"Das ist das Klassischste, was ich je gemacht habe", sagt der Künstler über seine geschnitzten Außerirdischen-Figuren. Fotos: Zelenjuk Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Oliver Wolf ist in der Szene als Olsen bekannt / Alltagsgegenstände werden zu Kunstobjekten / Die Region gibt Inspiration

St. Georgen. Andere malen mit Aquarell oder Pastellkreide, Oliver Wolf macht lieber Maschinenkunst. Statt zum Pinsel greift er zu Magneten, Schrauben und Batterien. Der 43-Jährige weiß, dass seine Werke, die an der Schnittstelle von Robotik und Kunst entstehen, unterschiedliche Reaktionen hervorrufen – von Irritation bis zur Faszination ist alles dabei. Das findet der Künstler in Ordnung. Denn Wolf ist es wichtig, in seiner künstlerischen Tätigkeit immer nach neuen Blickwinkeln zu suchen, Dinge zu hinterfragen, zu erforschen und zu experimentieren.

Mit dem Künstlernamen nennt er sich Olsen. Der 43-Jährige kommt aus Niedereschach, war schon in Zürich, Barcelona, New York und London unterwegs und ist seit einem halben Jahr in St. Georgen zu Hause. Sein Atelier in den Räumen der Künstlerresidenz gleicht einem wissenschaftlichen Labor. Eines der laufenden Projekte ist zum Beispiel der Versuch, ein Perpetuum Mobile zu entwickeln – als Bausteine dienen dabei die Newtons Wiege und die Pfote einer goldenen Glückskatze.

Oder eine Roboter-Haarbürste, die mit speziellen Sensoren ausgestattet ist und sich dank diesen mit der Morgendämmerung in Richtung Sonnenaufgang bewegt. "Hat sie eine schöne Position gefunden, geht sie in den Kontemplativmodus und beobachtet, wie die Sonne aufgeht", erklärt der Künstler.

Wolf betont, dass er philosophische und poetische Elemente gern in seine künstlerische Arbeit mit einfließen lässt. UFOs, Raumfahrt, Universum – auch das sind Themen, mit denen sich der 43-Jährige oft auseinandersetzt.

Begonnen hat sein künstlerischer Werdegang im Keller des Elternhauses in Niedereschach: "Ich habe mit meinem Vater als Kind schon sehr oft an verregneten Tagen gebastelt und gewerkelt", erinnert er sich. Schnell entwickelte er die Begeisterung dafür, mit den Händen zu arbeiten und Sachen zu kreieren. Das konnte Wolf dann bei seiner Ausbildung zum Schreiner in der Rottweiler Holzmanufaktur voll ausleben.

"Restaurations- und Bauarbeiten waren mein Schwerpunkt. Da habe ich super Handwerk gelernt", sagt er. Und: Das hilft ihm in seiner künstlerischen Tätigkeit enorm weiter, auch wenn er wegen seiner Asthma-Erkrankung nicht als Schreiner arbeiten kann. "Dank meiner Schreiner-Erfahrung habe ich zum Beispiel keine Angst vor großformatigen Projekten", sagt der 43-Jährige.

Eines davon ist das drehbare Bett mit Steuerungseinheit, das ein Raumfahrt-Erlebnis bietet – das hat Wolf im Jahr 2013 entwickelt. Möglich wird durch das ungewöhnliche Kunstobjekt etwa eine Nacht im Orbit des Merkur.

Wenn Wolf zurückdenkt, weiß er genau, wann ihn der Maschinenkunst-Virus gepackt hat: Bei seinem Aufenthalt in Barcelona im Rahmen eines Austausches hat er spannende Einblicke in die Kunstszene bekommen – und sich danach sofort an der Kunstschule in Zürich beworben.

Seitdem haben experimentelle Videos und Kunst am Bau, überdimensionale Installationen und Einsätze als Filmausstatter sein Portfolio bereichert. Auch im akademischen Bereich hat Wolf gearbeitet: An der Hochschule in Zürich war er fünf Jahre lang als Assistent tätig, hat Labors für performative Schnittstellen betreut und Lehrveranstaltungen gegeben. "Es hat total viel Spaß gemacht, Diskussionen zu führen und anderen zu helfen, ihre Ideen zu verwirklichen", schwärmt der Künstler.

An der Queen Mary University in London hat er sich dann als Doktorand mit dem Thema "Bewegung von Objekten" beschäftigt. "Es war eine sehr intensive Zeit, aber meine Ideen für künstlerische Arbeiten musste ich aufs Abstellgleis stellen", macht er klar. Jetzt will der 43-Jährige nachholen. Jeden Tag tüftelt und experimentiert er in der St. Georgener Künstlerresidenz, um neue, spannende Projekte auf die Beine zu stellen, Installationen zu kreieren und Performance-Auftritte vorzubereiten.

Das Thema Bewegung fasziniert ihn nach wie vor – und davon zeugen viele seiner Werke. Dass die Menschen die Stirn runzeln, wenn sie seine Kunst sehen, habe er nur selten erlebt. "Meine Arbeiten sind eigentlich niederschwellig. Ich benutze viele Alltagsgegenstände, und da muss man nicht viel dazu erklären", sagt Wolf. Und: "Die Offenheit, etwas Neues zu sehen, zu erleben, ist hier in der Region besonders groß", weiß er. "Durch die vielen Unternehmen, die hier ansässig sind, herrscht hier eine sehr große Technikaffinität. Die Menschen unterhalten sich gern über technische Feinheiten und wagen den Blick über den Tellerrand", stellt der Künstler fest.

Diese Offenheit will er nutzen, um St. Georgen als einen wichtigen Ort in der Kunstszene zu etablieren. Zusammen mit zehn Mitstreitern hat er deshalb den Verein "Global Forest" gegründet – und kümmert sich als stellvertretender Vorsitzender darum, künstlerische Potenziale weiter auszubauen, Projekte zu gestalten und regelmäßige Events anzubieten. Passend zur Geschichte der Stadt wird viel im Bereich Soundtechnik angeboten –von den Klangspielen über Workshops bis zum Vogelsang-Event. "Wir möchten ›Kunst in der Fläche‹ fördern und den Menschen Dinge zu sehen geben, die man sonst in der Region nicht sieht", fasst Wolf die Idee hinter dem Verein kurz zusammen.

Er selbst fühlt sich nach längeren Aufenthalten in europäischen Metropolen im Schwarzwald wohl. "Auf dem Land hat man seine Ruhe. Hier gibt es wirklich viel Raum, um sich auszuprobieren, ohne sich viel ablenken zu müssen." Die Ruhe sei gut für die Inspiration, erklärt er.

Was für ihn sonst noch wichtig ist: neugierig zu sein, Augen und Ohren offen zu halten. Für die Zukunft nimmt sich der 43-Jährige vor, mehr Performance-Kunst zu zeigen. "Ich will mich professionalisieren, mit Galerien Kontakt aufzunehmen und anfangen, meine Arbeiten zu verkaufen", sagt er.

Anfragen habe er bereits – für seine geschnitzten Außerirdischen-Figuren genauso wie für die Roboter-Haarbürsten. "Mein persönliches Ziel für die kommenden zwei Jahre ist eigentlich ein Experiment. Ich will schauen, ob ich so lange von meiner Kunst leben kann", sagt Wolf und schmunzelt.