Die Täter griffen die Daten ihrer Opfer ab. Foto: © Feodora – stock.adobe.com

Ehepaar aus Bergstadt wird zum Opfer von Cyberbetrug. Polizist gibt Tipps zum richtigen Verhalten.

St. Georgen - Vom Enkeltrick bis zur Microsoft-Masche: Immer wieder versuchen Betrüger unter Vorspieglung falscher Tatsachen Geld und Daten zu klauen. Auch in St. Georgen schlugen kürzlich dreiste Gauner zu. Der Fall ging glimpflich aus, zeigt aber: Niemand ist vor Angriffen gefeit.

Als bei den Schmidts mittags das Telefon klingelt, steht Anneliese* gerade in der Küche und kocht das Mittagessen. Sie nimmt den Hörer ab, hört eine Stimme, die etwas auf Englisch sagt – und legt auf. Anneliese hat weder Zeit noch Muse, sich damit auseinanderzusetzen. Als das Telefon erneut klingelt reicht sie daher den Hörer schnell an ihren Mann Wolfgang weiter. Die Minuten vergehen, das Essen steht mittlerweile längst auf dem Tisch. Immer wieder ruft sie nach ihrem Mann. Der sitzt vor dem Computer, winkt ab, den Hörer am Ohr.

"Da habe ich gemerkt, da stimmt doch etwas nicht", erinnert sie sich einige Tage später zurück. Das Ehepaar sitzt in seinem Garten – noch immer fassungslos darüber, was geschehen ist. Anneliese und Wolfgang Schmidt wurden Opfer von Betrügern, die sich am Telefon als Mitarbeiter von Microsoft ausgaben. Zwar zog Wolfgang Schmidt in letzter Sekunde die Reißleine, oder besser gesagt den Stecker, doch der Schock sitzt tief.

Was war passiert? Bereits seit Wochen hatte Wolfgang Schmidt Probleme mit seinem Antivirus-Programm. Immer wieder warnte es vor einer durchlässigen Firewall. Als dann der Mann am Telefon genau dieses Problem ansprach, stellte der Bergstädter nichts infrage. "Ich habe das als glaubwürdig eingestuft", erzählt er.

Der Zufall spielte dem Betrüger in die Karten. Die Falle schnappte zu. Über eine Adresse, die in den Webbrowser eingegeben werden sollte, erhielt der Gauner Zugriff auf den Computer des Ehepaars. "Dann hielt er mich auf Trab", erzählt der 80-Jährige. "Ich war richtig am rödeln." Um "Zugänge zu kontrollieren" sollte Wolfgang Schmidt auf verschiedenen Websites seine Passwörter eingeben: Von Papypal bis zum E-Mailkonto – und bei allem sah der Betrüger zu. Als aus dessen Sicht "alles geregelt" war, ging es ans Bezahlen. "Und da hat es bei mir geklingelt", meint der ältere Herr.

Die Geschichte der Schmidts ist derweil kein Einzelfall. Bernhard Weißhaar von der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle meint dazu: "Meinem Gefühl nach sind die Zahlen relativ gleichbleibend auf einem leider viel zu hohen Niveau." Im Zuge dessen betont der Experte, dass die Situation, in denen sich Menschen wie die Schmidts auf einmal befinden, nicht zu unterschätzen seien.

"Es wird eine Gefahrensituation aufgebaut, die eine Schockwirkung auslöst und das Hirn ausschaltet", erklärt Weißhaar. Obwohl viele die Masche kennen, denken sie daher nicht daran, dass sie gerade selbst zum Opfer werden. Das bestätigt auch Anneliese Schmidt: "Ich habe schon Vorträge von Polizisten besucht, davon gehört und Beiträge im Fernsehen gesehen." Vorbereitet sei man trotzdem nicht. "Man verfolgt die Anweisungen, ohne sich zu fragen, was da passiert", ergänzt ihr Mann. Die Schmidts hoffen nun, dass sie andere Menschen mit ihrer Geschichte warnen können.

"Diese Angriffe über Mails, Telefone et cetera, die finden zuhauf statt", unterstreicht Weißhaar. Die Masche sei immer dieselbe. "Egal wie der Trick heißt, die Stimme, die Sprache, das Thema, all das ist variabel. Aber jede Masche zielt auf Angst ab, um eine Reaktion zu bekommen, die man ohne Panik nicht erreichen würde."

Wichtig sei es daher, dass man den Schockmoment erst einmal verstreichen lässt. Im konkreten Fall dubioser Telefonanrufe rät der Polizist: "Tipp Nummer 1: Bitten Sie darum, dass Sie zurückrufen können, und legen Sie im Zweifel auf." Manchen Betrüger kann das angesichts fehlender Rückrufnummern schon das Genick brechen. Falls nicht, kann die Zeit nach dem Auflegen dazu genutzt werden, sich zu sammeln und die Gedanken zu ordnen.

"Man sollte alles misstrauisch beäugen", betont Weißhaar. "Telefon und Internet sind in der heutigen Zeit nicht authentisch." So komme es auch vor, dass man über entsprechende Techniken eine Ortsvorwahl mit dem Zusatz 110 auf dem Display erscheinen lässt, um die Menschen glauben zu lassen, ein Polizist sei an der anderen Seite der Leitung. "Der Strauß der Trickgeschichten ist relativ groß", sagt er. "Und die Phantasie der Täter ist in diesem Bereich unerschöpflich."

Wichtig sei daher auch, dass man selbst den Versuch eines Betrugs der Polizei meldet und Anzeige erstattet. Nur so könne die Behörde verfolgen, ob sich in bestimmten Bereichen Fälle häufen. "Das ein einzelner Fall von Ermittlungserfolg gekrönt ist, ist eher unwahrscheinlich, aber letztendlich geht es um das Zusammenspiel."

Der Experte weiß aus Erfahrung, dass sich viele Menschen schämen, wenn sie Opfer von Betrügern geworden sind und schweigen daher. Denn man dürfe nicht vergessen: "Wir reden hier von Möglichkeiten, bei älteren Leuten Geld abzusaugen, das sie ein Leben lang angespart haben. Die Folgen sind dramatisch." Nicht selten brauche man psychologische Hilfe, die Polizei arbeitet daher auch mit dem Opferschutzverband Weißer Ring zusammen.

Im St. Georgener Fall löste sich am Mittagstisch auf, was soeben eigentlich passiert war. Das Essen war mittlerweile kalt, Wolfgang Schmidt ungewöhnlich still. "Der Tag war gelaufen", sagt seine Frau rückblickend. Die Polizei wurde verständigt, Kreditkarten gesperrt, Passwörter geändert. Ein paar Mal klingelte seither noch das Telefon, immer wieder war es eine ausländische Nummer. Doch die Schmidts nahmen gar nicht erst ab. Heute wissen sie es besser.

*Namen wurden von der Redaktion geändert.