Alles zu klein, alles zu eng, alles zu alt: Günter Wiebusch führt Martin Rosemann und Robin Mesarosch im Hundehaus. Foto: Eyrich

Was macht der Tierschutzverein Tailfingen mit den 7500 Euro, die jedes Tierheim auf Antrag der SPD-Fraktion im Bundestag erhalten hat? Und welche Probleme treiben das Team des Tierheims Tailfingen gerade um? Es sind viele.

Albstadt-Tailfingen - Zum ersten Mal seit Bau des Tierheims in Tailfingen sei ein Bundestagsabgeordneter zu Besuch, sagt Günter Wiebusch, Vorsitzender des Tierschutzvereins Tailfingen, als Martin Rosemann von der SPD im Wahlkreis Hechingen/Tübingen das einzige Tierheim im Zollernkreis betritt. Und er hat sogar noch jemanden mitgebracht: Robin Mesarosch, Bundestagskandidat im Wahlkreis Zollernalb/Sigmaringen, und SPD-Mitglied Nils Maute.

Wahlkampf wollen die Drei aber nicht machen – dazu ist die Schar der Teilnehmer ohnehin zu klein. Sie interessieren sich für die Situation des Tierheims in Corona-Zeiten, zumal es ein Antrag der SPD-Bundestagsfraktion war, der den Tierheimen 7500 Euro Corona-Hilfe beschert hat. Die lösen nicht alle Probleme, "aber wir sind für jeden Euro dankbar", sagt Wiebusch.

Teils fassungs- und teils sprachlos

Die Gründe dafür machen die Besucher teils fassungs- und teils sprachlos: Den Betrieb des Tierheims muss der Tierschutzverein alleine finanzieren, erhält nur eine Fundtierpauschale, ist auf Spenden und die Beiträge der knapp 1000 Mitglieder angewiesen. "2020 sei die Spendenbereitschaft stark zurückgegangen und nur vor Weihnachten hoch gewesen, sagt Wiebusch.

Lauter Luftnummern am Jahresbeginn

Wenn der Vorsitzende zu Jahresbeginn den Haushalt aufstellt, muss er "mit lauter Luftnummern agieren", wie er sagt – und hoffen, dass genügend Spenden kommen. Denn neben laufenden Kosten, etwa für Energie, Wasser, Futter, und den Gehältern für die Tierheim-Mitarbeiter – die Vereinsmitglieder arbeiten ehrenamtlich – sollte der Verein auch Rücklagen haben. Mehr als ein Jahresgehalt fürs Personal sei aber nicht zu schaffen, betont er. Das braucht Wiebusch, um den Mitarbeitern Planungssicherheit und dem Tierheim Betriebssicherheit zu verschaffen. Die Corona-Nothilfen des Landes habe der Tierschutzverein deshalb nicht in Anspruch nehmen können, "denn dafür musste man eine wirtschaftliche Notlage nachweisen, und wenn wir es so weit kommen ließen, wären wir auch schnell pleite".

Für die Bundeshilfe sei kein solcher Nachweis notwendig gewesen, erklärt Martin Rosemann, der beim Thema Corona "auch nicht zuerst an Tierheime gedacht" hat. Dennoch hat die Pandemie die Lage verschärft, betont Wiebusch: Viele hätten sich in Lockdown- und Homeoffice-Zeiten ein Haustier angeschafft, und Wiebusch bezweifelt, dass alle ihr Tier auf Dauer behalten werden. "Wenn es das Tierheim nicht gäbe, müssten die Kommunen Räume und ausgebildetes Personal vorhalten." Dass die sich dennoch nicht an der Finanzierung beteiligen und der Tierschutzverein sogar auf eigene Kosten Streuner kastriert – Tierarzt Günter Wiebusch legt selbst Hand an –, lässt Mesarosch und Rosemann den Kopf schütteln. "Der Kreis müsste das größte Interesse am Tierheim haben", so Wiebusch, "denn der Rücklauf nach Corona wird zunehmen." Und das werde auch bei Tieren wie dem Kangal der Fall sein, meint Björn Gruner. "Als Welpen sind die süß – aber wenn die mal 70 Kilogramm haben..."

Gruner kennt sich aus mit gefährlichen und exotischen Tieren, hat die Exoten-Auffangstation als offizielle Außenstelle des Tierschutzvereins aufgebaut, betreut auch die Wildtier-Auffangstation und hat in beiden Stationen jährlich 100 bis 300 tierische Gäste. Zudem leistet er Not- und Nachtdienste und sammelt auch mal Tiere ein. Wenn etwa ein Hund auf Bahngleisen unterwegs sei. "Die Polizei darf ihn nicht in ihr Auto einladen." Daher sei auch dann der Tierschutzverein gefragt.

Der Masterplan ist da – die Mittel noch nicht

Nach dem Rundgang durch das Katzenhaus, das dank mehrerer Nachlässe gebaut werden konnte und in dem auch die Behandlungs- und Quarantänezimmer untergebracht sind, sowie durchs Hundehaus – das älteste Gebäude auf dem Areal – breiten Wiebusch und Gruner Pläne aus: "2017 haben wir einen Masterplan über die mögliche Zukunft des Tierheims erstellen lassen", erklärt Wiebusch. Die Gesamtkosten: siebenstellig. Deshalb müsse der Verein Schritt für Schritt vorgehen, werde im Herbst Zäune erneuern und baue Garagen, um die alten als Holzlager zu nutzen. Die Heizung will der Verein komplett auf Holz umstellen. Ein Heimtierhaus sei nötig und vor allem ein neues Hundehaus. Weil das aber noch dauern wird, werde zunächst das Büro aus dem alten verlegt, zumal Besucher für Unruhe bei den Hunden sorgten. Auch Rosemann und Mesarosch begrüßt ein Bellen im Chor.

"Tierschutz gehört zu den wenigen Staatszielen der Bundesrepublik Deutschland", sagt Wiebusch mit Nachdruck – ein Wink mit dem Zaunpfahl. "Die SPD ist 2017 mit sehr ambitionierten Tierschutzprogrammen gestartet." Nun wünscht sich der Tierarzt allerdings "eine Konstellation, in der mehr davon umgesetzt wird".

"Wir müssen mehr Bewusstsein dafür schaffen, dass Sie öffentliche Leistungen übernehmen, die nicht als solche wahrgenommen werden", betont Rosemann. "Wir sind total beeindruckt von dem, was Sie hier leisten."