Nicht allen gefällt das nüchterne Design - Kommen Sie mit auf einen Rundgang durchs Innenministerium. Foto: Leif Piechowski

Am Mittwoch wird das neue Innenministerium an der Willy-Brandt-Straße offiziell seinen Nutzern übergeben. Die sind bereits vor sechs Wochen eingezogen und geteilter Meinung über das Gebäude - ein Rundgang in Bildern.

Stuttgart - Am Mittwoch werden 610 Mitarbeiter und 300 geladene Gäste die offizielle Einweihung des Ministeriumsneubaus feiern. Wie bei solchen Anlässen üblich, wird es dabei viele lobende Worte geben. Bis dahin bleibt allerdings noch einiges zu tun. Am Montag sind die Handwerker noch vor dem Haupteingang am Schaffen. Der Belag wird verlegt. Auch innen wird geputzt, geschraubt und gehämmert. Das 65 Millionen Euro teure Haus wird noch eine Weile eine Baustelle bleiben. Das gilt auch im übertragenen Sinne. Denn in den langen Gängen rumort es unter vielen Mitarbeitern.

„Die triste Farbgestaltung in Graubraun erinnert an ein Gefängnis“, sagt ein Beschäftigter. Die meisten Mitarbeiter empfänden das Gebäude als trostlos. Selbst das Aufhängen von Bildern in den Fluren sei verboten. Zudem gebe es reihenweise Probleme technischer Art. „Als wir im Februar eingezogen sind, hätte man eigentlich noch niemanden ins Gebäude lassen dürfen“, sagt ein Kollege. Erst habe die Heizung nicht funktioniert, jetzt sei es viel zu warm. Die Zufahrt von der Willy-Brandt-Straße sei außerdem zu eng und müsse nachgebessert werden. Wegen der vielen Beschwerden und Unzulänglichkeiten habe der Personalrat inzwischen eigens eine Umfrage zum Gebäude begonnen.

Um eineinhalb Jahre hat sich der Einzug verschoben

Dessen Bauzeit ist von Anfang an nicht reibungslos verlaufen. Um eineinhalb Jahre hat sich der Einzug verschoben. „Da hat einiges zusammengespielt“, sagt Dieter Scheel, Leiter des Referats Organisation im Innenministerium. Es habe sowohl am Bau Verzögerungen gegeben als auch bei der Einrichtung der hochkomplexen Technik im Haus. Im Raum steht deshalb eine Klage gegen das Generalunternehmen. Genaues sei dazu aber noch nicht entschieden, heißt es beim zuständigen Finanzministerium.

Ministerialrat Scheel kann den Unmut mancher Mitarbeiter verstehen. „Die Optik ist wie überall Geschmackssache. Manchem gefällt die Nüchternheit nicht.“ Andere bedauerten die Lage des Gebäudes, das zwar perfekt an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen sei, aber nicht mehr so nahe an der Innenstadt liege wie bisher am Karlsplatz. Die technischen Probleme würden nachjustiert: „Wir haben das im Griff.“

Den Besucher empfängt das sechsgeschossige Haus in einem von drei Atrien mit freiem Blick bis zum Dach. Blickfang ist ein riesiger Ring. Er ist Teil des Kunstwerks „Drei Ringe“ von Raik Elias. Zwei weitere Ringe finden sich in den anderen Atrien. Als Material drum herum dominiert abgestrahlter Sichtbeton. Die Gestaltung nach dem Entwurf des Berliner Büros Staab Architekten entspreche einer „Stilrichtung ohne Schnörkel“, sagt Scheel. Kleine Balkone mit Brüstungen aus Glas säumen die Atrien. Runde Formen finden sich im gesamten Gebäude so gut wie nicht – mit Ausnahme der Sicherheitsschleusen, durch die man muss, wenn man zu den Büros und Besprechungszimmern gelangen will.

Die Kindertagesstätte nimmt den Nachwuchs der Landesbediensteten auf

Im Gebäude finden sich nicht nur eine Fachbibliothek und eine Kantine, die auch die umliegenden Ministerien mitversorgt, sondern auch eine Kindertagesstätte. Dort können Ministeriumsbeschäftigte, aber auch andere Landesbedienstete ihren Nachwuchs anmelden. Scheel geht davon aus, dass alle Plätze der beiden Kleinkindgruppen bereits nach den Sommerferien belegt sind. Die Kinder sollen wie die Mitarbeiter im Haus den Tag in optimaler Luft verbringen: Eine Kombination aus Fernheizung, Belüftung, doppelten Fensterfronten und automatischen Jalousien soll trotz aller Anfangsprobleme energetisch und qualitativ Maßstäbe setzen. Zum Heizen und Kühlen wird zum Teil auch auf Wasser aus dem Nesenbach zurückgegriffen. Zum Konzept gehört auch ein aufwendiger Brandschutz, für den zahlreiche Automatiktüren fast unsichtbar in die Gänge integriert sind.

Der interessanteste Teil des Gebäudes ist zugleich der am schwersten zugängliche. Im sogenannten Kopfbau zum Planetarium hin hat nicht nur Innenminister Reinhold Gall sein Büro, sondern auch das Lagezentrum der Landesregierung seine Räume. Hier sind Polizei, Katastrophenschutz und Politik miteinander verbunden. „Wir sind die zen trale Informations- und Kommunikationsstelle des Landes in allen Sicherheitsfragen“, sagt der Leiter Anton Saile. Wenn es einen Großeinsatz wie etwa einen Amoklauf gibt, laufen die Drähte heiß. Vom Lagezentrum aus werden alle polizeilichen und politischen Entscheidungsträger auf dem aktuellen Stand gehalten. Aber auch an normalen Tagen haben die Beamten in diesem Hochsicherheitsbereich gut zu tun: 200 bis 400 Nachrichten aus dem Land, dem Bund oder anderen Bundesländern laufen ein, werden überprüft und weitergeleitet.

Die Technik im Lagezentrum habe von Anfang an „genauso funktioniert, wie wir uns das vorgestellt hatten“, sagt Saile. Überhaupt: Wenn es am Mittwoch lobende Worte für die Organisation des Umzugs gibt, werden die Mitarbeiter bei aller Kritik am Gebäude zustimmen. Gerade einmal eineinhalb Tage hatten Scheel und seine Mannschaft Zeit, den einen Standort dichtzumachen und einen neuen in arbeitsfähigem Zustand für mehrere Hundert Leute zu übergeben. „Das muss man erst einmal stemmen“, sagt Saile.

Anderswo ist man bisher nicht so zufrieden. Da ist gar von „einem Baudesaster“ die Rede. Aber vielleicht freunden sich im Lauf der Zeit ja noch mehr Beschäftigte mit ihrem neuen Arbeitsplatz an.