Schwarzarbeit ist im Baugewerbe nichts Neues. Die Zunahme bereitet dem Zoll große Sorge.

Stuttgart - Er sei ein selbstständiger Fuhrunternehmer, erklärte der Mann auf der Baustelle dem Zöllner. Mit seiner Schubkarre transportiere er Baumaterial von einer Stelle zur nächsten. - Zollamtsrat Hans-Dieter Kainzbauer-Hilbert ist eigentlich nicht zum Lachen, wenn auf Stuttgarts Baustellen Razzien gegen Schwarzarbeit gemacht werden, aber in diesem Fall musste er doch über den Einfallsreichtum des Arbeiters schmunzeln.

Schwarzarbeit ist im Baugewerbe nichts Neues. Allerdings bereitet die Zunahme der sogenannten Scheinselbstständigkeiten auf dem Bau dem Zoll große Sorge. Dabei werden die Arbeiter in vielen Fällen gezielt im Ausland angeworben und oft ohne ihr Wissen von einem Mittelsmann oder ihrem vermeintlichen Arbeitgeber beim Gewerbeamt angemeldet. Um dies zu verschleiern, würde in vielen Fällen noch eine weitere Firma dazwischengeschaltet, die den Kontakt zu den Scheinselbstständigen hält. Durch diese Subunternehmer-GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) versucht sich der eigentliche Auftraggeber gegenüber den Behörden aus dem Schussfeld zu nehmen.

So entdeckte Anfang des Jahres der Zoll auf einer Großbaustelle im Rems-Murr-Kreis zahlreiche scheinselbstständig beschäftigte Arbeiter. Bei Abrissarbeiten in der Stuttgarter Innenstadt fielen kurz darauf 27 südosteuropäische Abrisshelfer auf, bei denen ebenfalls der Verdacht besteht, dass es sich bei ihrer selbstständigen Tätigkeit tatsächlich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Gegen den Auftraggeber der Arbeiter wurde ein Verfahren wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen eingeleitet.

Durch diese Umgehungstechniken würden laut Hauptzollamt in großem Umfang Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuer sowie Beiträge zu Berufsverbänden und Unfallkassen hinterzogen. Der Zollamtsrat rechnet vor: „Bei der Beschäftigung eines Scheinselbstständigen mit einem Monatseinkommen von 2000 Euro gehen dem Staat rund 250 Euro an Steuern und den Sozialkassen Beträge in Höhe von etwa 800 Euro verloren.” Außerdem führten diese Praktiken zu einer empfindlichen Störung des Wettbewerbs in der Baubranche.

Seite 2: Steuerhinterziehung im Fokus

Diesen Formen der Schattenwirtschaft wird vom Zoll seit 1991 mit einer eigenen Ermittlungs- und Verfolgungsbehörde Rechnung getragen. Im Fokus der sogenannten Finanzkontrolle Schwarzarbeit stehen dabei das Vorenthalten von Sozialabgaben und Steuerhinterziehung, die illegale Beschäftigung von Ausländern, der Leistungsmissbrauch und -betrug, Verstöße gegen den Mindestlohn und die Scheinselbstständigkeit. Allein im letzten Jahr überprüfte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamtes Stuttgart über 10 000 Personen an ihrer Arbeitsstelle. Das Ergebnis: Bei 2890 abgeschlossenen Strafverfahren wurde in den Urteilen und Strafbefehlen Geldstrafen in Höhe von 1,7 Millionen Euro verhängt und Freiheitsstrafen von insgesamt 57 Jahren erwirkt. Die Dunkelziffer bleibt aber nach wie vor hoch. Alle Beteiligten verdienen etwas daran und haben ein großes Interesse, die Sache unter dem Tisch zu halten. „Bei Befragungen stoßen wir auf eine Mauer des Schweigens, oder man macht uns ein X für ein U vor”, ist die Erfahrung des Zollamtsrats. Die Ermittlungsarbeit wird der Finanzkontrolle Schwarzarbeit auch dadurch erschwert, dass die Beschäftigungsverhältnisse meist nur mündlich vereinbart werden und ansonsten keinerlei Schriftverkehr vorliegt. „Wir landen aber regelmäßig auch Treffer”, freut sich der Zollexperte. Zumal seine Kollegen mittlerweile auch genügend Erfahrung hätten, „wie die Sache so läuft”. Trotzdem sei die Ermittlungsarbeit sehr aufwendig. Erschwert werde dies auch noch dadurch, dass viele dieser Firmen ständig ihre Identität wechseln würden oder sehr mobil seien. Unternehmen, die heute noch in Stuttgart operieren, können wenige Tage später schon ihre Arbeiter auf einer Baustelle in Hamburg oder Dresden einsetzen.

Deshalb führt die Finanzkontrolle Schwarzarbeit auch immer wieder unangekündigte Kontrollen durch. So auch Anfang Mai, als über fünf Tage verteilt auf 160 Baustellen im Großraum Stuttgart 216 Unternehmen und 620 Beschäftigte vom Zoll kontrolliert wurden. Dabei wurden zwei Arbeiter entdeckt, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Bei vier weiteren Arbeitern besteht der Verdacht der Scheinselbstständigkeit. Je größer ein Bauprojekt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es Schwarzarbeit im einen oder anderen Fall gibt. Zwar versuchen sich die seriösen Unternehmen mit allerlei Mechanismen wie Baustellenkontrollen, Sichtausweisen für alle registrierten Mitarbeiter oder Zertifizierungssystemen für ihre Subunternehmer gegen die Schwarzarbeit zu wappnen, ganz gelingt es aber nicht immer, weiß auch Hans-Dieter Kainzbauer-Hilbert.

Die Kontrollen des Hauptzollamtes erstrecken sich dabei aber nicht nur auf die großen Baustellen. Die Zöllner schauen sich auch durchaus mal die eine oder andere Baustelle in der Neubausiedlung an, wenn sie den Verdacht haben, dass etwas verschleiert werden könnte. Manchmal ist es der Tipp eines Nachbarn, dass abends ein und derselbe Handwerker noch werkelt oder immer nur am Wochenende an dem Wohnhaus gebaut werde, was die Fahnder auf den Plan ruft. Und dann ist es auch wieder Kollege Zufall, durch den die Ermittler einen Treffer landen. Für die Ertappten wird das nicht nur teuer, sondern zieht unter Umständen auch ein Strafverfahren nach sich. Wer zum Beispiel am Samstagnachmittag noch schnell mal „schwarz auf die Hand” auf der Baustelle des Freundes eine Mauer hochzieht oder die Fenster einbaut, macht sich nicht nur der Vorenthaltung von Sozialabgaben schuldig sondern hinterzieht auch Steuern.

Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Krankengeldbezieher oder in bestimmten Fällen auch Rentenbezieher sind ebenfalls verpflichtet, Einkommen, das sie durch Erwerbstätigkeit erzielen, der leistungsgewährenden Stelle mitzuteilen. Tun sie dies nicht, drohen empfindliche Strafen, und die unrechtmäßig in Anspruch genommenen Leistungen werden zurückgefordert, so die Zollverwaltung.

Hans-Dieter Kainzbauer-Hilbert beruhigt aber alle jene Häuslebauer, die sich am Wochenende unentgeltlich von Freunden oder Nachbarn helfen lassen. „Das ist etwas ganz anderes, sofern es unentgeltlich erfolgt”, betont der Zollamtsrat.