Im Auto kam es zu dem sexuellen Übergriff. (Symbolfoto) Foto: Bubbers BB/ Shutterstock

Urteil fällt wegen Vergleichs mit Geschädigter gnädig aus. Hat Angeklagter Situation missverstanden?

Sulz/Rottweil - Im September vergangenen Jahres vergewaltigte er eine Frau – jetzt bekam der Angeklagte vor dem Amtsgericht Rottweil die Rechnung dafür. Und die fiel wegen eines Vergleichs mit der Geschädigten noch gnädig aus.

Ein Freitagabend im September, gegen 21 Uhr. Eine 36-jährige Sulzerin hört an ihrer Tür ein "zaghaftes Klopfen". Vor dem Haus steht eine junge Frau. Ihre Kleidung ist verschmutzt, sie zittert, hat Angst. Auf der Treppe im Haus verkriecht sie sich "in die letzte Ecke". Es fällt den beiden schwer, sich zu verständigen. Die Polizei, die etwa eine halbe Stunde später eintrifft, nimmt die junge Frau mit zur Dienststelle. "Ihr ging’s auf jeden Fall nicht gut", lautete am Dienstag – rund acht Monate nach dem Vorfall – das Fazit der 36-jährigen Zeugin.

Was davor passiert sein soll, geht aus der Anklageschrift hervor: Nach einem gemeinsamen Spaziergang soll der 27-jährige Angeklagte die junge Frau sexuell bedrängt haben. Zunächst habe er versucht, sie zu küssen. Als sie sich dagegen gewehrt habe, seien die beiden in das Auto des Angeklagten gestiegen. Mit diesem waren sie zuvor zum Ausgangspunkt ihres Spaziergangs gefahren. Im Auto habe der Angeklagte die Frau erneut bedrängt, bevor ihr die Flucht gelang.

Vorbei war es damit aber noch nicht, denn der Angeklagte holte die junge Frau laut Staatsanwaltschaft erneut ein und versprach ihr, sie nach Hause zu bringen. Daraufhin folgte sie ihm zu seinem Auto, wo es zu einem zweiten sexuellen Übergriff kam. Erneut konnte sich das Opfer losreißen und im nahegelegenen Haus der 36-jährigen Zeugin Zuflucht finden.

Angeklagter legt Geständnis ab

Diese Schilderung sei zutreffend, ließ der Angeklagte durch seinen Verteidiger erklären. Allerdings sei anzumerken, dass es erhebliche Kommunikations- und Verständnisschwierigkeiten zwischen Angeklagtem und Geschädigter gegeben habe. Der Angeklagte habe die Situation missverstanden – nur deshalb sei es zum ersten Übergriff gekommen. Erst nach der ersten Flucht sei ihm klar geworden, "was hier gerade passiert ist", sagte der Verteidiger.

Trotzdem startete er danach noch einen weiteren sexuellen Übergriff. Was ihn dazu bewog, konnte der Staatsanwalt nicht nachvollziehen. Er habe sich bei der Geschädigten entschuldigt, sagte der Angeklagte, und dann gedacht, dass danach "alles wieder gut" sei. Erneut zurück im Auto, habe er versucht, sich wieder anzunähern – "idiotischerweise", wie der Verteidiger sagte.

Das vollumfängliche Geständnis des Angeklagten kürzte den Prozess deutlich ab: Von neun geladenen Zeugen wurden nur zwei gehört. Neben der 36-jährigen Zeugin äußerte sich die junge Frau selbst vor dem Amtsgericht – allerdings hinter verschlossenen Türen.

Die physischen Folgen – einige Schürfwunden und Hämatome – würden sich zwar noch in Grenzen halten, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Aber die Tat habe für die Geschädigte auch schwere psychische Folgen gehabt, "die sie heute noch belasten". Der sexuelle Übergriff sei aus Sicht der jungen Frau "sehr, sehr gravierend", führte er weiter aus und erntete in diesem Punkt Zustimmung von Richter, Schöffen, Verteidiger und Nebenklägervertreter.

Ein Jahr und acht Monate lautete schließlich das Urteil – zwei Monate mehr als Staatsanwalt und Verteidiger gefordert hatten. Die Freiheitsstrafe setzte das Gericht für drei Jahre zur Bewährung aus, weil dem Angeklagten eine gute Sozialprognose gestellt wurde. Alle Parteien äußerten die Einschätzung, dass sein Geständnis von ehrlicher Reue geprägt gewesen sei. Der Angeklagte hatte sich während des Prozesses mehrfach entschuldigt. "Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es sofort tun", sagte er in seinem Schlusswort.

Abgesehen vom ehrlichen Geständnis des Angeklagten und dem Fehlen von Vorstrafen wirkte sich vor allem ein zu Prozessbeginn geschlossener Vergleich zwischen Angeklagtem und Geschädigter mildernd auf das Strafmaß aus. Darin sichert der 27-Jährige der Geschädigten unter anderem die Zahlung von insgesamt 10 000 Euro Schmerzensgeld sowie die Übernahme der Kosten aller medizinischen – auch psychologischen – Behandlungen zu.