Vielen jungen Menschen fehlt im Alltag der Ansprechpartner für emotionale Probleme. (Symbolfoto) Foto: © Chepko Danil – stock.adobe.com

Instagram, Facebook und Co. reichen nicht aus. Junge Menschen sind besonders betroffen.

Region - Mit Likes und Kommentaren kann sich heutzutage jeder im Internet eine "Sofortdosis" Bestätigung abholen. Meist bleiben Bekanntschaften über soziale Netzwerke jedoch oberflächlich. Wohin wenden sich junge Menschen mit Depressionen, Uni- oder Beziehungsproblemen, Opfer von Verbrechen oder ältere Menschen, die einfach ein Gespräch suchen? Eine wichtige Anlaufstelle sind die Telefonseelsorgen.

Immer ein offenes Ohr

Die ausgebildeten Kräfte sind 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche erreichbar. Über Chat, E-Mail oder Telefon  können sich alle Menschen melden.

Die Telefonseelsorgen haben regelmäßig mit Menschen zu tun, die oft niemanden in ihrem Leben haben, mit dem sie über diese Probleme sprechen können. "Der Austausch über soziale Medien ist eher zur Selbstdarstellung. Da passen Sorgen und Schmerz nicht gut hinein", meint Bernd Müller. Der Diplom-Psychologe ist der stellvertretende Leiter der katholischen Beratungsstelle "Ruf und Rat" in Stuttgart.

Aufmerksames und wertfreies Zuhören

In den Gesprächen versuchen die Berater zuzuhören und Gedankenprozesse anzuregen, die den Betroffen helfen können, mit ihren Problemen besser umzugehen. Müller sieht die Telefonseelsorge nicht als endgültige Lösung an. Das Angebot  sei vielmehr "der Kit zwischen den Hilfssystemen". Ein niedrigschwelliges Angebot, bei dem jeder anonym den ersten Schritt in Richtung Hilfsangebot gehen kann.

Eines dieser Angebote befindet sich unter anderem in Villingen-Schwenningen. Die psychologische Beratungsstelle feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Dabei helfen Claudia Hahn und Emil Zajek in Paar- und Ehefragen, stehen aber auch für Probleme in anderen Lebensbereichen zur Verfügung. Auch per Telefon ist die Beratungsstelle erreichbar.

Die Berater müssen immer aufmerksam sein, meint Martina Rudolph-Zeller, Leiterin der evangelischen Telefonseelsorge in Stuttgart. Im einen Gespräch kann es um Eifersucht in einer Beziehung gehen. Im nächsten Chat könnte sich das Opfer einer Vergewaltigung bei Rudolph-Zeller melden und um Rat bitten. Wichtig sei immer, jedes einzelne Problem ernst zu nehmen - denn für die Betroffenen ist es das.

Für viele einzige Anlaufstelle

"Durch den konstanten Selbstoptimierungs-Hype fehlt vielen der Ansprechpartner für schwierige Probleme", sagt  Rudolph-Zeller. Auch der Freundeskreis werde immer mehr zur Bühne, auf der man sich nur von seiner besten Seite zeige. Über 50 Prozent der Menschen, die sich für ein Gespräch mit der evangelischen Telefonseelsorge entscheiden, sind laut Rudolph-Zeller unter 29 Jahren alt.

Die kostenlosen Kontaktmöglichkeiten einen ständigen Ansprechpartner. Die ausgebildeten Helfer können auch bei der Suche nach dem richtigen Beratungsangebot zur Hand gehen. Nicht jeder Psychologe,  Psychiater oder Arzt passt zu jedem. Und nicht jeder Mensch braucht eine Therapie. Als Betroffener sei es wichtig das Gespräch zu suchen, betont Rudolph-Zeller. 

Reflektion und Mut zum Gespräch

Oftmals sei der erste Schritt sich überhaupt mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen und sein Problem in Worte zu  fassen, erläutert Müller. "Einsamkeit versteckt sich hinter vielen Problemen", sagt er. 

Rudolph-Zeller rät: "Ansprechen und nicht tabuisieren". Bei Beobachtungen im Freundeskreis rät sie dazu, das  Gespräch zu suchen und ohne Bewertung zuzuhören. "Wir brauchen mehr Menschlichkeit, Empathie und Akzeptanz für den  Menschen selbst", appelliert sie.

Wer Hilfe sucht, auch als Angehöriger, findet sie bei der Telefonseelsorge unter 0800/1110111 oder 0800/1110222 und unter https://www.telefonseelsorge.de/. Eine Liste mit Hilfsangeboten findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/.