Das Opernhaus ist im Fokus von Fritz Kuhn. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Sanierung des Stuttgarter Opernhauses ist überfällig. Nach Ansicht von Stadt und Land gibt es während der Umbauzeit für Oper und Ballett mehrere Ausweichoptionen. Oberbürgermeister Fritz Kuhn stellt im Interview drei Modelle für eine Übergangsspielstätte vor.

Herr Oberbürgermeister Kuhn, die Kultur der Landeshauptstadt, sagen Sie, liegt Ihnen am Herzen, und unlängst haben Sie Sitzungen des Kulturausschusses geleitet, unserer Beobachtung nach mit Freude. Führt dieses Interesse aber auch zu Ergebnissen?
Die Aufgaben sind schon geteilt, der neue für Kultur zuständige Bürgermeister Fabian Mayer geht seine Arbeit mit Freude an. Gleichwohl kümmert sich natürlich auch der Oberbürgermeister um Kultur, ist verantwortlich dafür – insbesondere, wenn es um große, richtungweisende Entscheidungen geht. Wir sind eine kulturell reiche Stadt und wollen es bleiben. Dort, wo Lücken im Angebot sind, wollen wir diese füllen. Das gehört zu meinen zentralen Führungsaufgaben, weil es um die Attraktivität und die Ausstrahlung der Stadt weit über ihre Grenzen hinaus geht.
Eine der großen Kulturentscheidungen ist bei der Sanierung des Opernhauses zu treffen. Kommen Sie da voran?
Aber ja! Zunächst einmal: Die Stadt und das Land Baden-Württemberg sehen die Sanierung der Hauptspielstätte von Staatsoper und Ballett als vordringliche Zukunftsaufgabe. Darüber bin ich mit dem Ministerpräsidenten einer Meinung. Mittlerweile konnten wir viele Fragen abarbeiten, die sich anfangs gestellt haben. Wir wissen nun, dass wir trotz Denkmalschutz die große Bühne seitlich erweitern können, um ihre Leistungsfähigkeit wesentlich zu verbessern, und wir wissen, dass wir das jetzige Kulissengebäude deutlich erweitern oder sogar ganz neu bauen wollen. In die Verwaltungsratssitzung am kommenden Montag kann ich nun auch mit konkreten Vorschlägen gehen für eine Interimsspielstätte . . .
. . . in die Oper und Ballett mehrere Spielzeiten umziehen müssen, wenn das Opernhaus generalsaniert wird. Die zeitweise Überbauung des Eckensees ist aber vom Tisch?
Die ist vom Tisch, das hätte die Stadt nur schwer ausgehalten. Ich möchte nach Absprache mit der Kunstministerin des Landes, Theresia Bauer, die Debatte über drei Alternativen eröffnen. Option eins wäre eine Übergangsspielstätte im alten Postverteilzentrum in der Ehmannstraße in Nord. Das Land benötigt die Hallen nicht mehr für die Flüchtlinge, aber das Gebäude müsste natürlich kräftig umgebaut werden. Option zwei ist ein neuer Bau auf einem Grundstück des Bundes in der Nähe des Planetariums. Dieser Bau stünde zunächst für Oper und Ballett zur Verfügung und wäre nach Abschluss der Sanierung als neues, zusätzliches Konzerthaus zu nutzen. Option drei schließlich wäre ein echter Interimsbau direkt am Mercedes-Museum auf einem Grundstück des Unternehmens.
Wenn wir recht sehen, haben alle drei Möglichkeiten Vor- und Nachteile.
Sie haben Recht, deswegen möchte ich sie im Verwaltungsrat ja auch zur Diskussion stellen und im Verlauf der kommenden Monate sorgfältig prüfen lassen. Den Bau in der Ehmannstraße gibt es schon, aber er muss mit vermutlich großem Aufwand hergerichtet werden. Ein Bau beim Planetarium hätte den Charme einer nachhaltigen Investition, ist aber abhängig vom Baufortschritt bei Stuttgart 21; das könnte den Beginn der Opernhaus-Sanierung verzögern. Und ein temporärer Bau beim Mercedes-Museum funktioniert am besten, wenn es uns gelingt, ihn mit der erweiterten Stadtbahnlinie 19 auch gut zu erschließen.
Zudem wären Sie auf die Kooperation des Unternehmens Daimler angewiesen.
Selbstverständlich habe ich darüber mit dem Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche Vorgespräche geführt, die mich sehr optimistisch stimmen. So ein technisch hochwertiger und auch architektonisch anspruchsvoller temporärer Bau, wie wir ihn beispielsweise von den Pavillons der jüngsten Weltausstellungen kennen, passt hervorragend zum attraktiven Museum dort. Daraus ergeben sich Chancen, die womöglich sogar über die Zeit der Theaternutzung hinausreichen. Aber all das muss erst sorgfältig im Einzelnen geprüft werden.
Bis wann soll die Prüfung fertig sein?
Wir müssen da im ersten Halbjahr des kommenden Jahres zu einem Ergebnis kommen. Da geht es um Fragen der Kosten, der verkehrlichen Erschließung und der zeitlichen Verfügbarkeit. Auch ein solches Interim erfordert ja sorgfältige Planungen und politische Beschlüsse.
Damit ist auch die Debatte über eine komplette Verlegung des Schulgebäudes vom Königin-Katharina-Stift vom Tisch?
Einen Abriss dieser Traditionsstätte kann man nicht ernsthaft diskutieren.

Neues Linden-Museum soll Begegnungsort der Kulturen werden

Nun ist die Interimsspielstätte nur ein Teil des Gesamtpakets Staatstheater-Sanierung, das die Stadt gemeinsam mit dem Land finanzieren muss. Sind Sie optimistisch, für dieses Paket eine breite Mehrheit im Gemeinderat zu finden?
Natürlich muss all dies sorgfältig geplant und finanziert werden. Das darf nicht so ablaufen wie bei der Elbphilharmonie in Hamburg. Aber es gibt Absichtserklärungen fast aller Ratsfraktionen, dieses zweifellos große Projekt mittragen zu wollen. Um das vollständige Ja werde ich werben, wenn alle Planungen abgeschlossen sind und wir den Finanzbedarf überblicken können. Wir nehmen nun kräftig Fahrt auf.
Sie wollen viel investieren, obwohl den Staatstheatern gern vorgeworfen wird, nur einer schmalen Schicht zugute zu kommen.
Allen, die das fälschlich glauben, empfehle ich Besuche der dortigen Vorstellungen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen.
Ist Ihre kulturpolitische Planung mit diesem Großvorhaben erschöpft?
Keineswegs. Wir diskutieren und planen ja gerade auch die Erweiterung des Theaterhauses auf dem Pragsattel, wir sanieren die Wagenhallen, wir bekommen sehr bald unser neues Städtisches Museum, wir beraten mit den Bürgern über die zukünftige Nutzung der Villa Berg, wir stecken in den Vorplanungen zu einem Film- und Medienhaus, das ich angesichts der Bedeutung dieses Kreativsektors in der Region mit Stuttgart als Zentrum für ein weiteres zentrales Vorhaben halte. Und dann befördere ich nachhaltig einen Neubau des Linden-Museums als ein Haus und Museum der Kulturen auf einem Grundstück auf dem Stuttgart 21-Gelände. Die hervorragenden Sammlungen und die Pläne des Museums sprengen alle Möglichkeiten, die wir auf dem bestehenden Gelände am Hegelplatz haben. Deswegen sollten Land und Stadt nach einem ganz neuen Standort und einem erweiterten Konzept suchen. Auch da befinde ich mich in Übereinstimmung mit dem Ministerpräsidenten.
Es ist ja immer ein kostengünstiger Erweiterungsbau des Linden-Museums am bestehenden Ort im Gespräch gewesen.
Ich glaube, dass wir die Chancen des Museums für den Kulturstandort Stuttgart da nicht ausschöpfen können. In vielen Städten dieser Welt spielen Häuser mit ethnologischen Sammlungen, die sich als Begegnungsstätte der Kulturen verstehen, eine wichtige und attraktive Rolle. Daran muss sich meiner Meinung nach auch die Landeshauptstadt orientieren. Ich möchte ein Ziel vorgeben, aber wir werden natürlich über Pläne und Finanzen reden müssen.
Und wie sehen Sie, wenn es um Pläne geht, die Idee eines neuen Konzerthauses für Stuttgart?
Natürlich ist auch diese Idee auf unserer Tagesordnung. Wir haben in Stuttgart vier große Orchester, dazu kommen die Bachakademie und ein umfangreicher musikalischer Gastspielbetrieb. All das zusammen mit dem nötigen Probenbetrieb führt unsere Liederhalle schon seit einiger Zeit an ihre Grenzen. Wir haben uns ja sehr gefreut über die Entscheidung des SWR, sein neues Symphonieorchester hier bei uns zu verorten. Wir werden schauen, wie wir dieser umfangreichen Musiklandschaft in Stuttgart eine gute Heimat bieten können.
Eine Stuttgarter Neckarphilharmonie?
Nein, das nicht. Achthundert Millionen Euro können wir uns nicht leisten. Aber wir sind die Kulturhauptstadt der Bundesrepublik, und dafür brauchen wir ordentliche Spielstätten.