Die Steinacher stimmen über die Zukunft von Interkom ab. Foto: Störr

Der Steinacher Gemeinderat hat dem Bürgerbegehren zur Erweiterung des Gewerbegebiets Interkom stattgegeben. Der Termin für den Bürgerentscheid wurde auf den 5. März 2023 festgelegt.

Steinach - Die entscheidende Frage wird lauten: "Sind Sie gegen die Erweiterung des interkommunalen Gewerbegebiets ›Interkom Steinach/ Raumschaft Haslach?‹" Und damit muss mit "nein" stimmen, wer für eine Erweiterung ist (siehe Info).

Der Zuhörer-Raum im Sitzungssaal des Steinacher Rathauses war am Montagabend voll besetzt, erstmals wurde eine Sitzung per Mikrofonübertragung begleitet. Seitens der Verwaltung stellte Simone Muth zunächst die Voraussetzungen für ein Bürgerbegehren ausführlich vor. Alle acht Anforderungen wurden durch die Bürgerinitiative "Lebenswertes Steinach" erfüllt.

Als Vertrauenspersonen wurden Wolfgang Schmidt und Alexandra Stöhr benannt, die ihre Standpunkte darlegten. "Wir sehen die Lokalpolitik mit ihren Auswirkungen auf die Steinacher Bevölkerung, auf die Natur, die Landschaft, die Ernährungssicherheit und das Klima", erklärte Wolfgang Schmidt. Der Gemeinderat habe in seiner Juli-Sitzung einer möglichen Erweiterung des Interkom ohne Bürgerbeteiligung zugestimmt. Aufgrund der weitreichenden Auswirkung starte die BI nun das Bürgerbegehren.

Initiative richtet sich nicht gegen kommunales Gewerbegebiet

Allerdings stellte Wolfgang Schmidt auch klar: "Wir wollen ganz deutlich sagen, dass wir nicht gegen ein eigenes, kommunales Gewerbegebiet sind." Beim Interkom bringe Steinach allerdings alleine die gesamte Fläche ein, erhalte jedoch weniger als die Hälfte der Gewerbe- und Grundsteuern. Die Aufteilung der Grundsteuer gelte nach einer Übergangsfrist auch für Steinacher Betriebe, die ins Interkom übersiedeln würden. Steinach trage außerdem die gesamte Verkehrs-, Lärm- und Emissions-Belastung alleine, womit die Attraktivität als Wohn- und Erholungsort gefährdet werde.

"Wohnen, Gewerbe und Natur stehen nicht mehr in einem gesunden Verhältnis zueinander", erklärte er BI-Sprecher. "Steinach wird durch das Interkom II der großflächigste Gewerbestandort des mittleren Kinzigtals. Wir befürchten, dass ein Interkom III folgen wird." Das Verkehrsaufkommen werde sich drastisch erhöhen, ob eine Anbindung an die B 33 in beide Richtungen kommen werde, sei trotz mehrjähriger Gespräche mit dem Regierungspräsidium nicht absehbar.

Stöhr oblag die Darstellung der ökologischen Sicht. "Der Ukraine-Krieg hat uns bitter vor Augen geführt, wie abhängig wir von anderen Staaten sind und dass es gut ist, wenn wir unsere Nahrungsmittel im eigenen Land erzeugen." Man habe Gespräche mit betroffenen Landwirten geführt, die zum einen die ebenen Flächen und zum anderen das tiefgründige Ackerland nutzen. Lasse man ihnen nur noch die Hang-Grundstücke zum Bewirtschaften, würden noch mehr Betriebe im Haupt- und Nebenerwerb aufgeben.

Auch sei der Klimawandel im Kinzigtal angekommen, was ein Blick in die Wälder belege. "Eine vollständige Bebauung des vorgesehenen Fläche bedeutet praktisch eine komplette Versiegelung", mahnte die BI-Sprecherin. Um den Klimawandel zu stoppen brauche es offene Flächen. Außerdem grenze das geplante Interkom II direkt an ein FFH-Gebiet, in dem sehr seltene Tier- und Pflanzenarten vorkommen würden. Durch das Heranrücken der Gewerbefläche würden diese Arten abrücken, wenn nicht ganz verschwinden. Im Planungsgebiet würde nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Streuobst-Bäume stehen, die als Teil des Kulturguts und Heimat vieler Tierarten durch das Naturschutz-Gesetz geschützt wären.

"Wenn wir heute noch Land verbauen und es damit für alle Zeiten der Natur, der Landwirtschaft und dem Wasserkreislauf entziehen, muss das wohl durchdacht und auf ein Minimum beschränkt sein", beendete Wolfgang Schmidt die Ausführungen, denen ein Applaus folgte.

Bürgermeister Nicolai Bischler appellierte an einen fairen und sachlichen Umgang: "Wir wissen, dass ein Bürgerentscheid immer mit Emotionen verbunden ist. Am Ende soll ein gutes Ergebnis erzielt werden."

Das ist die Fragestellung

"Das Bürgerbegehren kann sich gegen einen konkreten Gemeinderatsbeschluss richten oder die Entscheidung einer Angelegenheit initiieren. Ein Bürgerbegehren gegen einen Gemeinderatsbeschluss ist fristgebunden und muss innerhalb von drei Monaten eingereicht werden", informierte Simone Muth einführend. Da der Gemeinderat der Erweiterung des Interkom am 26. Juli bereits zugestimmt hat, kann sich der Bürgerentscheid nur dagegen richten. Deshalb wurde die Fragestellung negativ formuliert.

Kommentar: Fairplay ist angesagt

Jetzt ist es also amtlich: Ob das Gewerbegebiet Interkom in Steinach erweitert wird, entscheidet sich erneut in einem Bürgerentscheid. Das war schonmal 2015 geschehen – und damals war die Diskussion in der Gemeinde im Vorfeld stark auf die emotionale Ebene gekippt. Gut, dass Bürgermeister Nicolai Bischler am Montagabend nochmal an die Vernunft appelliert hat. An der Entscheidung um die Interkom-Erweiterung hängt nicht zuletzt die Frage, wie es wirtschaftlich mit der gesamten Region – nicht nur mit Steinach, das die Fläche zur Verfügung stellt – weitergehen soll. Da ist Weitsicht gefragt, die den Steinacher Bürgern am Entscheidungstag gewünscht sei. Bis dahin gilt für Befürworter wie Gegner der Erweiterung: Bitte fair bleiben! Meinungen können auch sachlich und auf Vernunftebene ausgetauscht werden.