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St. Georgener Bürgermeister erzählen von ihrer Zeit als Fahranfänger

Die Tage der Papier-Führerscheine sind gezählt. Doch bevor die nostalgischen Dokumente aus den Geldbeuteln verschwinden, gewähren die Bürgermeister St. Georgens einen Blick auf ihren Führerschein – und erinnern sich an so manche dazugehörige Anekdote.

St. Georgen. Die grauen und rosa Führerscheine sind ein Auslaufmodell. Geht es nach der Europäischen Union, sollen alle Bürger künftig einen einheitlichen Führerschein im Scheckkartenformat haben – der dann wiederum in regelmäßigen Abständen samt Bild erneuert wird (siehe Infokasten). Doch bevor es so weit kommt, öffnen die Bürgermeister St. Georgens für den Schwarzwälder Boten ihre Brieftaschen – und erzählen, an was sie sich aus den Jahren als junge Autofahrer noch ganz genau erinnern.

Bürgermeister Michael Rieger etwa weiß noch, wie stolz er auf sein allererstes Auto war: Ein weißer Opel Kadett mit schwarzem Fließheck. "Der hat 3000 D-Mark gekostet, hatte 60 PS", sagt Rieger und schmunzelt. "Innendrin war er knallrot, er hatte keine Kopfstützen, keine Gurte."

1979, gerade 18 Jahre alt, legte Rieger die Führerschein-Prüfung ab. Nach acht Stunden hatte er den "Lappen" in der Tasche. Den tauschte er zwar in den 90er-Jahren gegen das rosa Modell – doch die Erinnerungen bleiben.

"Auf einmal war man mobil", sagt er über seine Zeit als Fahranfänger. "Die Welt stand Dir offen." Mit dem eigenen Auto ging es an den Bodensee, nach Stuttgart oder zur Großmutter, die in der Nähe des Schluchsees wohnte. "Da hat man natürlich möglichst viel Leute mitgenommen, damit man sich den Sprit leisten konnte", erzählt er.

Mit dem Sprit war das indes so eine Sache bei Riegers erstem Auto: "Die Tankuhr ging nicht mehr, deswegen habe ich immer einen Stock dabei gehabt." Mit dem wurde der Benzinstand geprüft. "War ja wichtig zu wissen: Reicht’s noch zur Freundin oder nicht", sagt er und lacht.

Luxus sei zu dieser Zeit zweitrangig gewesen, frei nach dem Motto: Hauptsache, das Auto fährt. Wenn mal etwas kaputt war, suchte man sich auf dem Schrottplatz die Ersatzteile zusammen – oder half sich mit Alltagsgegenständen aus. "Bei meinem Opel haben die Scheinwerfer nicht mehr gehalten", erzählt er. Mit Bierdeckeln wurde daraufhin nachgeholfen. "Dann fuhr man im Dunklen nah an eine Wand ran und richtete die Lichter neu aus." Auf seinem Rücksitz fand sich im Winter darüber hinaus oft ein großer Salzsack, damit das Auto trotz Heckantrieb problemlos bergauf fahren konnte. "Dann hatte man ja auch gleich Streusalz dabei", sagt er. Für den passenden Sound sorgte der batteriebetriebene Kassettenrekorder, aus dem Neue Deutsche Welle oder Police ertönte. "Das war einfach eine irre Zeit."

In Alt-Bürgermeister Günther Lauffers Jugend durfte man die Führerscheinprüfung erst mit 21 Jahren ablegen. Rund 300 D-Mark kostete der "Lappen" den heute 89-Jährige. Mitte der 1950er-Jahre sei es nicht ungewöhnlich gewesen, dass man lange sparen musste, um sich den Führerschein leisten zu können. Das Papier an sich hat Lauffer gerade einmal sechs D-Mark gekostet – drei Quittungsmarken neben dem schwarz-weiß Foto erinnern noch heute an die damaligen Ausgaben.

Die erste große Fahrt mit dem eigenen Auto – einem grünen Fiat 600 – führte an die Côte d’Azur. "Da wurden wir in Frankreich schwer beachtet, das war ein relativ neues Modell", erinnert er sich.

Einem eigenen Auto kam damals laut Lauffer eine andere Bedeutung zu als heutzutage. "Es war einfach ein großer Wunsch, kein unbedingtes Statussymbol, aber schon etwas Besonderes", meint er. "Und das Autofahren war lang nicht so einfach wie heute." Die Gangschaltung etwa funktionierte nur über Zwischengas. Darüber hinaus erinnert er sich an einen weiteren Unterschied: Statt Blinkern gab es damals noch Winker.

Bevor Lauffer 1968 Bürgermeister von St. Georgen wurde, war er als Richter am Villinger Amtsgericht tätig – und hatte dabei auch mit Verkehrsangelegenheiten zu tun. "Das ist mit auch ein Grund, dass man sich selbst vorbildlich verhält", meint er im Hinblick auf ausgebliebene Eskapaden als junger Autofahrer.

An einen besonderen Gerichtsprozess erinnert er sich indes noch ganz genau: In St. Georgen wollte damals ein Autofahrer aus Richtung Brigach kommend auf die Bundesstraße einbiegen. "Die Brücke war damals noch nicht gebaut, es gab dort nur eine Schranke", erzählt Lauffer. Doch der Mann hatte zuvor zu tief ins Glas geschaut, verwechselte die Bahngleise mit der Bundesstraße. "Bis er am Bahnhof ankam, waren sämtliche Achsen kaputt", meint Lauffer.

Bei Wolfgang Schergel, der von 1992 bis 2008 Bürgermeister von St. Georgen war, verlief hingegen die Prüfung alles andere als reibungslos. "Diesen Tag werde ich nie vergessen", sagt er. Am Morgen des großen Tags stand wie damals üblich der Sehtest an. "Da wurde ich dann zum ersten Mal auf meinen Augenfehler aufmerksam gemacht", sagt er. Das Ergebnis: Ohne Brille durfte er kein Auto fahren. Doch die Prüfung stand bereits nachmittags an, der Optiker musste also schnell handeln. Kurzerhand wurde eine Brille angefertigt – mit den falschen Dioptrien, wie sich später herausstellte. "Nach 100 Metern war Schluss", meint er über seine Fahrprüfung. "Ich konnte mit der Brille einfach nichts sehen." Kurzerhand durfte er ohne Sehhilfe die Prüfung ablegen – mit Erfolg. "Der Optiker meinte später, es tue ihm leid", erinnert er sich und schmunzelt.

Die Bürgermeister sind sich einig: Wenn es schließlich so weit ist und sie ihre Dokumente erneuern müssen, möchten sie ihre alten Führerscheine auf jeden Fall als Erinnerung behalten. "Das ist einfach ein Stück Nostalgie", sagt Wolfgang Schergel und blickt lächelnd auf seinen grauen Führerschein aus dem Jahr 1965. Auf dem schwarz-weiß Foto ist ein ernster junger Mann mit akkuratem Seitenscheitel zu sehen. Die Ränder des "Lappen", sind ausgefranst, das dünne Stück Papier fühlt sich speckig an. Schergel lächelt, als halte er einen großen Schatz in den Händen: "Den gibt man doch nicht so einfach her."

Seit 2013 regelt eine EU-Richtlinie die Vereinheitlichung europäischer Führerscheintypen. Um Fälschungen vorzubeugen, laufen seither ausgestellte Dokumente nach 15 Jahren ab. Im Zuge der sogenannten dritten EU-Führerscheinrichtlinie müssen Dokumente, die vor dem 19. Januar 2013 ausgestellt wurden und damit kein Ablaufdatum besitzen, bis spätestens 19. Januar 2033 in einen Führerschein in Scheckkartenformat nach EU-Muster umgetauscht werden.

Ziel ist laut dem Bundesverkehrsministerium ein europaweit einheitliches und damit überall in der EU lesbares Dokument. Wie der Umtausch im Detail vonstatten gehen soll, ist bislang noch nicht abschließend entschieden.