Werner Mezger geht der Frage nach, ob der Begriff Heimat heute noch eine Rolle spielt. Foto: Haubold Foto: Schwarzwälder-Bote

Vortrag: Werner Mezger referiert zu 600 Jahren Lateinschule und 50 Jahren Albeck-Gymnasium über Heimat

Sulz. Werner Mezger zog mit seinem Vortrag im Albeck-Gymnasium zahlreiche Besucher durch seine unterhaltsame Art in seinen Bann. Der Volkskundler hatte einen interessanten Blick auf die Kulturdimensionen Zeit, Raum und Gesellschaft geworfen.

Die Wurzeln der Lateinschule reichen bis auf das Jahr 1417 zurück. Damit gehöre das Albeck-Gymnasium zu den ältesten Schulen der Region, sagte Schulleiterin Katharina Lucke zu Beginn. Die Schüler haben sich "aktiv und handlungsorientiert" mit dem Doppeljubiläum auseinandergesetzt, sodass im Gebäude eine bunte Ausstellung zu sehen ist.

Anhand vieler Bilder referierte auch der Heimatkundler Werner Mezger unter dem Motto "Heimat und Identität im Prozess der Globalisierung". Uralte Klischees wurden entstaubt. Zum Beispiel sei der Bollenhut nur in vier Schwarzwaldgemeinden zu Hause, habe aber heutzutage einen Status für die ganze Region. "Ist Heimat also ein alter Hut?", wollte der Redner wissen.

Die Globalisierung schaffe neues, die Heimat ändere sich ständig. Um ein Alleinstellungsmerkmal müsse sich jeder Bürgermeister kümmern. "Globalisierung ruft auch Lokalisierung hervor", betonte der Referent. Die Tatsache, "wie wir essen, was wir essen", verglich Mezger mit der Essenskultur in China. Viele Fastnachtsbräuche seien durch wandernde Handwerksburschen weitergegeben worden. Die Krawatte komme einst vom Kroatentuch und die Polonaise war ursprünglich in Polen beheimatet.

Die Gesellschaft, "als sich in einem kleinen Dorf noch jeder kannte", habe sich total verändert. Der Blick in die Vergangenheit, doch auch der Blick auf die Welt, sei immer eine Begegnung mit dem "Fremden", so der Experte, der seit 21 Jahren an der Uni Freiburg lehrt.

Seine Themen waren zunächst das Zeitmanagement, "wobei man hier und da schon von Globalisierungsnomaden redet", aber auch Migration und Digitalisierung. Eine "beginnende digitale Demenz" beschrieb der Referent damit, dass man sich heute über ein älteres Navi im Auto nur noch ärgert.

Er erklärte verständlich, dass wohl die Traditionen künftig mehr Bedeutung gewinnen werde, dass aber vieles heute zum klassischen Brauchtum nicht passe. Bei der Trachtenmode bei Volksfesten gehe es wohl eher um die Vermarktung. Tradition und Fortschritt hätten sich seit 1968 um 180 Grad gedreht. Heute sei die "Fortschrittsskepsis" viel größer als vor 50 Jahren.

Mit seiner Bilderserie "Europa-Plätze" zeigte Mezger auf, dass "Europa längst noch nicht in den Köpfen angekommen ist". Im Hinblick auf die Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kommen, erinnerte Mezger: "Keine Grenze der Welt war so tödlich wie die EU-Außengrenze".