Immer wieder kommt es vor, dass schmutzige oder auch kaputte Bücher ins Regal gestellt werden. (Symbolfoto) Foto: © Kara – stock.adobe.com

Unbrauchbares zwischen Dichtern und Denkern. Hinter Angebot steckt viel Arbeit.

St. Georgen - Seit einem Jahr kümmert sich Anita Kienzler um das öffentliche Bücherregal in der Schulstraße. Neue Werke kann sie stets gebrauchen. Denn es verschwinden nicht nur viele Bücher – sie muss oft auch allerhand Unbrauchbares aussortieren.

Vier junge Männer stehen vor dem öffentlichen Bücherregal in Eingangsbereich des Supermarktes. Sie sind in die Suche vertieft, ihre Finger gleiten die Buchrücken entlang. Immer wieder ziehen sie eines der Werke aus dem Regal, schlagen probeweise eine Seite auf. Einige Schritte entfernt steht Anita Kienzler und beobachtet die Szenerie. "Ich habe sie wirklich nicht herbestellt", sagt sie und lacht. Nahezu auf den Tag genau ein Jahr ist Kienzler nun für das öffentliche Bücherregal zuständig. Zeit für ein Bilanzgespräch – zu dem zufällig auch einige Nutzer auftauchen.

Sie sind gerade "auf Durchreise", erzählt Jens Haas, einer der vier Männer. Eigentlich zelteten sie in Hornberg, über eine Auflistung im Internet hätten sie herausgefunden, dass es in der Bergstadt ein öffentliches Tauschregal gebe. "Wir sind immer auf der Suche nach neuen Büchern und besuchen auch viele Messen", meint Haas. Sie hätten daher schon viele Bücherregale dieser Art gesehen. Ihr Fazit zu St. Georgen? "Gut aufgeräumt, ordentlich", sagt Haas und nickt vielsagend. Das sei nicht selbstverständlich.

Dass dahinter viel Arbeit steckt, betont Kienzler im darauffolgenden Gespräch. "Ich gehe jeden zweiten Tag her, manchmal täglich", erzählt sie. Zwar könne sie die Pflege des Bücherregals immer mit dem Einkaufen verbinden, doch räumt sie ein: "Ich hätte nicht gedacht, dass es so viel Arbeit macht."

Schmutzige oder auch kaputte Bücher abgestellt

Immer wieder komme es demnach vor, dass schmutzige oder auch kaputte Bücher ins Regal gestellt werden. "Zum Teil finde ich dann zehn Jahre alte Gartenmagazine – da stellt sich schon die Frage: Wer will das lesen?", gibt Kienzler zu bedenken.

Während sich einige Bücher gar nicht erst für das Regal eignen, sind andere Werke – wenn auch noch gut zu gebrauchen – schlichtweg nicht beliebt. Auch solche sortiert Kienzler nach einer Weile aus, um entsprechend immer wieder etwas Neues bieten zu können. "Daher habe ich eigentlich immer zur Zeit Bedarf an neuen Büchern. Wenn sie gut erhalten sind, kann man sie also gern einfach in die Klappe in der Mitte des Regals werfen", betont sie.

Auf diesem Weg hat laut der Betreuerin auch schon so manch kleiner Schatz seinen Weg in den Eingangsbereich im Edeka-Markt gefunden: 20 Bücher von Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe in goldenem Einband. "Die sind aber auch nicht mehr zurückgekommen", sagt sie über die Werke, die noch in Sütterlinschrift gedruckt waren. "Ein bisschen Schwund ist immer": Allen voran Kochbücher, gute Krimis oder auch Klatschmagazinen, die sie ab und an auslegt, finden nicht den Weg zurück. Während sie das erzählt, zuckt sie kurz mit den Schultern. "Das ist eben so", lautet die nüchterne Bilanz. Und irgendwie helfe selbst das bei der gewollten Rotation.

Wie zur Bestätigung laufen in diesem Moment die vier Männer aus dem Supermarkt heraus. Einer von ihnen trägt eine große Bananenkiste in der Hand. "Wir bringen das nächste Mal auch ein paar neue Sachen vorbei", sagt Haas. Kienzler lächelt nur und nickt. Ob die Bücher tatsächlich wieder zurückkommen? Sie weiß es nicht, doch das ist für sie schlussendlich auch zweitrangig. "Es ist doch schön, wenn sich junge Menschen für diese Idee begeistern können."