Landrat Wolf-Rüdiger Michel, Pianist Friedemann Treutlein, Kreisarchivar Bernhard Rüth, die Töchter des Künstlers, Marion und Winni sowie Kulturjournalist Rainer Zerbst. Foto: Vollmer

Töchter des Malers sind bei der Vernissage mit dabei. Herausragender Künstler im schwäbischen Raum.    

Sulz-Glatt - Schmerzlich, aber wunderschön, interpretierte Pianist Friedemann Treutlein das Adagio h-Moll von Mozart zum Gedenken an seinen Freund Winand Victor bei der Eröffnung der Gedächtnisausstellung "Winand Victor – Malerei und Grafik" im Schloss Glatt.

Mit einer umfassenden Retrospektive würdigen die Landkreise Rottweil und Reutlingen das bemerkenswerte Oeuvre des Künstlers, der am 27. April im Alter von 96 Jahren in seinem Haus in Reutlingen verstorben war. Die im Schloss ausgestellten Arbeiten aus den Jahren 1948 bis 2013 verdeutlichen wesentliche Prozesse und Etappen des Künstlers. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die umfangreiche Werkgruppe der "Stadtbilder" aus den Jahren 1977 bis 1999 als Sinnbilder urbaner Kultur. Victor zählt zu den herausragenden Künstlerpersönlichkeiten im schwäbischen Raum, so Landrat Wolf-Rüdiger Michel. Winand Victor studierte von 1936 bis 1940 an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Martin Paatz. Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft unterbrechen den Beginn seiner künstlerischen Laufbahn in den Jahren 1940 bis 1945. Die Schrecken des Krieges und der anschließenden russischen Kriegsgefangenschaft prägen sein Leben und sein Schaffen. 1948 schloss er sich der Künstlergemeinschaft Bernstein an. Hier lernte er seine spätere Ehefrau Liselotte Vohdin kennen. Als Künstler wurde Victor rasch überregional bekannt. In rund sieben Jahrzehnten hat der kritisch-pazifistische Künstler ein äußerst vielschichtiges, humanistisch geprägtes Lebenswerk geschaffen.

"Winand Victor war ein Künstler, der nie mit dem Strom schwamm, sich keiner Mode anschloss", beschreibt ihn Kulturjournalist Rainer Zerbst in seiner Laudatio. Er sei ein präziser Denker, ein präziser Beobachter mit prophetischen Visionen gewesen. Als nach dem zweiten Weltkrieg die abstrakte Malerei dominierte, habe er expressiv-realistisch elegische Menschenbilder geschaffen mit dem Eindruck, als hätten sie in dieser Welt keinen Platz wie "Ankunft vor der Stadt". Victors Malerei in den 1960er- Jahren wurde auch abstrakt, jedoch nicht wie die informelle Kunst, sondern wie Relikte einer fernen Zeit. Seine Großstadtbilder seien symbolische Darstellungen der urbanen anonymen Existenz. Mit dem Bild "Selbst in der Drehtür" bringt er sich selbst mit ein, wie einst Alfred Hitchcock. Auch die neue virtuelle Welt habe er vorausahnend mit "der vernetzte Mensch" gestaltet in einer Zeit, als man von einem Smartphone noch nicht einmal träumte. 1996 habe er in dem großen Triptychon wie in einem Resümee Beispiele seiner unterschiedlichen Schaffensphasen als Reminiszenzen zusammengefügt. Dann folgen Bilder in denen der Mensch wieder verschwunden ist, abermals treten mineralische Gebilde an seine Stelle. Kosmische Bilder, Blicke ins All entstehen, wie "Dunkle Weite". Oder im Jahre 2011 – mit 93 Jahren – "Die Rückkehr des Menschen" – noch einmal eine Vision vom Menschen den Betrachter hoch ins All mitnehmend.

Im Jahre 2006 hat Victor für sein Lebenswerk den Maria-Ensle-Preis entgegengenommen und im Jahre 2008 wurde er mit der Bürgermedaille in Gold der Stadt Reutlingen ausgezeichnet. Vor zwei Jahren verlieh man dem Künstler das Bundesverdienstkreuz. Die Werke von Winand Victor hängen in der Albertina Wien, im Kupferstichkabinett Berlin, in der Staatsgalerie Stuttgart, im Overbeck-Museum Lübeck. u Die Ausstellung ist bis 29. Juni dienstags bis freitags von 14 bis 17 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.