Auf diesem Weg wurde die 72-Jährige von einem anatolischen Hirtehund der Rasse Kangal tot gebissen. Foto: Zahner

Berufungsverfahren vor Hechinger Landgericht startet. Beobachter und Polizisten erneut vernommen. Mit Video

Stetten a.k.M.-Frohnstetten/Hechingen - Die tödliche Hundeattacke auf eine 74-jährige Frau Ende Mai 2017 in Stetten am kalten Markt beschäftigt seit Mittwoch das Hechinger Landgericht. Die Hundehalter waren im Juli 2018 vom Sigmaringer Amtsgericht zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Dagegen hatten sie Berufung eingelegt.

Vor dem Landgericht müssen sich ein 48-Jähriger und seine vier Jahre jüngere Frau verantworten. Sie waren bis Mai 2017 im Besitz zweier Hunde der Rasse Kangal, die in der Wohnung und im Garten der von ihrem Mann getrennt lebenden Frau in Frohnstetten lebten. Während das eine Tier schon zwei Jahre dort gewesen war, war das zweite erst kurze Zeit und eigentlich nur übergangsweise dort untergebracht. Weil sich die zwei Rüden nicht vertrugen und aggressiv gegeneinander waren, wurde jeweils ein Tier im Haus und das andere im Garten untergebracht gehalten – angekettet an einen Stahlpfosten.

Am 30. Mai 2017 war die Frau den ganzen Tag außer Haus, der jüngere Kangal war im Garten angebunden. Als eine 72-Jährige aus der Nachbarschaft das Weglein an der Grundstückgrenze passierte, stürzte sich der 57 Kilo schwere Hund derartig in sein Halsband, dass dieses zerriss. Er setzte über den Zaun und zerfleischte die zierliche Rentnerin regelrecht. Auch ein alarmierter Notarzt konnte die Frau nicht mehr retten. Sie verblutete.

Vor dem Hechinger Landgericht hatte der Vorsitzende Richter Volker Schwarz am ersten Verhandlungstag eine Reihe von Zeugen geladen. Darunter war eine unmittelbare Nachbarin, die von nicht endenden Schreien berichtete, woraufhin sie zum Tatort geeilt sei und den Hund entdeckt habe, der den Kopf der Frau im Maul hatte und sie hin und her schüttelte. Sie alarmierte ihren Bruder, der wiederum weitere Nachbarn, darunter einen Jäger, herbeiholte. Gemeinsam mit den inzwischen eingetroffenen Sanitätern gelang es ihnen, das Tier in den Garten zu treiben. Die Frau konnte nur noch tot geborgen werden.

Die mittlerweile eingetroffene Polizei erlegte mit Hilfe des Jägers schließlich den Kangal. Auch der zweite Kangal und ein weiterer Hund der Frau, die sich im Wintergarten aufhielten, mussten erschossen werden, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich die 44-Jährige verletzt oder tot in der Wohnung befand und die Tiere die Beamten nicht ins Haus lassen würden.

Ein Spurenermittler der Polizei berichtete von den Zuständen vor Ort: "Haus und Hof waren total vermüllt." Überall sei Katzenkot und -urin gewesen. "Wir haben uns hier nur im Dreck bewegt." Die Zahl der vorgefundenen Katzen schätzte er auf 20 bis 30.

Andere Zeugen berichteten, die zurückgezogen lebende 44-Jährige, die ihre Fenster mit Bettlaken verhänge, sei in der 1200-Einwohner-Gemeinde nur als "die Katzenfrau" bekannt. Das zerrissene Hundehalsband habe einen brüchigen Eindruck gemacht, sagte der Ermittler.

Das bestätigte auch ein als Sachverständiger geladener Physiker des Landeskriminalamts. Acht Zentimeter breit sei es gewesen und habe aus vier Millimeter dickem Leder bestanden. Der Sachverständige hatte bei seinen Untersuchungen witterungsbedingte Risse im Bereich der Schließe ausgemacht. Dort sei das Halsband auch entlang eines Lochs gerissen. Der Halsumfang sei auf 57,5 Zentimeter eingestellt gewesen. "Das entspricht einer XL-Version."

Der Witwer der getöteten Frau, der als Nebenkläger auftritt, erzählte, wie er vom Einkaufen nach Hause gekommen sei und vor dem Haus die Menschentraube sowie die Einsatzfahrzeuge gesehen habe.

Er beschrieb auch, wie ihn die Polizisten in den Rettungswagen gebracht hätten, wo seine tote Ehefrau gelegen habe. "Sie war so eine liebe, hilfsbereite Frau", sagte er unter Tränen. Und er sagte auch, dass er seitdem Angst vor Hunden habe.

Der Prozess wird am Montag, 11. Februar, um 9 Uhr fortgesetzt.

Die Hundeattacke hatte 2017 die ganze Region schockiert: