Rechts der Beschluss zur Ernennung, links die Feststellung der Aufhebung der Ehrenbürgerwürde von Joseph Sprißler. Foto: Schnekenburger

Joseph Sprißler war erster von sieben Sulzer Ehrenbürgern und muss den Titel als Ausländer abgeben.

Sulz - Mit der Verleihung der höchsten Auszeichnung, die die Stadt zu vergeben mag, an den früheren Bürgermeister Peter Vosseler hat Sulz seinen sechsten Ehrenbürger – oder ist es vielleicht doch der siebte?

Es kommt darauf an, wie man zählt. Unumstritten sind die Auszeichnungen für die Unternehmer Carl Schweikle (Lederwaren), Christian Steeb (Blechwaren und Verzinkerei) und Georg Wössner (Möbel). Alle im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts geboren, stehen sie für eine neue wirtschaftliche Blüte. Sie betrieben einen Gewerbeverein, mischten bei der Volksbank mit. Diese Blüte hatte ihren unmittelbaren Vorläufer und Auslöser in den Bemühungen von Stadtschultheiß Karl Wilhelm Malmsheimer und wurde von Bankvorstand Wilhelm Vayhinger mitgetragen.

Stadtarchivar Paul T. Müller berichtet von einer Menge Ideen, die Malmsheimer umtrieb. Er hat die Buntweberei nach Sulz geholt, in diese Zeit fällt die Gründung der Möbelfabrik Bertrand und Baum, neben den munter keimenden Industriebetrieben entwickelte sich auch der Badebetrieb mit dem Solbad. Vayhinger war zum Ehrenbürger ernannt worden.

Und 1966 gab es noch einmal eine Persönlichkeit, der diese Ehre zuteil wurde: der Kunstmüller. Nicht wegen seines Kleingewerbes, sondern für den Dichter, der sich ein anderes Leben hätte vorstellen können. Denn Paul Schmid machte gleich mit seinem Erstling, dem 1919 bei Strecker & Schröder in Stuttgart erschienenen Sonett-Zyklus "Brüder. Eine Dichtung wider den Tod" aufmerksam. Trotz seiner Rückkehr nach Sulz, wo sich der Akademiker als Erbe der elterlichen Mühle in der Pflicht sah, veröffentlichte er weiter, unter dem Namen Peter Strick auch als viel beachteter und beispielsweise von Sebastian Blau hoch geschätzter Mundartlyriker.

Bleibt noch einer, beziehunsgweise ein Fragezeichen. Denn es ist so: Ernannt zu werden, ist ein bestimmter Akt mit Urkunde und allem drum und dran. Diese Ernennung rückgängig machen kann ein Formalakt zwar, der Grund für die Würdigung, die hohe Wertschätzung also, bleibt aber – und damit ideell auch die Ehrenbürgerwürde. Über die hat sich Joseph Sprißler gefreut. Am 10. Mai 1849 würdigten Sulzer Stadtrat und Bürgerausschuss das Eintreten des streitbaren Empfinger Pfarrers für die Demokratie.

Damit gaben sie, obwohl die Revolution zu diesem Zeitpunkt längst gescheitert war, erhobenen Hauptes der Obrigkeit einstimmig noch einmal einen Denkzettel mit auf den Weg. Denn so lautet die Begründung: "Den bürgerlichen Kollegien ist die Wirksamkeit dieses Volksmannes in den allgemeinen deutschen, sowie in auswertigen vaterländischen Angelegenheiten bekannt und sie glauben ihm eine Ehre erweisen zu sollen als dieser Mann durch die Bereitwilligkeit ein Volksfest in der Stadt Sulz durch seine Gegenwart als Redner zu verherrlichen mit seinen vorgesetzten Behörden in Conflict, wenn auch ungerecht, geraten ist."

Sprißler, Abgeordneter in der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, tat sich nicht zuletzt durch soziales Engagement vor Ort, eine Position gegen den Zölibat und Verfechter der Demokratie hervor. Das kam oben nicht gut an. Als er von den Sulzer Bürgern geehrt wurde, hatte ihn die Kirche längst vom Ordinariat seines Priesteramts enthoben. Der Obrigkeit war das wohl nicht genug, und so findet sich neben dem Beschlussprotokoll zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde ein Eintrag von Stadtschultheiß Pfäfflin vom Dezember 1851, nach dem diese Ehrung unwirksam war. Formaler Grund ist die Herkunft, denn Sprißler war als Bürger des hohenzollerischen Fürstentums Sigmaringen im württembergischen Sulz einfach Ausländer. Deshalb konnte er nicht ausgezeichnet werden.

Ehrenbürgerwürden sind mitunter mit gewissen Privilegien bedacht. Das freie Straßenbahnfahren in Sulz fällt eher aus. Wer auf seinen Nachruhm bedacht ist, darf sich, je nach Ort, auch über ein Ehrengrab freuen. In Sulz spielt das keine große Rolle. Und dass Peter Vosseler alleine an einem von der Stadt ausgerichteten Ehrenbürgeressen teilnehmen sollte, ist eine eher absurde Vorstellung. Es gibt keine Vergünstigung. So bleibt die Würdigung an sich der Leistungen für das Gemeinwesen, die Wertschätzung, die man dem Ehrenbürger entgegen bringt.

In Sulz ist er übrigens in guter Gesellschaft. Die kurze, aber dramatische braune Epoche hinterließ in Sulz keine Ehrenbürger, über deren eines Status andere Kommunen schnell stillschweigend eine Aufhebung verfügten, über den des anderen lange nicht und manche in jüngerer Zeit um so zerknirschter befinden: Reichspräsident und Reichskanzler zierten zwar für die überschaubare Dauer des "Tausendjährigen Reichs" Straßenschilder, das war ab 1945 aber beizeiten vorbei. Die Ehrenbürger Hindenburg und Hitler gab es nicht. So darf sich hier der Sulzer Ehrenbürger und darf man sich über den Ehrenbürger ungetrübt freuen.