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Bis zum Sommer sollen die Neubauten beim Schloss Solitude bezugsfertig sein.

Stuttgart - Spaziergänger werden kaum bemerken, dass beim Schloss Solitude zwei historische Gebäude durch Neubauten ersetzt werden. Wie ein Ei dem anderen sollen die Kavaliershäuser, die wieder aufgebaut werden, ihren 250 Jahre alten Vorgängern gleichen. Die wurden abgerissen, weil sie kaputt saniert worden sind.

Im Rohbau sind die beiden Neubauten beim Schloss Solitude im Stuttgarter Westen so gut wie fertig. Von Sommer an will das Land die für eine Million Euro rekonstruierten Kavaliershäuser vermieten. Wer dort einziehen wird, steht laut Finanzministeriums noch nicht fest. "Wir haben eine Interessentenliste, die zu gegebener Zeit ausgewertet wird", sagt eine Sprecherin und schweigt sich "aus vertragsrechtlichen Gründen" über die Mietkosten aus.

Die Idyllische Wohnlage und prominente Nachbarschaft machen die Anlage zur begehrten Adresse. Zu den illustren Mietern der abgerissenen Gebäude gehörten der frühere 1973 verstorbene Stuttgarter Ballettchef John Cranko. Friedrich Schirmer, heute Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, lebte während seiner Zeit als Chef des Schauspiels der Staatstheater Stuttgart auf den rund 100 Quadratmetern eines der Häuser. Und ein ehemaliger Verwalter des Schlosses hatte vom Kavaliershaus das Schloss immer fest im Griff.

Auch in den zwölf weiteren Kavaliershäusern rund um das Schloss und deren Nachbarschaft hat sich Prominenz aus Kultur und Politik einquartiert. So steht auf einem Klingelschild der Kavaliershäuser noch immer der Name von Klaus Zehelein. Vor seinem Wechsel als Präsident der Bayerischen Theaterakademie nach München war Zehelein Opernintendant der Staatstheater Stuttgart. In dessen nächster Nachbarschaft ist Baden-Württembergs früherer Ministerpräsident Günther Oettinger zu Hause. Sein Nachfolger Stefan Mappus dagegen könnte zwar auf die Solitude ziehen. Er soll aber nicht beabsichtigen, Pforzheim als Wohnort aufzugeben, heißt es im Staatsministerium. Auch der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel ist nie auf die Solitude gezogen.

Schuld daran, dass für die Kavaliershäuser Nummer 7 und 11 im vergangenen Jahr nur noch der Abriss infrage kam, war Pfusch bei der Sanierung in den 60er Jahren. Damals wurde über das Mauer- und Fachwerk ein Zementputz gespachtelt, der die Wände nicht atmen ließ. "Selbst wenn man saniert hätte, wäre von der ursprünglichen Bausubstanz nicht mehr viel übrig geblieben", sagt Landesdenkmalpfleger Martin Hahn. Zähneknirschend stimmten die Denkmalschützer deshalb einem Abriss zu. "Weil das Gesamtbild von Schloss und umliegenden Häusern erhalten werden sollte, haben wir die Rekonstruktion dem Bau modern aussehender Häuser vorgezogen", sagt Hahn und gesteht, dass Rekonstruktion "nie im Sinne des Denkmalschutzes und immer die allerletzte Möglichkeit im Maßnahmenkatalog der Denkmalschützer" sei.

Die neuen Gebäude gleichen den alten Kavaliershäusern nur optisch bis aufs i-Tüpfelchen. Statt auf die im 18. Jahrhundert gebräuchlichen Baustoffe wird auf heute übliches Material zurückgegriffen. "Statt Fachwerk bauen wir Ziegelmauern. Außerdem werden die Außenwände besser gedämmt. Dadurch verringert sich die Grundfläche", stellt Ilse Lange Tiedje, Leiterin des Stuttgarter Amts des Landesbetriebs Vermögen und Bau, fest. Dadurch, dass das Bad, das in den Originalhäusern erst später eingebaut wurde, jetzt mit eingeplant ist, verändert sich auch der Raumzuschnitt. Da es bei den Nachbauten nur auf das äußerliche Erscheinungsbild ankommt, hat Denkmalschützer Hahn damit kein Problem.

Ob in den 60er Jahren noch weitere Häuser kaputt saniert wurden, wissen die Experten von Landesdenkmal- und Landesbaubehörde derzeit noch nicht. Um das zu beurteilen, müsste der Putz abgeschlagen werden.