Der 29-jährige Ralph K. soll laut Anklage einer der Rädelsführer der mutmaßlichen Neonazis sein. Foto: dpa

Betreiber der Nazi-Seite Altermedia vor Oberlandesgericht - darunter Schlüsselfigur aus St. Georgen.

Stuttgart/St. Georgen - Drei Frauen und ein Mann mussten am Donnerstag auf der Anklagebank des Oberlandesgerichts in Stuttgart Platz nehmen. Der Vorwurf: Hass und Hetze im Internet gegen Ausländer und Juden.

"Freie Gedanken", "Fliegerbombe" und "Nationalsozialist" – das waren Pseudonyme von Rechtsextremen, die über Jahre hinweg auf der Plattform Altermedia gegen Ausländer, politische Gegner und Juden gewettert haben. Seit Donnerstag sind nun die Betreiber und Moderatoren des hasserfüllten Internetportals angeklagt.

Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung

Den beiden Schlüsselfiguren, Ralph-Thomas K. aus St. Georgen (Schwarzwald-Baar-Kreis) und Jutta V. aus Nordrhein-Westfalen, wird dabei vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gegründet und sich an ihr als Rädelsführer beteiligt zu haben. Die beiden Arbeitslosen Irmgard T. (64, geboren in Nürnberg) und Talmara S. (62, wohnhaft in Berlin) sowie der nicht erschienene Uwe P. (54, wohnhaft in Lloret de Mar/Spanien) sollen sich Altermedia angeschlossen und gemeinsam volksverhetzende Äußerungen verbreitet haben.

Ralph K. und Jutta V., er arbeitsloser Informatiker, sie Mitarbeiterin in einem Callcenter, sollen die Rädelsführer gewesen sein. Sie sollen die Nazi-Internetseite seit Juni 2012 zusammen mit einer unbekannten Person als Administratoren und Moderatoren betrieben haben. Die Plattform galt im deutschsprachigen Raum als führend bei Rechtsextremen. Laut dem Bundesinnenministerium wurde die Internetseite pro Jahr mehrere Millionen Mal abgerufen.

Das Ziel der mutmaßlichen Internet-Nazis: mit aggressiver nationalsozialistischer Propaganda eine rechtsextreme Gegenöffentlichkeit zu schaffen und somit den demokratischen Rechtsstaat zu gefährden. So sehen es die Bundesanwälte.

Schon 2003 sei Jutta V. mit einem 2012 gestorbenen Gleichgesinnten mit einer Vorgängerversion im Internet aktiv gewesen. 2012 hätten sie und Ralph K. schließlich mit der Seite Altermedia Deutschland einen Neustart hingelegt. Später seien Uwe P., die 64-jährige Irmgard T. und die 62-jährige Talmara S. dazugestoßen. Die Nachzügler hätten als Moderatoren in den Kommentarforen der Seite gearbeitet.

Die Angeklagten hatten laut Anklage verschiedene auf den ersten Blick harmlose Rubriken zu betreuen: Ernährung, Gesellschaft, Haus und Hof, Kultur, Recht und Wirtschaft, aber auch Volk und Rasse. Neben der Freischaltung von ungezählten Hass- und Hetzkommentaren in den Foren sollen die Angeklagten auch selbst volksverhetzende Texte verfasst haben.

Den Holocaust verharmlost

Zwei Bundesstaatsanwälte gewährten in der zweieinhalbstündigen Anklageverlesung einen tiefen und zugleich erschreckenden Einblick in die drastischen Äußerungen, die über die rechtsextremistische Plattform den Weg in die weite Welt fanden. Neben der Verharmlosung oder Leugnung des Holocausts stand vor allem die Hetze gegen Juden und Ausländer im Allgemeinen, später auch gegen Flüchtlinge im Speziellen, im Vordergrund.

So setzten die Altermedia-Nutzer in ihren Beiträgen jene Menschen mit "Ungeziefer", "Krebsgeschwüre" oder "Untermenschen" gleich. Und noch mehr: Ungeniert wurde zur "ganzjährigen Jagdsaison auf Asylanten" aufgerufen, während ein anderer sich einen "Führer" wünschte, der in einer "Nacht- und Nebelaktion alle Invasoren liquidiert". Zahllose dieser Beiträge wurden den Zuhörern – darunter offensichtlich auch Anhänger aus dem rechten Lager – vorgetragen.

Dreieinhalb Jahre verbreiteten die Betreiber auf diese Weise Hass und Hetze sowie Gewaltaufrufe gegen in Deutschland lebende Ausländer oder Menschen anderen Glaubens. Dies war wohl auch deshalb so lange möglich, weil die Seite zunächst über einen Server in den USA und später in Russland betrieben wurde. Abgeschaltet werden konnte die Seite erst im Januar 2016 – kurz zuvor hatten Beamte des Bundeskriminalamtes die beiden Betreiber Ralph-Thomas K. und Jutta V. festgenommen. Nach knapp zwei Monaten in Untersuchungshaft kamen sie wieder auf freien Fuß.

Bei der Verhandlung unter strengen Sicherheitsvorkehrungen nahmen die fünf Angeklagten die Verlesung der Anklagepunkte völlig regungslos auf. Abgesehen von Talmara S. wollen sie sich am nächsten Prozessstag aber alle zu den Vorwürfen äußern. Dieser soll am 28. September stattfinden. 14 Verhandlungstage bis in das nächste Jahr hinein hat der fünfte Strafsenat für Staatsschutzverfahren zunächst terminiert. Bislang ist aber völlig unklar, wie viel Zeit es letztlich wirklich brauchen wird, um die Vorgänge rund um die rechtsextreme Plattform zu durchleuchten.