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Unternehmen stellt Netz auf neue Technologie um. Rentnerin ist von Schreiben überfordert.

St. Georgen - Die Deutsche Telekom stellt ihr Netz auf eine neue Technologie um. Auch in St. Georgen ist man dabei, hierfür die Anschlüsse entsprechend zu ändern. Doch ein Fall aus der Bergstadt zeigt: Für den Kunden ist das nicht immer so einfach.

ISDN, LTE, 5G, IP - die Telekommunikationsbranche liebt Abkürzungen. Doch vor allem jenen Menschen, die sich nicht unbedingt für technische Details begeistern können, stehen angesichts des Buchstabensalats erst einmal Fragezeichen im Gesicht.

Als im November vergangenen Jahres eine Rentnerin aus St. Georgen ein Schreiben der Telekom erhält, ist auch sie erst einmal überfordert. Das Unternehmen informiert darin über die Internet-Protokoll-Technologie, kurz IP, die künftig für alle Telekom-Kunden genutzt werden sollte. Ebendiese Umstellung erfolgt eigentlich bereits seit 2015 – und befindet sich mittlerweile auf den letzten Metern. Das "Netz der Zukunft", wie es das Unternehmen nennt, ermöglicht die Nutzung von Telefon, Internet, Fernseh und weiteren digitalen Endgeräten über einen einzigen Anschluss. Parallele Anschlüsse werden dadurch nicht mehr benötigt – und im Umkehrschluss müssen die bereits bestehenden Leitungen geändert werden.

All das weiß die St. Georgener Kundin zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Unsicherheit macht sich breit. Als sie sich über die Servicehotline der Telekom über die Änderung und Alternativen informieren möchte, fällt die Antwort kurz und klar aus: "Wenn Sie nichts machen, müssen wir Ihnen kündigen."

Telekom schreckt vor Kündigungen nicht zurück

Dass die Telekom im Zuge der Umstellung als letztes Mittel auch vor Kündigungen nicht zurückschreckt, bestätigt auf Nachfrage unserer Zeitung Pawel Dillinger, Mitarbeiter der Unternehmenskommunikation. "Sie müssen sich das so vorstellen: Wir haben eine zweite Autobahn gebaut, auf der fahren schon 95 Prozent der Kunden. Wir können nicht für fünf Prozent die andere Autobahn aufrecht erhalten." Bei manchen Kunden könnten sich durch die Änderungen auch Mehrkosten ergeben, die Regel sei das aber nicht.

Den "Spurwechsel" soll auch die Rentnerin im Mai dieses Jahres endlich hinter sich bringen. Doch die Umstellung bringt einige Probleme mit sich: Der erste Vor-Ort-Termin wird vonseiten des Unternehmens abgesagt. Da die Umstellung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen sollte, sei es nötig, für Rückfragen eine Handynummer anzugeben.

Lange Wartezeiten bei Telefon-Hotline

Als es soweit ist, verschickt die Telekom den Bescheid aber an das E-Mailkonto der Frau – auf das sie im Zuge der IT-Arbeiten aber keinen Zugriff hat. "Erst nach langen Wartezeiten in der Hotline, mehreren Anrufen, dass kein Telefonieren möglich sei, hat sich ein Techniker am Schaltkasten zu schaffen gemacht", erzählt sie. Besonders ärgerlich: Auf der darauffolgenden Monatsrechnung entstehen für eine temporäre Rufumleitung während der Störungen Zusatzkosten. Erneut besteht Klärungsbedarf.

Schlussendlich werden die Kosten zwar zurückerstattet, doch ihr Fazit fällt dennoch schlecht aus: "Die vielen Anrufe waren äußerst lästig und zeitraubend." Darüber hinaus fühle man sich allein gelassen, mit ihrem Anliegen habe sich niemand wirklich befassen wollen. "Traurig an der ganzen Sache ist, dass keiner eine wirkliche Wahl hat, ob er die neue Technik haben möchte."

Dillinger räumt derweil ein, dass es in der jüngsten Zeit zu immer mehr Vorfällen kommt, in denen sich Telekomkunden über die Umstellung beschweren. "Die Zuschriften erhöhen sich", sagt er. Ein Grund hierfür könnte sein, dass in der Endphase die IP-Technologie nun die Haushalte erreicht, die bislang eher rückständig waren.

Telekom ist sich Konsequenzen bewusst

"Die IP-Transformation ist für die Deutsche Telekom eine Mammut-Aufgabe. Wir befinden uns aktuell im letzten Abschnitt der Transformation und die aktuellen Kundensituation werden spezieller", erklärt Dillinger weiter. Oft stoße man auf ein gewisses Misstrauen.

Dabei betont er, dass Kunden eigentlich rechtzeitig über die Änderungen informiert würden. Man halte die rechtlichen Rahmenbedingungen ein. "Die Kunden werden Monate bevor etwas passiert angeschrieben. Die Leute müssen sich rechtzeitig schlau machen", sagt Dillinger. Man versuche jeden Fall zu klären, könne aber nicht alle glücklich machen.

Die Telekom ist sich der Konsequenzen, die eine fehlende Alternative zur IP-Technologie mit sich bringt, bewusst. Für Dillinger steht im Hinblick auf den Tag X fest: "Wir werden wohl auch ein paar Kunden verlieren." Der Kollateralschaden zugunsten des Netzes der Zukunft – er lässt sich aus Sicht der Telekom nicht vermeiden.