Das geplante Tattoo-Verbot der Polizei wird aus Sicht der Gewerkschaft eine Prozesslawine auslösen. Foto: dpa

Ist ein Polizist mit Tattoo ein schlechterer Polizist? Diese Frage treibt den Südwesten um, seit der neue Landespolizeipräsident seinen Untergebenen Tätowierungen, Piercings und Ohrringe verbieten will.

Stuttgart - Das geplante Tattoo-Verbot für Polizisten schlägt Wellen. Erschreckt ein Polizist mit Tattoo bis zum Hals die Bürger? Provoziert das Piercing eines Polizisten sogar aggressives Verhalten von Bürgern? Der neue Landespolizeipräsident Gerhard Klotter möchte Polizisten nicht nur das Tragen von Ohrringen verbieten, sondern auch andere Piercings und schwer zu verdeckende Tätowierungen im sichtbaren Bereich. Definiert würde dieser durch die Sommeruniform. Sprich: Tattoos an den Unterarmen sind tabu.

Gewerkschafter sind über das Vorgehen nicht glücklich, sehen gar eine Prozesslawine auf das Land zukommen. „Ich rechne damit, dass die Beamten dies in größerem Ausmaß gerichtlich klären werden“, sagte Joachim Lautensack, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, der „Heilbronner Stimme“. Er sei gegen generelle Regelungen bei solchen Fragen. Zudem könne man ja einen Polizisten, der jetzt schon ein sichtbares Tattoo habe, „nicht einfach herausschmeißen“. Der Erlass drohe „über das Ziel hinauszuschießen“.

Auch Rüdiger Seidenspinner, Landeschef bei der Gewerkschaft der Polizei, warnt die Landesregierung vor voreiligen Maßnahmen. „Man kann ja einen Polizisten, der ein Piercing trägt oder seit zehn Jahren ein Tattoo auf dem Arm hat, nicht einfach aus dem Dienst entfernen“, sagte er den „Stuttgarter Nachrichten“.

Uniform und Tattoo, das Repräsentieren des Staates und der Ausdruck von Individualität - passt das zusammen? Laut Deutscher Polizeigewerkschaft (DPolG) gibt es vielerorts schon ähnliche Erlässe, Verordnungen oder Vorschriften, nach denen ein korrektes äußeres Erscheinungsbild eines Polizisten und sichtbare Tätowierungen eben nicht vereinbar sind. Unabhängig von Größe und Inhalt könnten sichtbare Tätowierungen bei der Einstellung von jeher für den Dienstherren einen Eignungsmangel darstellen - egal ob es sich um einen kleinen Engelsflügel handelt oder um großflächige Gemälde, die man in unseren Breiten eher mit Sträflingen als mit Ordnungshütern in Verbindung bringt.

Innenminister Gall will sich nicht äußern

„Es geht um die Frage, wie die Polizei auftritt“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag. Das Arbeitspapier des Landespolizeipräsidenten liege vor und werde nun diskutiert. Es sei eine Aufregung entstanden, die er nicht ganz nachvollziehen könne. Innenminister Reinhold Gall (SPD) wollte sich zu dem internen Papier nicht äußern.

Was das geplante Piercing- und Ohrring-Verbot angeht, setzt Rüdiger Seidenspinner, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), auf die Einsicht der Kollegen. „Wenn es zu körperlichen Auseinandersetzungen kommt, kann das böse ausgehen“, sagte er. Auch noch so kleine Brillis in der Nase oder Metallstecker in der Lippe seien nun mal gefährlich für Polizisten, heißt es auch bei der Deutschen Polizeigewerkschaft in Berlin. Ohrringe etwa seien ja auch Angriffspunkte, sagte Arbeitsschutzexperte Hans-Jürgen Marker. „Diese Steilvorlage wollen wir niemandem liefern.“

Fast 700 Polizisten sind nach Angaben des Innenministeriums im ersten Halbjahr 2013 in Baden-Württemberg im Einsatz verletzt worden, elf davon schwer. Demnach stieg die Zahl der Fälle von gefährlicher oder schwerer Körperverletzung in dem Zeitraum um 38 Prozent an. Er stelle fest, „dass der Respekt gegenüber der Polizei am Schwinden ist“, sagte Polizeichef Klotter.

Auch lange Haare sind aus Verletzungsgründen in der Diskussion. Die meisten würden sie hoch- oder zusammenbinden, heißt es bei der DPolG. Offene lange Haare könnten im baden-württembergischen Erlass ebenfalls zum Tabu erklärt werden.