In der Tagespflege werden die Tagesgäste ihren Fähigkeiten entsprechend gefördert. Die drei Seniorinnen rechts und ihre Betreuerin machen während der Apfelernte Pause auf einer Bank. Foto: Erlenmaier

Wer Pflegeleistungen beantragt, muss sich mit Formularen und Bestimmungen herumschlagen. Betroffenen und deren Angehörigen hilft in Neuweiler der Verein Miteinander & Füreinander – vor allem mit Blick auf die Änderungen ab 1. Januar 2024 – und stärkt damit die Pflege zu Hause.

Ein Ziel der Vereinsarbeit ist die Entlastung der pflegenden Angehörigen sowie die Unterstützung der Senioren – damit sie solange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können. Der Bundestag hat die Pflegereform beschlossen. Ab 1. Januar 2024 treten Verbesserungen um die häusliche Pflege in Kraft, die sowohl die Pflege allgemein, als auch die Pflege zu Hause betreffen.

Beiträge steigen So sind auch für die „Tagespflege Herbstrose“ und die Angehörigen der Tagesgäste einige Änderungen zu beachten, beispielsweise sollen die Beiträge steigen, aber auch die Leistungen, teilt der hinter der Herbstrose stehende Verein mit. „Kaum einer weiß, was da ab nächstem Jahr auf die Menschen zukommt“, sagt Hannelore Rack, Leiterin der Tagespflege Seniorentreff Herbstrose. Das Gesetzespaket der Reform zur Pflegeversicherung sei sehr umfassend und teilweise kompliziert.

In einer glücklichen Lage

Viele offene Fragen Ob Pflege zu Hause oder Aufenthalt in der Tagespflege – Betroffene und Angehörige hätten viele Fragen und wüssten nicht, wohin sie sich wegen der erforderlichen Anträge wenden können oder woher sie allgemeine Informationen bekämen. „Hier in Neuweiler und der Umgebung ist man mit einer Tagespflege im Ort in einer glücklichen Lage. Es ist wichtig, dass die pflegenden Angehörigen – auch jetzt nach dem Inkrafttreten der Pflegereform – bei den vielen offenen Fragen nicht alleine gelassen werden“, betont Rack. Es ergäben sich Fragen über Fragen: Was bedeuten die Neuregelungen für die pflegenden Angehörigen? Was ändert sich in der Betreuung zu Hause? Welche Leistungen erhalte ich? Wann und wo kann ich einen Antrag stellen?

Gewohnte Umgebung Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt jährlich stark, heißt es in einer Mitteilung des Vereins Miteinander & Füreinander. Es gebe auch immer mehr Menschen, die einen Angehörigen selbst pflegen, „da viele Pflegebedürftige nicht in ein Pflegeheim umziehen möchten, um in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben“. Zu den pflegenden Angehörigen im Sinne der Pflegeversicherung würden nicht nur Ehe-Lebenspartner, Eltern, Geschwister, Kinder oder Enkel gezählt. Auch Nachbarn, Freunde oder Bekannte könnten das sein.

Leben ändert sich Die Aufgaben einer privaten Pflegeperson sind laut Verein abhängig von der Pflegebedürftigkeit der hilfebedürftigen Person. Mit der Pflege eines hilfebedürftigen Menschen ändere sich häufig auch das Leben der Pflegenden komplett. Der Umgang mit der physischen und psychischen Veränderung des Angehörigen – körperlicher Abbau, herausforderndes Verhalten, Aggressionen, Demenz, Weglauftendenzen – sei schwierig. Hinzu komme meist noch die Vernachlässigung der eigenen sozialen Kontakte.

Ungewissheit Erschwerend sei der Kampf mit den Krankenkassen, Behörden und Ämtern, „die Frage, was ich tun muss, wo ich welchen Antrag stellen muss und dann die Ungewissheit, ob mein Antrag genehmigt wird und wann“. Wer nicht rechtzeitig die Notbremse ziehe und etwas unternehme, sich beispielsweise zusätzliche Hilfe suche, werde früher oder später eigene gesundheitliche Probleme bekommen. Pflegende Angehörige sollten sich nicht überfordern und die eigene Gesundheit aufs Spiel setzen – das weiß die Leiterin der Neuweiler Tagespflege nur allzu gut. Sie arbeitet seit rund vier Jahrzehnten in der Pflege.

Pflegeschulung Um die pflegenden Angehörigen zu unterstützen, gebe es verschiedene Entlastungsangebote. Ein Baustein für die Pflege zu Hause sei die Tagespflege. „Hier wird den pflegenden Angehörigen beispielsweise bei der Antragstellung geholfen oder es wird ihnen eine Pflegeschulung und Beratung in allen Bereichen angeboten, damit sie für die Pflege ihres Angehörigen und für sich selbst etwas mehr Freiraum haben“, so Rack. In jüngster Vergangenheit habe man rund 300 Begutachtungen von Pflegebedürftigen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in die Wege geleitet. „Keine einzige dieser Personen war in eine Pflegestufe eingruppiert“, berichtet Rack.

Individuelle Förderung In der Tagespflege würden die Tagesgäste nicht nur betreut, sondern auch ihren Fähigkeiten entsprechend gefördert. Die Tagespflege könne ein- oder mehrmals wöchentlich in Anspruch genommen werden. Sie biete sich auch an, wenn man noch berufstätig sei. 22 Plätze stehen in der Tagespflege Herbstrose zur Verfügung, „meistens sind alle belegt“, berichtet die Leiterin. Zusätzlich zur täglichen Pflege und Betreuung eines Angehörigen sei es ihr und dem gesamten Team ein großes Anliegen, die Angehörigen durch den Antrags- und Formulardschungel der Ämter und Pflegekassen zu lotsen, den pflegenden Angehörigen generell unterstützend zur Seite zu stehen. „Als pflegende Angehörige bekommt man Auskunft und Klärung der offenen Fragen“, versichert die Leiterin der Neuweiler Tagespflege.

Geringschätzung ist Problem Der Pflegenotstand hierzulande hat in den Augen von Rack nicht nur mit anhaltendem Personalmangel zu tun. Pflege sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Geringschätzung alter Menschen sei das Problem: „Senioren haben keine Lobby“, kritisiert Rack.

Immer mehr Pflege zu Hause

Das Leben der Pflegenden ändert sich komplett

Kampf mit Behörden, Ämtern und Krankenkassen

Meist sind alle 22 Plätze belegt

Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Das ändert sich ab 1. Januar 2024

Pflegegeld
Um die häusliche Pflege zu stärken, wird das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent erhöht.

Ambulante Sachleistungsbeträge
Aus diesem Grund werden auch die ambulanten Sachleistungsbeträge zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent angehoben.

Pflegeunterstützungsgeld
Dieses kann von Angehörigen künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden und ist nicht mehr beschränkt auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person. Damit ist die Lohnersatzleistung gemeint, die bezahlt wird, wenn Menschen aufgrund der Pflege eines nahen Angehörigen nicht arbeiten können.