Nach einer langen Reise, oft durch halb Europa, werden die Hundewelpen häufig aus dem Kofferraum heraus verkauft. Foto: Bundespolizei/dpa

Tausende Hundewelpen werden jährlich aus Profitgier durch Europa gekarrt und billig verkauft. Auch in Deutschland ist die Nachfrage nach den Wühltischwelpen groß. Ein profitables Geschäft für die osteuropäische Hunde-Mafia.

Stuttgart - Zollfahnder aus Singen staunten nicht schlecht, als sie den Kofferraum eines Wagens öffneten, den sie am Grenzübergang zur Schweiz kontrollieren wollten. Drogen oder Zigaretten fanden sie bei den beiden Männern, zwei Italienern mit Wohnsitz in Deutschland, nicht – dafür aber fünf Hundewelpen, verstaut in offenen Kartons. Das Muttertier lag auf dem Rücksitz des Wagens. „So einen Fund machen wir vielleicht ein- bis zweimal im Jahr“, sagt Michael Hauck, Pressesprecher vom Hauptzollamt Singen, über den Fall, der sich Ende Januar in Gottmadingen zugetragen hatte. „Die Hunde hatten einen zweifelhaften Impfschutz und hätten nicht eingeführt werden dürfen.“ Eine Tierambulanz nahm sich der Vierbeiner an. Gegen einen der Männer wurde ein Strafverfahren wegen Einfuhrschmuggels eingeleitet.

„Ein Glücksfall!“, sagt Lea Schmitz, Pressereferentin beim Deutschen Tierschutzbund. Durch die verschärften Grenzkontrollen im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise häufen sich die Meldungen über ein Problem, das in der Öffentlichkeit in Vergessenheit geraten ist: „Das Geschäft mit Hundewelpen boomt“, sagt Schmitz. Mit Rassehunden lasse sich viel Geld machen. Der Preis für ein Tier von einem seriösen Züchter liegt in der Regel bei über 1000 Euro. Einen Hund aus Osteuropa kann man schon für eine Summe zwischen 200 und 300 Euro kaufen.

In Zuchtfabriken werden Hündinnen zu Gebärmaschinen

Das Problem: Zucht und Transport der Tiere aus der Slowakei, Tschechien, Polen, Rumänien oder Ungarn verstoßen häufig gegen den Tierschutz. In „Zuchtfabriken“, wie Schmitz sagt, missbrauche die Hundemafia Hündinnen als Gebärmaschinen. Viel zu früh werden die Welpen dann ihrer Mutter entrissen. Mittelsmänner verfrachten die Tiere mit dem Auto durch halb Europa. „In der letzten Zeit scheint Deutschland häufig Transitland zu sein“, sagt Schmitz. Von hier aus fahre man die Tiere beispielsweise nach Spanien, um sie an Zoofachgeschäfte zu verkaufen. Auf engstem Raum transportiere man die Tiere oft ohne genügend Futter und Wasser. Wie im Gottmadinger Fall werden die illegalen Transporte in der Regel nur durch Zufall aufgedeckt. Aber wenn, dann sind die Autos „vollgestopft mit Hundetransportboxen“, sagt Hauck.

Der illegale Welpenhandel hat unlängst auch die Politik auf den Plan gerufen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat der osteuropäischen Hundemafia den Kampf angesagt: „Der Welpenhandel, vor allem aus Osteuropa, ist in den Händen von organisierten kriminellen Banden. Was da vor sich geht, ist Tierquälerei“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Veterinärämter, Zoll und Polizei würden nun gemeinsam gegen die Welpenmafia vorgehen. „Wir beobachten auch verstärkt den Internethandel mit Tieren“, so Schmidt weiter. Den potenziellen Käufern empfahl er: „Finger weg von Wühltischwelpen oder Welpen aus dem Kofferraum.“

Dubiose Angebote im Internet

Besonders im Internet floriert das Geschäft mit „Schnäppchenhunden“. Auf den gängigen Internetseiten findet man zahlreiche dubiose Angebote: Sechs Englische Bulldoggen werden von einem unbekannten Inserenten angeboten. 290 Euro soll ein Welpe kosten. Herkunft: Prag, Tschechien. Auf den Fotos sieht man muntere kleine Vierbeiner, die durch eine Schneelandschaft tollen. In schlechtem Deutsch wird angeboten, die Hunde bis vor die Haustür zu liefern.

Vor solchen Tieranzeigen warnt Schmitz. Die Hunde hätten mit den Tieren auf den Fotos nur selten etwas gemeinsam: „In der Regel ist die Freude über solch ein Tier nur von kurzer Dauer. Die meisten sind krank und überleben nicht lange“, sagt sie. Der Grund für den schlechten Zustand der Tiere seien die schlechten Bedingungen, unter denen sie aufgewachsen sind, und die Reisestrapazen.

Pro Monat behandelt Anne Posthoff, Tierärztin aus Besigheim bei Stuttgart und Mitglied im Verband für das Deutsche Hundewesen – einer Dachvereinigung für Zuchtverbände – 20 bis 30 solcher „Wühltischwelpen“ aus Osteuropa. Posthoff bestätigt die Aussage des Tierschutzbunds: „Der illegale Welpenhandel nimmt zu.“ Vor allem Modehunde seien sehr gefragt: „Dazu gehören derzeit die Französische Bulldogge, Chihuahua und Mops.“ Die meisten würden im Internet gekauft. Wenn die Hunde beim neuen Besitzer angekommen sind, dauert es bis zum Tierarztbesuch oft nicht lang: „Fast alle diese Hunde sind von Parasiten befallen.“

Einige Welpen hätten Infektionskrankheiten, die in Deutschland eigentlich nicht mehr vorkommen, stellte die Tierärztin fest. Dazu zählen die Katzenseuche und Staupe. Letztere endet oft tödlich. Therapien sind häufig sehr kostspielig. Um den illegalen Welpenhandel wirksam zu bekämpfen, bedarf es ihrer Meinung nach einer Verschärfung der gesetzlichen Regelungen: „Es sollte klar definiert sein, welche Hunde jemand züchten darf und welche nicht.“

„Auch in Deutschland produzieren Züchter häufig die Rassen, die gerade im Trend sind“, sagt die Tierärztin. Um den Internethandel einzuschränken, müsse man aber Regelungen auf EU-Ebene treffen.

Lediglich ein Bußgeld

Derzeit sind die rechtlichen Konsequenzen für Schmuggler nur wenig abschreckend. „Wenn es sich nicht um deutsche Staatsbürger handelt, ist die Umsetzung von Strafen jenseits von Geldbußen schwierig“, sagt Romy Besu, Stuttgarter Rechtsanwältin für Tierrecht: „Meist liegen die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft nicht vor. Stattdessen wird vor Ort eine Sicherheitsleistung bezahlt, so dass der Schmuggler anschließend weiterreisen kann – ohne illegale Hunde.“ In den meisten Fällen liegen die Bußgelder bei ungefähr 1000 Euro. „Hinzu kommen Verwaltungsgebühren von rund 250 Euro und eventuell noch Unterbringungskosten und Tierarztkosten“, sagt Besu.

Dass tatsächlich immer häufiger illegale Hundetransporte aufgedeckt werden, konnten die Zollämter in Baden-Württemberg und Bayern unserer Zeitung nicht bestätigen. Allerdings werden diese Fälle statistisch nicht erfasst, wie von mehreren Sprechern erklärt wurde.

Der Deutsche Tierschutzbund wertete Medienberichte für das Jahr 2014 aus und kam auf insgesamt 908 betroffene Tiere. „Die uns angeschlossenen Vereine mussten mehr als 650 Hunde aus solchen Transporten versorgen“, sagt Schmitz: „Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs.“