"Ich bin momentan eigentlich viel zu viel im Büro", sagt Nicolai Bischler. Den Ort lerne man am besten kennen, wenn man viel Zeit bei den Menschen verbringe. Foto: Kleinberger Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Bürgermeister zieht erste Bilanz

Steinach. "Total platt" ist er bei der Wahl im vergangenen Jahr gewesen, inzwischen hat Nicolai Bischler sich aber gut in sein neues Amt als Steinachs Bürgermeister eingefunden. Nach 100 Tagen ist es Zeit für eine erste Bilanz, die der Bürgermeister im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten zieht.

Herr Bischler, wie war Ihr erster Tag im Amt?

Da war ganz schön viel los, aber hat mich nicht erschlagen. Ich wurde sehr nett und freundlich von den Kolleginnen und Kollegen mit einem Geschenk empfangen. Dann war gleich mal der Kreisarchivar angesagt. Direkt in ein Thema hereingeworfen zu werden, war wirklich gut – für mich auch spannend und inspirierend. Außerdem war mir wichtig, dass ich mein Team am ersten Tag kennenlernen und wir miteinander ins Gespräch kommen konnten. Am Nachmittag hatte ich noch zwei dienstliche Termine in Freiburg, unter anderem den Empfang des Ministerpräsidenten.

Haben Sie da schon realisiert, dass Sie jetzt der Bürgermeister sind?

Es war natürlich offizieller als vorher. Zwischen der Wahl und meinem Amtsantritt lag schon eine längere Zeitspanne, in der sich das setzen konnte. Natürlich wurde ich am ersten Tag auch direkt zu konkreten Themen gefragt, aber da musste ich noch sagen: Tut mir leid, mein erster Tag! Das haben die Leute dann schon verstanden. Ich hatte aber keine Schonfrist, es ging mit Ehrungen und Unternehmungen wie dem Losverkauf in Haslach voll los. Aber man lernt ja am besten Schwimmen, wenn man ins Wasser geworfen wird. Das war aber noch das Planschbecken.

Seit wann sind Sie im Schwimmerbereich?

(lacht) Die Anforderungen werden mit jedem Tag höher, immer mehr Bürger kommen mit ihren Anliegen und Ideen. Da muss man schwimmen können, sonst geht’s nicht mehr. In die Themen muss ich mich einarbeiten. Aber die Kolleginnen und Kollegen hier im Rathaus sind sowohl fachlich als auch in der Unterstützung mir gegenüber wirklich topp.

Sie haben eine sehr gut funktionierende Verwaltung von Herrn Edelmann übernommen.

Ja, das Team ist super aufeinander eingespielt und es macht auch Spaß, mit den Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten. Sie unterstützen sich untereinander und auch mich. So weit ich das schon kann, versuche ich natürlich auch, das zurückzugeben.

Gibt es denn eine Aufgabe, die Sie sich vorher völlig anders vorgestellt haben?

Aufgrund meiner kommunalpolitischen Tätigkeit in Freiburg vorher wusste ich schon, worauf ich mich einlasse. Es ist eher so, dass manche Bereiche intensiver sind, als ich gedacht hätte. Das Thema Landwirtschaft zum Beispiel.

Was machen Sie besonders gerne?

Die Arbeit mit den Menschen macht mir sehr viel Spaß und Freude. Vereine, Ehrungen, Besuche zu Geburtstagen – da erfährt man einfach viel über die Geschichte des Ortes. Auch über die Menschen, ihre Sorgen und Nöte.

… und was nicht?

Ich habe etwas Sorge vor langen Besprechungen, die ohne konkretes Ergebnis enden. Das sind Zeitfresser. Passiert ist das noch nicht. Selbst in der Hand habe ich in der Hinsicht ja nur die Gemeinderatssitzungen. Ich mag aber auch keine Terminüberschneidungen! Wenn ich irgendwohin gehe, bin ich gerne von Anfang bis Ende dort.

Wie gestaltet sich denn bisher die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat?

Bisher wirklich gut. Die erste Hürde war der Haushalt, aber das haben wir gut zusammen gemeistert. Ich denke, dass wir einen guten Start hatten und auf einem guten Weg sind. Wir werden aber in den kommenden Runden sicher auch mal ein Thema haben, bei dem wir unterschiedlicher Meinung sind.

Haben Sie die BI schon kennengelernt?

Wir haben demnächst einen Termin miteinander. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich sie mir im Wahlkampf "vom Leib gehalten" hätte. Ich habe den Kontakt gesucht und sie auch zu mir. Ich werde ja qua meines Amtes auch noch der Zweckverbandsvorsitzende beim Interkom werden, dann wird es dort Berührungspunkte geben. Das wird richtig interessant.

So lange es nur konstruktiv bleibt.

Das ist das Entscheidende: Fair und konstruktiv. Letztendlich geht es um die Gemeinde Steinach-Welschensteinach. Da müssen wir für uns den richtigen Weg finden, und dafür müssen wir uns auch die Zeit nehmen, die wir brauchen. Ich glaube aber daran, dass das gut wird.

Sie werden nicht jeden Bürger überzeugen können.

Das ist richtig, aber das gilt für jedes Projekt. Wichtig ist, dass die Menschen verstehen, worum es geht und dass man sie mit- und ernstnimmt. Es gibt in der Demokratie immer "Gewinner" und "Verlierer". Die "Verlierer" sollten aber verstehen, warum sie verloren haben. Denn nur dann können sie damit umgehen. Idealerweise ist das der Punkt, an dem die, die nicht zum Zuge gekommen sind, eine demokratische Entscheidung doch mittragen können. Es wird natürlich auch immer Menschen geben, die etwas gar nicht wollen. Aber wichtige Entscheidungen müssen von einer stabilen Mehrheit getragen sein.

Wie sind Sie von den Bürgermeistern Ihrer Umlandgemeinden aufgenommen worden?

Sehr gut. Wir haben ja schon in verschiedenen Gremien zusammengesessen. Das ist eine gute, lockere Verbindung und macht auch Spaß. Natürlich muss man auch sagen: Der Kollege aus Fischerbach und der Kollege aus Oberwolfach kommen, wie ich, aus Freiburg.

Da können Sie ja fast Fahrgemeinschaften bilden.

Na logisch! (lacht) Aber genau so gut sind die Kontakte zu Kollegen wie Helga Wössner oder Wolfgang Hermann, Philipp Saar und Henry Heller. Die Chemie passt einfach. Das ist eine ganz angenehme Truppe.

Und eigentlich sind jetzt alle weg, die das Kinzigtal geprägt haben.

Henry Heller hat noch ein paar Tage, aber dann ...

Merkt man, dass überall Neue sind? Die "Kinzigtal-Mafia" ist ja viel beschworen worden.

Das Wort mag ich ja eigentlich nicht so besonders. Der Zusammenhalt wird weiter da sein, denke ich. Ich glaube nicht, dass einer von uns ausschließlich seine Gemeinde sieht. Wenn es darauf ankommt, können wir offen miteinander reden und haben das Ganze im Blick. Die Kunst ist der Spagat, die eigene Gemeinde im Blick zu haben, aber die Raumschaft nicht im Stich zu lassen.

Was würden Sie Ihrem Vor-Wahl-Ich gerne sagen?

Alles richtig und gut gemacht. Ich würde mich bei ihm auch für den Mut, den ich hatte, bedanken. Es war ja keine einfache Entscheidung, aus einem gut funktionierenden Zug auf einen anderen aufzuspringen. Ich hätte die nächsten Jahre ja auch einfach weitermachen können wie gehabt. Die Tage gehen wie im Flug vorbei und es ist spannend ohne Ende.

Man merkt auch, dass Sie richtig Spaß dran haben.

Danke! Aber ich bin momentan eigentlich viel zu viel im Büro. Ich wäre gerne noch mehr draußen bei den Menschen – den Ort lernt man so am besten kennen.

Was wünschen Sie sich für die nächsten 100 Tage?

Dass es so konstruktiv weiterläuft. Für mich habe ich den Anspruch: Die Menschen kennen lernen, Höfe kennen lernen und Hof- und Familiennamen zusammenbringen. Aber im Wesentlichen diesen positiven Weg weitergehen. Die konstruktive Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie dem Gemeinderat ist das Wichtigste – nicht nur für die kommenden 100 Tage, sondern für die gesamte Amtszeit.

  Die Fragen stellte Lisa Kleinberger.

Nicolai Bischler hatte sich am Tag der Bundestagswahl, 24. September 2017, in Steinach zur Wahl gestellt. Er wollte die Nachfolge von Frank Edelmann antreten, der für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung stand. Er gewann die Steinacher Bürger deutlich für sich: Bei einer Wahlbeteiligung von 80,2 Prozent der Steinacher und Welschensteinacher räumte Bischler 92,6 Prozent der Stimmen ab. Sein Mitbewerber Bernd Schreiber erhielt lediglich 4,5 Prozent.