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Der Bariton Markus Eiche spricht über seine Kunst

St. Georgen. Der Bariton Markus Eiche ist als Opernsänger auf der ganzen Welt gefragt. Bis Ende August stand er bei den Bayreuther Festspielen als Wolfram im "Tannhäuser" auf der Bühne. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt er davon, wie das Aufwachsen in der Bergstadt seine Kunst geprägt hat, wie er mit Unsicherheit und Zweifel umgeht und warum er inzwischen weniger romantisch auf seinen Beruf blickt.

Sie sind gebürtiger Bergstädter: Was bedeutet Heimat für Sie?

Ich bin in St. Georgen groß geworden und bis zum Abitur in die Schule gegangen. Es liegt in der Natur der Sache, dass man als international tätiger Künstler besonders viel auf Reisen ist. Das Wort "Heimat" bekommt darum für mich eine besondere Bedeutung, denn ich verbinde damit mehr ein Gefühl, als einen Ort.

Welchen Einfluss hatte der Schwarzwald auf Ihre Kunst?

"Sing nicht wie ein Holzhacker, auch wenn Du aus dem Schwarzwald kommst": Damit hat mich mein Gesangslehrer früher gerne provoziert und ermahnt, das Legato mehr zu pflegen.

Was genau ist damit gemeint?

Legato kann man als die über den kontinuierlichen Atemfluss geführte Verbindung von aufeinanderfolgenden Silben beschreiben. Es ist eine befreite, energiegeführte, fließende Art und bewirkt eine Intensivierung des Klanges auf den Hauptvokalen. Im Laufe der Zeit habe ich immer mehr verstanden, was das Legato für mein Singen eigentlich bedeutet und habe in dieser Idee vielleicht endlich meine musikalische Heimat gefunden.

Wann entwickelte sich Ihre musikalische Leidenschaft?

Bereits in der Schule. Ich hatte das große Glück, in der Zeit, als Peter Dönneweg Musik am Gymnasium St. Georgen lehrte, von ihm Unterricht zu erhalten. Er hat in dieser Zeit die Jugendmusikschule aufgebaut und konsequent erweitert. So konnte ich hier sehr früh qualifizierten Gesangsunterricht bekommen. Dönneweg hat mich in dieser Zeit immer gefördert und auch immer wieder solistische Aufgaben anvertraut. Ich erinnere mich an ganze Opernproduktionen: "Der Spiegelritter" oder "Der häusliche Krieg" von Franz Schubert. Die halbe Schule war über die Kunstlehrer mit dem Bau von Bühnenbild und Ausstattung eingebunden. Das waren echte, visionäre pädagogische Abenteuer, die voll funktioniert und uns alle verbunden haben.

Warum wird man professioneller Opernsänger?

Es ist im Laufe der Zeit eine Leidenschaft für das Singen entbrannt, die mich immer weiter vorantreibt. Nachdem ich mich für eine professionelle Sängerlaufbahn entschieden habe, kamen natürlich immer wieder Zweifel auf. Aber kommen im Leben nicht bei jedem Menschen Zweifel auf, die einen zwingen, innezuhalten, nachzudenken, Bewährtes zu bestätigen, anderes zu verwerfen? Zweifel ist ein wesentlicher Bestandteil von Entwicklung.

Wie groß ist die Angst davor, Ihre wichtige Gabe, die Stimme, eines Tages zu verlieren?

Stimmen sind empfindlich und man erlebt es immer wieder, dass ein Sänger seine Stimme verliert. Seine Gesundheit zu erhalten, ist darum für einen Sänger besonders wichtig. Ich habe darüber hinaus immer versucht, meinen Beruf auf sichere Standbeine zu stellen und bin nach vielen Jahren der festen Ensemblezugehörigkeit nun dem Ruf an die Musikhochschule in Freiburg gefolgt. Die Arbeit mit den jungen Sängern begeistert mich sehr, nicht zuletzt, weil diese neue Perspektive auch für mein eigenes Singen eine große Bereicherung darstellt.

Bis Ende August sangen Sie in Bayreuth, wo Sie 2007 debütierten. Worin besteht die besondere Aura Bayreuths noch heute?

Wagner fordert von seinen Musikern eine so große Intensität und dabei so enormen gestalterischen Freiraum, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, seine Musik stellt die Königsdisziplin in der klassischen Musik dar. Die gesamte klassische Musikwelt schaut mit großer Aufmerksamkeit auf die Festspiele. Bayreuth ist für Opernliebhaber ein bisschen wie der Zehnkampf bei Olympia für Sportbegeisterte. Das verbindet uns Aktive alle und trägt sehr zu dieser besonderen Aura bei.

Sie waren dort in der Partie des Wolfram im "Tannhäuser" zu sehen. Worin bestand die künstlerische Herausforderung in dieser Neuinszenierung?

Der Regisseur Tobias Kratzer hat ein tolles und durchdachtes Konzept mitgebracht. Die sechs Wochen Probezeit in der Bayreuther Werkstatt hat er effektiv und spannend genutzt. Ich war gleich in der ersten Probe von seinen Ideen überzeugt und habe viel Spaß daran gehabt, meine Gedanken und eigenen Vorstellungen "meines" Wolframs mit einzubringen. Und das ist auch für mich der eigentliche Reiz an der Sache: mich immer wieder mit einer neuen Sichtweise auf meine Rolle auseinanderzusetzen und sie dadurch immer weiter reifen zu lassen.

Sie haben diese Partie bereits häufiger gesungen. Wie vermeiden Sie es, mit einer Rolle in Routine zu verfallen?

Eine Routine kann schon allein deshalb nicht aufkommen, weil im persönlichen Spielplan die Rollen immer wieder wechseln. Anders als beispielsweise im Musical-Betrieb, in welchem sehr hohe Vorstellungszahlen für eine Produktion angesetzt werden, sind es im Opernbetrieb typischerweise nur fünf bis sieben Vorstellungen.

Singen Sie die Rolle jedes Mal anders?

Wenn es doch einmal vorkommt, dass ich eine Rolle in mehreren Produktionen hintereinander singe, so steht jede Rolle in jeder Produktion in einem anderen Kontext. Ich nehme diesen neuen Kontext auf und lasse diesen in das Rollenportrait des Abends einfließen. Hinzu kommt der Umstand, dass man an jedem Tag anders disponiert ist, dass man sich also nie gleich fühlt. Das verändert den technischen Zugang zur Stimme und hat natürlich auch Einfluss auf den Abend.

Sie singen in großen, international bekannten Häusern, wie der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper oder ab Dezember in der Met Opera. Tickt jedes Opernhaus anders?

Es ist immer besonders spannend, zum ersten Mal oder nach einer längeren Pause wieder an ein Opernhaus zu kommen, die neuen Menschen, Räumlichkeiten und Wege kennenzulernen. Man spürt mitunter schnell bereits in der Administration, welcher Wind grundsätzlich an einem Haus weht. Als Gast spielt das aber nur eine untergeordnete Rolle, denn die eigentliche szenische und musikalische Arbeit findet zum Glück auf einem vergleichbaren Niveau statt und unterscheidet sich meist nur in der Sprache und der Mentalität der Kollegen, was sich allenfalls auf den mehr oder weniger pünktlichen Probenbeginn auswirkt.

Mit welchen Klischees sehen Sie sich als Opernsänger konfrontiert?

Ich wurde schon gefragt: "Ach, Sie sind Sänger – und was machen Sie tagsüber?" Ich denke, es ist aber den meisten klar, dass es so leicht nicht ist, auch wenn das viele Talentshows im Fernsehen suggerieren.

Und in Bezug auf den Opernbetrieb?

Im Laufe der Zeit habe ich den romantischen Blick auf diesen Beruf ein wenig verloren: In einem Opernhaus wird Kunst produziert, die sich aktuell am Geist der Zeit reiben soll. Es bietet eine hierarchische Infrastruktur, damit künstlerische Freiheit möglichst ungestört geschehen kann. Ich finde es richtig und wichtig, dass eine Gesellschaft das ermöglicht, sich darauf einlässt und sich auch damit kritisch auseinandersetzt.

■ Die Fragen stellte Sören Stiegler.