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Männer prügeln in Sulz mit Gürtel auf Opfer ein. Ein Angeklagter erscheint nicht, Dolmetscherin versteht Handwerk nicht.

Sulz - Es begann mit Beleidigungen gegen die Familie und endete damit, dass ein Mann an einem Junimittag 2018 an der Waldhornbrücke von mehreren Männern mit einem Gürtel zusammengeschlagen wurde.

Ein Angeklagter, der nicht erscheint, Zeugen, die kein Deutsch sprechen, eine Dolmetscherin, die ihr Handwerk nicht versteht, und ein Tatgeschehen, das auch nach einer Stunde Verhandlung undurchsichtig bleibt – beim Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung am Mittwoch am Oberndorfer Amtsgericht ging so einiges drunter und drüber.

Angeklagt sind ein 55-jähriger Syrer aus dem Raum Sulz, sein 21-jähriger Sohn und ein weiterer Mann, die gemeinsam einen 31-jährigen Palästinenser getreten sowie mit Fäusten und Gürteln geschlagen haben sollen. Ein Bild des Opfers zeigte den rot geränderten deutlichen Abdruck einer Gürtelschnalle auf Rücken und Nacken.

Zwei Tage vorher habe man sich schon gestritten, sagte der 21-Jährige. Der Palästinenser habe ihn ständig beleidigt und einfach nicht in Ruhe gelassen. In der Folge muss der 21-Jährige wohl seinem Vater von dem Streit erzählt haben, so dass beide das Opfer zwei Tage später abpassten, wie sich aus den Ausführungen des gebrochen Deutsch sprechenden 21-Jährigen erschließen ließ. Offenbar wollte der Vater den Streit schlichten.

"Bei uns gibt es keine Blutrache"

Stattdessen kochten die Gemüter erneut hoch. Das Opfer habe nach einigen Beleidigungen den 55-Jährigen geschubst. "Da bin ich auf einmal dumm geworden", sagte der Sohn vor Gericht. Der Vater sei alt und krank. "Ich konnte ihn so nicht sehen, da habe ich eine Schlägerei angefangen. Ich kann nicht einfach da stehen, wenn jemand meinem Vater etwas tut", räumte er die Tat ein. Auf die Idee, einen Gürtel zu nehmen, sei er nur gekommen, weil das Opfer seinerseits den Gürtel geöffnet hätte – wohl auch, um diesen als Waffe zu benutzen.

Bei der Tat habe er einfach nur an seinen Vater gedacht, so der 21-Jährige. "Bei uns ist Familie wichtig." "Auch wichtiger als die deutschen Gesetze?", wollte Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Heuer wissen. Der Angeklagte erwiderte darauf nichts – weil die Frage von der Dolmetscherin offenbar nicht übersetzt worden war, wie sich später herausstellte. "Bei solchen Abdrücken muss man brutal zugeschlagen haben", stellte Heuer fest. "Bei uns gibt es keine Blutrache. Nehmen Sie nächstes Mal ein Messer, um die Sache zu klären?", fragte er den 21-Jährigen. "Nein, so etwas würde ich niemals tun", erwiderte dieser. Es sei ein Fehler gewesen.

"Mein Sohn hat das Falsche getan. Ich respektiere das Gesetz", meinte der ebenfalls angeklagte 55-jährige Vater. Ihm wird vorgeworfen, das Opfer mit Faustschlägen und Tritten traktiert zu haben. Dies bestritt er.

Der dritte Angeklagte, der sich offenbar spontan der Schlägerei angeschlossen haben soll, war nicht einmal vor Gericht erschienen. Ein Handy-Chat mit dem 55-Jährigen zeigte, dass er ihm noch am Morgen geschrieben hatte, er werde zur Verhandlung erscheinen. Kurz vor Beginn war dann ein Fax ins Amtsgericht geflattert, auf dem der Anwalt des in Berlin wohnhaften dritten Angeklagten diesen krankgemeldet hatte – jedoch ohne Attest oder andere Nachweise. Der vierjährige Sohn liege im Krankenhaus, korrigierte der 55-Jährige. So habe der andere Angeklagte es ihm zumindest mitgeteilt.

Richter Heuer wurde das alles zu bunt. Er schlug vor, das Verfahren gegen den Berliner abzutrennen, und erließ angesichts der Schwere der Tat einen Haftbefehl gegen ihn. Es liege keine ausreichende Entschuldigung vor, und eine Vorführung sei aufgrund der großen Entfernung nicht möglich, so Heuer.

Kein richtiger Eindruck vom Tatgeschehen

Da der 21-Jährige geständig gewesen sei, gehe es nun nur noch darum, ob der Vater ebenfalls zugeschlagen hat, fasste der Richter den Stand der Dinge zusammen. Ein Teil der Familie wartet offenbar noch in der Türkei darauf, nach Deutschland einreisen zu dürfen. Eine Verurteilung des Vaters könnte diesem Vorhaben im Weg stehen, erinnerte jemand aus den Zuschauerreihen den Richter. Das sei ihm durchaus bewusst, erwiderte Heuer.

Nun sollte das Opfer aussagen. Der 31-Jährige, der seit gut drei Jahren in Deutschland lebt, aber kein Wort Deutsch spricht, ließ durch seine Dolmetscherin erklären, dass alles mit Beleidigungen begonnen habe.

Ehe Weiteres geklärt werden konnte, sah sich Richter Heuer gezwungen, die Verhandlung zu unterbrechen. Grund war die Arabisch-Dolmetscherin, die nicht, wie angewiesen, simultan übersetzte und ganz offensichtlich vieles wegließ. "Wenn er zehn Minuten redet und Ihre Übersetzung zwei Minuten dauert, dann stimmt etwas nicht", wies er die Frau zurecht. Ihm sei es so weder möglich, einen Eindruck vom Tatgeschehen zu gewinnen, noch, die an der Schlägerei Beteiligten richtig zu verstehen. "Als Richter habe ich die Verantwortung und muss mich in die Lage versetzen können." Für 75 Euro die Stunde könne man deutlich mehr verlangen, meinte er verärgert.

Der Zufall wollte es, dass die Staatsanwältin selbst Arabisch versteht. Sie bestätigte, dass die Dolmetscherin einige Fragen gar nicht übersetzt und die Aussagen äußerst verkürzt zusammengefasst habe.

Die Verhandlung wird am Mittwoch, 21. August, um 14 Uhr fortgesetzt.