Dieser Hammer war das Tatwerkzeug. Foto: M.Bernklau

Es geht am Landgericht in Tübingen um die Frage von versuchtem Totschlag oder Körperverletzung.

Tübingen/Simmersfeld - Das Tübinger Landgericht verhandelt gegen einen aus einer ehemaligen Sowjetrepublik stammenden Schlosser, der vor zwei Jahren in einer Simmersfelder Fabrik mit einem Hammer auf seinen Chef eingeschlagen haben soll – aus Groll über eine verweigerte Festanstellung.

Der 54-jährige Mann aus dem Raum Nagold – im Jahr 2002 mit der Familie aus der Gegend der usbekischen Hauptstadt Samarkand eingewandert – räumte gleich zu Beginn des Prozesses über seine Dolmetscherin den Angriff ein. Er berief sich aber auf Erinnerungslücken wegen seines damaligen Raucher-Entzugs und bestritt jegliche Tötungsabsicht.

Die Verletzungen des Produktionsleiters waren nicht ganz so schlimm. Der laut Anklage auf den Kopf gezielte Schlag mit dem gummibelegten Metallhammer hatte einen großen Bluterguss an der Schulter zur Folge. Aber als Zeuge schilderte der 58-Jährige, dem im Werk 450 Arbeiter und 30 Meister unterstehen, die bis heute nicht überwundenen seelischen Folgen der völlig unerwarteten Attacke.

Einer seiner Meister hatte den Schlag wohl abgelenkt. Zusammen mit einem dritten Beschäftigten konnte der plötzlich ausgerastete Arbeiter überwältigt und festgehalten werden, bis er sich beruhigt hatte. Sofort wurde im Personalbüro die Kündigung ausgesprochen und ein Verweis vom Gelände erteilt. Die aus ihrem Altensteiger Posten herbeigerufene Polizei fand den Angreifer bereits an der Bushaltestelle vor, in sich zusammengesunken und weinend.

In der Sowjetunion war der Angeklagte als Schlosser in einem Wasserkraftwerk beschäftigt gewesen. Das Chaos der staatlichen Auflösung bewog den Mann zur Aussiedlung nach Deutschland. Zwar starb die deutschstämmige Schwiegermutter kurz darauf, aber das Ehepaar fand bald Arbeit und Wohnung.

Zwischenzeitlich immer wieder entlassen und später neu eingestellt, soll der Schlosser insgesamt sechs Jahre als Leiharbeiter für Schweißarbeiten und zur Maschinenbedienung bei der Firma beschäftigt gewesen sein. Zwei Wochen vor dem Hammerangriff soll der 54-Jährige seinen zuständigen oberen Chef um eine Übernahme mit deutlich besserer Bezahlung gebeten haben. Denn er brauchte nicht nur für die Abzahlung der Wohnungskredite Geld, sondern auch zur Begleichung der Casino-Spielschulden des Sohnes.

Als das abgelehnt wurde und zudem drei kürzer Beschäftigte feste Stellen bekamen, muss der offenbar tief verbitterte Leiharbeiter mit einer Art Bummelstreik begonnen haben. Es kam zu einem lautstarken Streit mit einem Kollegen, dann mit dem Meister, der die Sache schließlich gemeinsam mit dem Produktionschef klären wollte.

Verletzter kann die Entschuldigung für die Tat nicht annehmen

Als die beiden sich seinem Arbeitsplatz näherten, soll sich der Angeklagte mit dem Ruf "Ihr Schweine! Ich schlag euch alle tot!" mit dem Hammer auf den Werksleiter gestürzt und zugeschlagen haben. Auch den Meister soll er danach anzugreifen versucht haben.

Der Angeklagte stritt die Drohung ab. Dafür könne er nicht genug Deutsch. Er habe einen Blackout mit Doppelsehen, Schwindel und Kopfschmerzen gehabt und sei erst wieder zur Besinnung gekommen, als er auf dem Boden festgehalten wurde. Seine Entschuldigung für die Tat – "wie auch immer das passiert ist" – konnte der Verletzte nicht annehmen. Er sei immer noch zutiefst verständnislos.

Zur Klärung der Frage, inwieweit eine Schuldminderung etwa durch den Nikotinentzug oder die damalige starke seelische Belastung des Angeklagten bestehen könnte, hat die fünfköpfige Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Ulrich Polachowski den psychiatrischen Gutachter Stephan Bork zugezogen.

Vor allem geht es aber darum zu entscheiden, ob der Rasende einen Tötungsvorsatz hatte. Dass der Kopf des Chefs das Ziel des Hammerschlags gewesen sei, bestätigten die Zeugen des Geschehens auch in ihren damaligen ersten Vernehmungen schon. Andererseits wurde die Kriminalpolizei nicht eingeschaltet. Erst der ermittelnde Staatsanwalt Ulf Gutfleisch sah (neben weiteren Vorwürfen) einen versuchten Totschlag als gegeben an.