Maskottchen "Trimmy" zeigt das "Victory-Zeichen", doch Athleten wie Karla Borger sehen sich vom Deutschen Olympischen Sportbund nicht gut genug vertreten. Ein Streitpunkt ist die Finanzierung des Spitzensports. Foto: Eibner/Montage: © eyetronic – stock.adobe.com

Sportpolitik: Athleten aus der Region unterstützen "Revolution". Verein soll Athleten mehr Gehör verschaffen.

Bevormundet, unterfinanziert und ohne Einfluss: So fühlen sich viele Leistungssportler. Die deutschen Athleten wollen nun, dass ihre Meinung mehr Gewicht bekommt.

Ein vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) unabhängiger Verein – "Athleten Deutschland" – soll deshalb am Sonntag auf der Athleten-Vollversammlung in Köln gegründet werden. "Wir glauben, dass die Stimme der Athleten eigenständig formuliert sein sollte. Und dass wir mit einer eigenen Organisation die Möglichkeit haben, die Stimme der Athleten unabhängig zu formulieren", sagte Max Hartung – DOSB-Athletensprecher – am Samstag in der ARD-Sportschau. "Revolution im deutschen Sport", "Zäsur" oder "Zerreißprobe mit dem DOSB", so lauteten die folgenden Schlagzeilen. Wie aber sehen Leistungssportler und Verbandsfunktionäre aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis und aus der Region diesen Schritt?

Der Donaueschinger Leichtathlet Christoph Kessler sieht diesen als logisch und notwendig an. "Es wurde höchste Zeit für so etwas. Wir Sportler werden bei wichtigen Entscheidungen doch kaum bis gar nicht gehört, haben kaum Einfluss", verweist der 800-Meter-Spezialist auch auf den Umgang mit dem Skandal um das Staatsdoping in Russland im Vorfeld der Olympischen Spiele von Rio de Janeiro. "Dies ist nur ein Beispiel. Aber auch da wurden doch keine Sportler in den Entscheidungsprozess miteinbezogen", gibt der diesjährige Universiade-Teilnehmer zu bedenken.

Bei dieser – in Taiwan – war die Stellung der Sportler ebenfalls ein Thema. "Da hatte ich die Gelegenheit, mich auch mit Athleten von anderen Sportarten zu unterhalten. Viele waren der Meinung, dass wir Sportler zu wenig Gehör finden. Sie sind einfach mit der derzeitigen Situation unzufrieden", sieht der Student der Verfahrenstechnik am KIT (Karlsruher Instituts für Technologie) auch die Neustrukturierung des deutschen Leistungssports und der Spitzensportförderung kritisch. "Vereinfacht wird nun die absolute Spitze mehr gefördert – und der Rest geht oft leer aus", hält der 22-jährige Hallen-EM-Teilnehmer dieses Konzept für fragwürdig. "Im Sport entscheiden oft Menschen, die mit dem eigentlichen Sport wenig zu tun haben", hofft Christoph Kessler, dass durch die Gründung der unabhängigen Sportlervertretung Themen wie die Finanzierung einer Laufbahn – und der Zeit nach dieser – mehr in den Mittelpunkt rücken.

Ähnlich sieht es Karla Borger, frühere Spielerin des TV Villingen und Olympia-Teilnehmerin von Rio de Janeiro. "Es wird höchste Zeit, dass etwas passiert", stellt die erfolgreiche Beachvolleyballerin klar. Die 28-Jährige wird auf jeden Fall am Wochenende in Köln vor Ort sein, wenn der Verein "Athleten Deutschland" aus der Taufe gehoben wird. "Ich kann mir auch vorstellen, da aktiv mitzumachen, wenn es die Zeit erlaubt", sieht Borger die Unabhängigkeit der Sportler als sehr wichtigen Schritt an. "Es fehlt bisher die Transparenz. Wir Sportler – ich habe viel mit Athleten anderer Sparten geredet – investieren unglaublich viel. Da geht es auch um Existenzen. Deshalb brauchen wir Sportler endlich Mitspracherecht. Dieser Schritt war überfällig, ist absolut notwendig", findet die Beachvolleyballerin deutliche Worte.

David Ketterer schlägt in die gleiche Kerbe. "Meiner Meinung nach ist es höchste Zeit für ein unabhängiges Sprachrohr der Athleten. Wir sind die Hauptdarsteller im Sport. Unsere Meinung bleibt zu oft ungehört – oder unbeachtet. Ich sehe viele verkrustete Strukturen in den Verbänden mit Entscheidungsträgern, die zu weit vom Sport entfernt sind und die lange genug in ihrer Position waren, um jegliche Leidenschaft und Offenheit für neue Ideen zu verlieren", betont der Weltcup-Skifahrer des SSC Schwenningen. Die staatliche Sportförderung sieht der Slalomspezialist übrigens nicht als das Hauptproblem in Deutschland an. "Viele Sportarten, darunter auch der alpine Skisport, müssen aber neu gedacht werden. Sie müssen interessanter für die Zuschauer werden und genug Begeisterung – und dadurch Umsatz – generieren, damit die Sportler genügend verdienen und weniger auf die staatliche Förderung angewiesen sind."

Staatliche Förderung – davon kann Triathlet Dominik Sowieja nur träumen. "Die gibt es in unserer Sportart nur für die Kurzdistanz", erklärt der Hochemminger. "Aber da ist es sehr schwer reinzukommen." Er selbst hat sich auf die Langstrecke spezialisiert und ist von Sponsoren abhängig. "Es ist definitiv Zeit, dass Sportler jetzt einen eigenen Weg gehen", unterstützt der 25-Jährige die Gründung der neuen Interessensvertretung.

Stefan Wirbser, der Präsident des Skiverbandes Schwarzwald (SVS), hat diese Diskussionen natürlich über die Medien verfolgt. "Das ist eher ein Thema der Sommersportarten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich einer unserer Wintersportler dieser neuen Athletenvertretung anschließen wird", sagt er. Der Grund: "Wir haben hier einen sehr engen und kurzen Draht zu unseren Sportlern. Es herrscht Vertrauen."

"Das ist eine gute Idee", unterstützt Marco Troll, der Präsident des Badischen Schwimm-Verbandes, die zu mehr Unabhängigkeit strebenden Sportler. "Das sind alles mündige Bürger. Wir Funktionäre sind für die Sportler da, die Sportler für uns Funktionäre. Deshalb versuchen wir auch, möglichst viele ehemalige Sportler – am besten gleich nach deren Karriere – in unsere Arbeit einzubinden. Das klappt auch ganz gut", sieht Troll Schwimmer und Entscheidungsträger in Baden an einem Strang ziehen.

Ähnlich sieht es Philipp Krämer, der Präsident des Badischen Leichtathletik-Verbandes. "Insgesamt finde ich dies eine gute Sache. Allerdings sollte der neue Verein kein Debattierklub werden, sondern sich konstruktiv einbringen", hofft der Schönauer, dass die Vereinsneugründung auch Auswirkungen auf die umstrittene Neustrukturierung des deutschen Leistungssports und der Spitzensportförderung hat. "Da liegt einiges im Argen", sieht Krämer die Gefahr, dass das neue Konzept auch dazu führt, dass sehr talentierte Sportler aufgrund der fehlenden finanziellen Sicherheit ihre Karrieren vorzeitig beenden.

Diese Gefahr ist real. Dies weiß auch Christoph Kessler. Dabei ist der Donaueschinger noch "privilegiert". "Ich bin Mitglied des Junior-Elite-U23-Teams des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Deshalb werde ich von der Deutschen Sporthilfe gefördert", bekommt Kessler von der gemeinnützigen Stiftung pro Monat 300 Euro überwiesen. "Dazu kommen noch 400 Euro über das Deutsche-Bank-Sport-Stipendium, das es für Sporthilfe-Studenten gibt", offenbart der Mittelstreckenläufer.

In diesen Genuss kommen aber nach der Leistungssportreform nur noch wenige Sportler. "Selbst viele Kaderathleten müssen ohne diese Unterstützung auskommen", ist für Christoph Kessler die fehlende finanzielle Sicherheit ein Grund, weshalb sich Sportler von DOSB und Co. nicht gut genug vertreten fühlen.

"Und ganz ehrlich. Ich bekomme zwar 700 Euro im Monat. Das geht ja schon fast für Miete und Ernährung drauf. Da ist noch kein Trainingslager, das Sportler oft zumindest zum Teil selbst bezahlen müssen, beglichen. Dazu kommen noch Kosten für Sportschuhe, Kleidung oder Fahrten", listet Kessler einige Ausgaben auf.

Info

DOSB

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ist eine Dachorganisation des deutschen Sports. Der DOSB entstand im Jahr 2006 durch den Zusammenschluss des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland. In 99 Mitgliedsorganisationen – darunter 16 Landessportbünde, 63 Spitzenverbände sowie 20 Verbände mit besonderen Aufgaben – sind mehr als 27 Millionen Mitgliedschaften organisiert. Der DOSB ist der Bewahrung, Förderung und Weiterentwicklung der olympischen Idee verpflichtet.

DOSB-Athletenkommission

"Die Athleten haben im Sport eine starke Stimme. Sie werden vertreten durch die Athletenkommission im Deutschen Olympischen Sportbund. Sechs Sportler, die durch die Athletenvertreter der Spitzenverbände gewählt werden, repräsentieren die Sportler in allen Leistungssport-Gremien im DOSB (Präsidium, Präsidialausschuss Leistungssport sowie dem Beirat Leistungssportentwicklung) und den Sport-Organisationen, in denen eine Athletenvertretung vorgesehen ist (NADA-Gremien, Sporthilfe-Gremien sowie Versammlung nicht-olympischer Verbände). Alle vier Jahre werden die Vertreter aus fünf olympischen Verbänden sowie ein Vertreter eines nicht-olympischen Spitzenverbandes durch die Vollversammlung aller Athletenvertreter gewählt. Die Mitglieder des Beirates üben ihre Vertretung ehrenamtlich aus und werden von ihrer hauptamtlichen Referentin aus dem Haus des Sports bei ihren Aufgaben unterstützt." So ist es auf der aktuellen DOSB-Homepage nachzulesen.

  "Athleten Deutschland"

Eine Vollversammlung der Athletenvertreter soll am Sonntag, 15. Oktober, in Köln den Verein "Athleten Deutschland" gründen. Laut Satzungsentwurf, welcher laut eigenen Angaben der ARD-Sportschau vorliegt, soll der Verein zu einem Netzwerk der Athletenvertreter der olympischen, nicht-olympischen und paralympischen Spitzenverbände werden. Der Verein soll den Athleten auf sportlicher und politischer Ebene mehr Gehör verschaffen. Er soll Sprachrohr sein und helfen, dass Spitzensportler in Zukunft besser gefördert und abgesichert werden. Zum Vereinszweck gehören auch der Kampf gegen Doping und sexualisierte Gewalt im Sport.