Andreas Schleicher (weißes T-Shirt) kämpft zusammen mit seinen Berufskollegen für einen fairen Milchpreis. Foto: Bantle

Protest: Seit Monaten müssen sich Viehhalter mit Erzeugerpreisen von unter 30 Cent je Kilogramm zufrieden geben.

Niedereschach/Dauchingen - Die Milchviehhalter des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) stellten gestern in vielen Landkreisen Plakate mit dem Spruch "Merkel, Schmidt & Hogan wollen lieber Milchbauern ruinieren als die Milchmenge reduzieren!" auf.

Sie wollen damit ein Zeichen setzen, dass die Verweigerungshaltung der Bundesregierung und des Agrarministeriums sowie der EU-Kommission massiven Schaden bei den Milchbauern anrichtet, so der Kreisteamleiter des BDM und stellvertretende Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, Andreas Schleicher aus Dauchingen.

Alle Überlegungen, die größte Milchmarktkrise der letzten Jahrzehnte an den wirklichen Ursachen zu packen, würden verhindert. Die deutliche Ausweitung der Milchproduktion sei Schuld. Sie werde von Bundesminister Christian Schmidt mit Rückendeckung der Kanzlerin und auf EU-Ebene mit Hinweis auf den freien Markt durchgeführt, so Schleicher.

Seit über 24 Monaten, so Schleicher, fallen die Milchpreise, und seit mehr als zwölf Monaten müssen sich viele Milchviehhalter mit einem Milcherzeugerpreis von unter 30 Cent je Kilogramm Milch zufrieden geben. Aktuell liege die untere Preislinie bei 24 Cent pro Kilogramm.

Dem gegenüber stünden Futterkosten, Kosten für die Bestandsergänzung sowie sonstiger Aufwand (Tierarzt, Besamungskosten) in Höhe von 23,4 Cent je Kilogramm. Darin seien weder Arbeitskosten noch Kosten für Erhaltungs- und Neuinvestitionen, die Altersvorsorge sowie Sozialversicherungskosten enthalten.

Auch die weiteren Aussichten für 2016 seien alles andere als ermunternd. "Viele Milchviehhalter wissen längst nicht mehr, wie sie ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen sollen, doch die Bundesregierung und die EU-Kommission setzen sich trotzdem in keiner Weise für eine Marktumkehr ein", kritisiert Schleicher.

Andreas Schleicher, Kreisteamleiter des BDM: "Das ist menschenverachtend und unverhältnismäßig"

"Wer auf die so genannten Selbstheilungskräfte des freien Marktes setzt, baut darauf, dass irgendwann eine Markterholung schon dadurch eintreten wird, dass Milchviehhalter ihren Betrieb einstellen müssen. Das ist menschenverachtend und unverhältnismäßig, wenn man gleichzeitig die Möglichkeit hätte, sehr viel früher einzugreifen und mit politischem Handeln Anreize dafür zu setzen, dass überschüssige Milchmengen erst gar nicht produziert werden", so Schleicher weiter. Die Situation sei paradox.

Die Milchviehhalter wären bereit, die Milchmengen zu reduzieren, aber die Politik sperre sich. Es sei nötig, dass die Gesellschaft erfahre, wer dafür verantwortlich sei.

Neben der Plakat-Aktion findet in vielen Landkreisen auch eine weitere Aktion statt: Mit dem Versand von Milchtüten an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordern die Bauern zum Handeln auf. "Die Milchviehhalter wehren sich gegen eine Agrarpolitik, die nur die Interessen der Ernährungsindustrie im Blick hat und gleichzeitig sehenden Auges in Kauf nimmt, Milchbetriebe zu ruinieren", so Schleicher.

Info: So sieht sich der BDM

Der BDM als die Interessensvertretung der deutschen Milchviehhalter steht nach eigenen Angaben für eine gesellschaftsverträgliche, nachhaltige und vielfältige Milchwirtschaft zum Nutzen aller. Er betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit, dass sich die Milchviehbetriebe wirtschaftlich nachhaltig entwickeln können. Um dies zu erreichen, sollen mit dem Milchpreis die Vollkosten der Produktion gedeckt und die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Milchsektors gestärkt werden.

Nur ein Wirtschaften, das weitestgehend unabhängig von den Steuergeldern der öffentlichen Haushalte ist, sei langfristig zukunftsfähig. Die Milcherzeuger des BDM bringen sich auf politischer Ebene aktiv in die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Milchmarktes ein. Der Verbund ist der Überzeugung, dass eine Agrarpolitik nicht reine Klientelpolitik sein darf, wenn die Bürger ein Verständnis für die Anliegen der Landwirte und den Wert ihrer Produkte entwickeln sollen. Der Verband sucht den konstruktiven Dialog mit der Gesellschaft. Er ist wirtschaftlich und politisch unabhängig und nur den Interessen seiner Mitglieder verpflichtet. Offenheit, Transparenz, Toleranz und Demokratie sind Werte des Verbands.