Carsten Hertel vom Forstamt zeigt auf den Helikopter: Pilot Paul Buchner hebt mal wieder ab, um den Kalk im Stadtwald zu verteilen Foto: Jürgen Lück

Premiere in Rottenburg: Zum ersten Mal wird der Stadtwald Rammert gekalkt. Kosten: 300.000 Euro. Das ist keine Düngung, sondern soll den Bäumen eine Mineralstoff-“Spritze“ geben. Auch das Wasser wird sauberer.

Jede Menge Forstleute sind im Rammert. Carsten Hertel vom Forstamt, die Rottenburger Förster Steffen Schemmann, Peter Weissinger, Robin Liebrenz und Kollegen. Dazu Jürgen Schäffer von der Forsthochschule Rottenburg. Denn: Zum ersten Mal wird der Wald in Rottenburg gekalkt.

Carsten Hertel von der Abteilung Forst des Landratsamts Tübingen sagt: „Wir hoffen, mit der Kalkung die Zeit zurückdrehen zu können und den Boden in einen Zustand zu versetzen vor der Industrialisierung.“ Da gab es noch keinen „sauren Regen.“

Warum ist Kalkung wichtig?

Jürgen Schäffer, Professor für Bodenkunde und Standortsökologie an der Hochschule für Forstwirtschaft, sagt: „Als ich mit dem Studium angefangen habe, war der saure Regen großes Thema. Deshalb habe ich auch das Fach gewählt.“

Jürgen Schäffer von der Forst-Fachhochschule erklärt, warum die Kalkung so wichtig ist. Foto: Jürgen Lück

Doch warum ist die Kalkung so wichtig? Schäffer: „Vereinfacht gesagt: Die Versauerung des Bodens sorgt dafür, dass die Nährstoffe im Wurzelbereich wie Calcium, Magnesium und Phosphor aus dem Boden ausgespült werden und ins Grundwasser gehen. Kalk neutralisiert die Säure und stoppt diesen Prozess.“ Und weil die Bäume so auf Dauer wieder mehr Nährstoffe bekommen, hoffen alle, dass die Bäume kräftiger und widerstandsfähiger werden.

Hubschrauber-Pilot Paul Buchner wird beim Auftanken vom Hörfunk interviewt. Foto: Jürgen Lück

Die Kolonne mit Forst und Presse fährt zu einer Lichtung. Hier tankt gerade Hubschrauberpilot Paul Buchner seinen Heli auf. Der Salzburger (6000 Flugstunden) sagt: „Pro Tag bringe ich 200 Tonnen Kalk in den Wald. Mein Ziel: Ich will morgen Abend fertig sein.“

Im Zwei-Minuten-Takt

An der nächste Lichtung hat gerade der Laster Kalk abgeschüttet. Ein Bagger mit drehbarer Schaufel schüttet das Material in das Verteil-Fass. Buchner kommt im Zwei-Minuten-Takt angeflogen, stellt das Verteil-Fass auf den Boden. Schnell die Bagger-Schaufel rein, abgehoben – die nächste Runde. So, als ob man mit einem Gartenschäufelchen Mulch von der Terrasse aus im Park verteilt.

Der Hubschrauber über dem Wald. Der Kalk-Behälter ist schon wieder leer. Foto: Jürgen Lück

Hertel: „Ohne Navigation kann der Kalk aus der Luft gar nicht präzise verteilt werden. Wir bekommen natürlich alle Daten zur Evaluation.“ Bodenkunde-Professor Schäffer schaut sich das Spektakel an: „Mit meinen Studenten werden wir nach der Kalkung den Boden untersuchen, um zu erforschen, welche Auswirkungen das hat.“

Wald ist abgesperrt

Für die Besucher haben Forst und die Kalkungs-Spezialisten von Mateco die Absperrung und das Schild abgemacht. Hertel sagt: „Wir müssen den Wald bei der Kalkung absperren. Es ist nicht auszuschließen, dass aus dem Verteil-Behälter Kalkklumpen runterfallen. Es wäre unglücklich, wenn das einen Spaziergänger oder Pilzsammler trifft.“

Nach Buchners Kalk-Flügen ist dann der Schneepflug dran. Hertel: „Insgesamt werden 613 Hektar im Rottenburger Wald gekalkt. 134 mit dem Hubschrauber. Wo es von den Forstwegen her passt, setzen wir eine Art Schneepflug ein, der den Kalk bis zu 80 Meter in den Wald blasen kann.“

2021 mit Vorbereitungen begonnen

Die Kalkung. Und was danach passiert. Ein Highlight für Förster und die Forst-Fachhochschule Rottenburg. Gut für die Bäume und das Trinkwasser.

Die Rottenburger Förster Steffen Schemmann und Peter Wiesinger halten die Karte, Carsten Hertel vom Forstamt erklärt die Gebiete, wo gekalkt wird. Jagdhund Kasper steht Spalier. Foto: Jürgen Lück

Hertel sagt: „Endlich ist es soweit. 2021 haben wir mit den Vorbereitungen angefangen. 3200 Bodenproben wurden genommen und analysiert. Vor einem Jahr haben wir die Maßnahme mit Wasser-, Arten- und Naturschutz abgestimmt. Im Herbst kam die Förderzusage für die EU Mittel. Im Mai diesen Jahres hat der Gemeinderat einstimmig zugestimmt.“

Von den 300.000 Euro Kalkungskosten muss die Stadt Rottenburg als Wald-Eigentümer zehn Prozent selbst bezahlen.