Die Automatisierung solle die Zugführer nicht ersetzen, betont SWEG-Chef Tobias Harms, sondern ihnen die Arbeit erleichtern und vor allem Zeit sparen. Foto: Merck

Die Landesverkehrsgesellschaft SWEG ist an einem innovativen Projekt beteiligt: Gemeinsam mit der FH Aachen soll die Automatisierung von Triebfahrzeugen in der Praxis erforscht werden. Dafür gab es nun 200 000 Euro Fördergelder vom Bund.

So könnte es in Zukunft einmal ablaufen: Kaum ist ein Zug am Bahnsteig des letzten Bahnhofs angekommen, steigt der Fahrzeugführer aus und hat Feierabend. Die Arbeiten, die dann noch nötig sind – insbesondere die Fahrt in die Abstellanlage und das Herunterfahren der Systeme – übernimmt ein vollautomatisches System.

Um diesem Szenario näher zu kommen, hat die Fachhochschule Aachen ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen, an dem sich die Südwestdeutsche Landesverkehrsgesellschaft (SWEG) beteiligt. Ein weiterer Partner ist die Firma Talbot-Services, ein Unternehmen für Schienenfahrzeugbau aus Aachen.

Das Projekt trägt den Titel „Stabling Automation for multiple Units“ (Samu) und wird mit fast 200 000 Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Den entsprechenden Förderbescheid übergab Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär bei Bundesverkehrsminister Volker Wissing und Beauftragter der Bundesregierung für Schienenverkehr, an die Projektpartner.

SWEG-Chef spricht von „neuem Zeitalter“ für die Eisenbahn

„Projekte wie dieses sind ein enorm wichtiger Schritt hin zur Automatisierung des Schienenverkehrs. Autonome ÖPNV-Verkehre sind gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel eine große Chance“, erklärte Theurer. „Ich glaube, dass gerade für schienengebundene Systeme hier noch große Potenziale gehoben werden können. Aus diesem Grund haben wir uns auch dafür entschieden, ,Samu’ mit Bundesmitteln zu unterstützen.“

Gegenstand des Projekts ist die Entwicklung einer Datenerfassungs- und Auswertungseinheit zusammen mit einer Steuerungseinheit, die Fahrten ohne Personal im Rangierbereich von Personenbahnhöfen ermöglicht. Die Einheit nutzt dabei voraussichtlich eine Kombination aus Kamera und 3 D-Laserscanner, um den Fahrweg abzusichern. Dank einer rückwirkungsfreien Umsetzung könnte keine Zulassung oder Änderung der Schienenfahrzeuge erforderlich sein – dies gilt es im Forschungsvorhaben zu evaluieren.

Sollte dies im Forschungsprojekt bestätigt werden, könnte dies zu einer Initialzündung für den automatisierten Eisenbahnbetrieb führen. „Forschung zu diesem Thema ist sehr wichtig. Der automatisierte Betrieb von Schienenfahrzeugen wird die Eisenbahn in ein neues Zeitalter führen“, ist sich Tobias Harms, Vorsitzender der SWEG-Geschäftsführung, sicher. „Und erst wenn die Technik auf bereits operierende Fahrzeuge übertragbar ist, ohne die Zulassung zu gefährden, wird sie auch für das Verkehrsunternehmen und die Industrie wirtschaftlich interessant.“

Projektpartner planen Test in Bad Krozingen

Kein Unternehmer könne riskieren, wegen einer neuen Technik die Zulassung für das Fahrzeug zu verlieren. Zudem hemme die lange Lebenszeit eines Schienenfahrzeugs die Etablierung innovativer Lösungen im System Schiene. „Das unterscheidet unsere Branche massiv von der Automobilwirtschaft, wo Innovationen viel schneller zum Tragen kommen“, so Harms.

Zum Ende der Projektlaufzeit ist geplant, eine temporär auf einem Talent-3-Triebfahrzeug montierte Einheit im Bahnhof Bad Krozingen zu testen und dabei auch Fehlerszenarien – zum Beispiel Personen im Gleis – nachzustellen. Zudem könnten so die Triebfahrzeugführer von vor- und nachbereitenden Arbeiten entlastet werden, so dass sie sich auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren könnten – nämlich das Fahren von Zügen. „Es handelt sich daher auch um keine Rationalisierungsmaßnahme, sondern um die Möglichkeit für einen effektiven Einsatz des Personals in Zeiten des Fachkräftemangels“, ergänzt Harms. Das Projekt soll 2024 auf der „Innotrans“, der internationalen Leitmesse für Verkehrstechnik, präsentiert werden.