor allem die Nachfrage nach Welpen ist in Corona-Zeiten gestiegen. Foto: Kreistierheim Schwarzwald-Baar-Kreis

Kurzarbeit, Homeoffice, keine Reisen ins Ausland - durch die Pandemie verbringen viele Menschen mehr Zeit zu Hause. Einige nutzen dies, um sich ein Haustier zuzulegen. Die Nachfrage bei Tierheimen boomt, berichtet der Deutsche Tierschutzbund, und spricht von einer regelrechten Gier nach Welpen. Wir haben bei den Tierheimen in Rottweil und Donaueschingen nachgefragt, wie dort derzeit die Lage ist.  

Rottweil/Donaueschingen - "Die Nachfrage ist bei uns seit Beginn der Pandemie höher als sonst, vor allem nach jungen Hunden oder Welpen", bestätigt Vanessa Schreiber, Leiterin des Rottweiler Tierheims. "Viele Menschen sehnen sich jetzt nach einer Aufgabe. Einige haben auch schon vor der Pandemie über ein Haustier nachgedacht, und jetzt passt der Moment." Leider gebe es aber auch Menschen, die sich sehr spontan für ein Haustier entscheiden. "Sie kontaktieren uns und wissen noch nicht einmal, ob sie einen Hund oder eine Katze haben möchten", berichtet Schreiber.

Das Tierheim am Eckhof hat derzeit nur wenige Vierbeiner zu vermitteln. Die Anzahl der Hunde sei zwar durchschnittlich, doch diese seien "keine einfachen Kandidaten", sagt Schreiber. Zurzeit fragen jedoch vor allem Hundeanfänger an.

Das Kreistierheim Schwarzwald-Baar-Kreis in Donaueschingen wendet bei seinen Hunden ein Ampelsystem an, das auch auf der Homepage einzusehen ist. Die Hunde der Kategorie Grün sind für Anfänger geeignet. "Aktuell haben wir nur einen Hund aus dieser Kategorie, und der ist bereits alt", sagt die Leiterin Nadine Vögel. Sie bemerke ebenfalls eine erhöhte Nachfrage nach jungen Vierbeinern, die aber oft vage ausfallen: "Bei älteren Hunden haben die Besucher bereits gewisse Vorstellungen von Rasse und Größe. Anfänger suchen sich Welpen jedoch häufig nach der Optik aus und nicht nach den Eigenschaften."

Nur wenige Katzen zu vermitteln

Bei den Katzen hingegen ist es im Tierheim Rottweil verhältnismäßig ruhig, aktuell werden nur vier Samtpfoten vermittelt. "Viele Menschen haben vor uns bereits andere Tierheime angerufen, um an Katzen zu gelangen. Doch überall herrscht momentan eine große Nachfrage", erklärt die Leiterin der Einrichtung.

Momentan gibt es auch nur wenige Kitten. In der Zeit zwischen Mai und Dezember kriegen viele, vor allem frei lebende Katzen, Junge. "Gesunde, junge Katzen haben wir innerhalb von drei Tagen vermittelt. Nur bei den kranken Tieren dauert es länger, die will meistens keiner haben", erzählt Vögel.

Immer mehr Tiertransporte aus dem Ausland

In der Corona-Pandemie sähen sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter von Tierheimen in Deutschland immer wieder Anfeindungen oder Bestechungsversuchen ausgesetzt, sagt Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder laut dpa-Bericht unter Berufung auf eine verbandsinterne Umfrage. Offensichtlich verbänden viele Menschen mit dem Tierheim-Besuch die Erwartung, sofort ein Tier mit nach Hause nehmen zu können. Aber: "Ein Tierheim ist kein Supermarkt, in dem man Hund, Katze und Co. einfach so mitnehmen kann", erklärt Schröder.

Bedroht oder angefeindet wurden die Rottweiler Tierheim-Mitarbeiter bis vor Kurzem noch nicht. Bei der Vermittlung stoßen Schreiber und ihre Kollegen jedoch immer wieder auf Unverständnis, wenn keiner der Vierbeiner zu ihnen passt. "Die Menschen wollen dann irgendein Tier mitnehmen und sind teilweise sehr gefrustet, wenn es nicht klappt", beschreibt die Leiterin.

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Auch Nadine Vögel muss sich immer wieder Vorwürfe anhören. "Manche Menschen behaupten, wir wollen die Hunde gar nicht vermitteln. Andere wollen den armen Hund am liebsten sofort aus dem Tierheim holen." Doch die Helfer in den Einrichtungen müssten sorgfältig abwägen, wem sie Tiere anvertrauen, sagt Schröder.

Um trotzdem an einen vierbeinigen Begleiter zu kommen, wird der Hund oder die Katze dann oft im Ausland bestellt und nach Deutschland gefahren. "Meistens werden Welpen im Ausland bestellt, die nicht auf das Leben in Deutschland vorbereitet sind", weiß Vögel. Hunde aus dem Ausland müssen außerdem gegen Tollwut geimpft und gechippt sein. "Die Impfung können Welpen aber erst ab einem Alter von 15 Wochen bekommen. Jüngere Hunde werden deshalb illegal vermittelt", warnt die Leiterin.

Wird ein illegaler Tiertransport vom Veterinäramt gestoppt, müssen die Hunde zuerst im Tierheim in Quarantäne und gegen Tollwut geimpft werden. "Wir hatten im letzten Jahr über 20 Tollwut-Quarantänefälle. Davor waren es in den letzten zehn Jahren nur fünf", berichtet die Donaueschinger Leiterin.

Drei Rückgabewellen während und nach der Pandemie

Doch der Haustierboom hat auch negative Folgen. Die Tollwutimpfung der Ausland-Hunde, die der Halter selbst bezahlen muss, kann laut Vögel einer der Gründe sein, warum Hunde wieder im Tierheim landen. Insgesamt rechnet sie während und nach der Pandemie mit insgesamt drei Rückgabewellen. Zu der Ersten gehört neben der Impfung die Situation, wenn Anfänger merken, dass der im Ausland bestellte Hund nicht zu ihnen passt oder sie überfordert mit ihm sind.

Mit der zweiten Welle rechnet die Leiterin nach der Pandemie, wenn die Menschen nicht mehr so viel Zeit haben werden. Ein Vierbeiner, der beispielsweise viel Auslauf benötigt, könnte seinen Besitzer mit einem 40-Stunden-Job im Büro überfordern.

Die dritte Welle tritt nach Vögels Erfahrungen ein, wenn der Hund mit eineinhalb bis zwei Jahren in die Pubertät kommt. "Vor allem nicht kastrierte Rüden können je nach Rasse anfangen zu beißen oder zu schnappen", sagt Vögel. Oder der Besitzer kann seinen ausgewachsenen, schweren Hund nicht mehr an der Leine halten.

Um auf die große Abgabewellen vorbereitet zu sein, nutzen die Mitarbeiter in Donaueschingen aktuell den für Besucher geschlossenen Betrieb. Die Außengehege für die Hunde sollen verbessert werden. "Die haben weder Dächer, noch Sonnen- oder Windschutz", sagt Vögel. Sie plant, Stelzenhäuser beziehungsweise Spielhäuser aus Holz auf die Wiesen zu stellen, in denen sie vor Wind und Wetter geschützt sind. "Wir freuen uns über Spenden für das Projekt, sowie über Sponsoren und Schreiner zur Unterstützung", sagt Vögel.

Den Tierheimen fehlen die Einnahmen

Doch nicht nur für die Häuser benötigt das Tierheim Spenden. "Rund 50.000 Euro im Jahr fallen durch die Corona-Pandemie bei uns weg", sagt Vögel. Ein großes Loch in die Kasse reißt der Wegfall der Pensionstiere. Diese werden von ihren Besitzern, beispielsweise wenn diese im Urlaub sind, gegen eine Gebühr vorübergehend im Tierheim abgegeben. "Sie finanzieren normalerweise die Tiere, die hier leben", erklärt die Leiterin.

Die Pandemie setzt das Tierheim in Rottweil ebenfalls vor finanziellen Herausforderungen. Das neu errichtete Katzenhaus sowie die laufenden Kosten müssen gestemmt werden. "Wir merken, dass wir keine Veranstaltungen mehr machen dürfen. Dadurch fällt uns ein großer Posten weg", sagt Leiterin Schreiber. Außerdem fehle der Durchgangsverkehr, bei dem Besucher immer mal wieder Geld in das Spendenkästchen geworfen haben.

Tierheime in Deutschland bekommen zwar eine einmalige Soforthilfe von 7500 Euro, aber "das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein", so Vögel.