Gymnasial-Schulleiter Bernhard Denning (links) und seine Lehrer geben die Macht über die Schule vier Tage lang ab. Foto: Yannick Wegner/Stephan Wegner

Eine Übung fürs Zusammenleben. Aus Gymnasium wird Republik Berneckküste.

Schramberg - Schon auf dem Schulhof des Gymnasiums wir ersichtlich: Hier ist ein eigener Staat entstanden. Und dies nicht nur wegen der "Grenzkontrollen": Zahlreiche Schülerbetriebe haben sich ausgebreitet und bieten Waren oder Dienstleistungen an.

Es sei immer sehr schwierig, die Macht über eine Schule und deren grandioses Bestehen für eine begrenzte Zeit abgeben zu können, so die "Staatspräsidentin" Vera Petri, doch diese Worte hinderten Schulleiter Bernhard Dennig nicht daran, die Kontrolle über die Schule in die Hände eines demokratisch gewählten Schülerparlaments zu geben.

Nachdem die eigentlich geplante konstitutionelle Monarchie vom Parlament bereits im Vorfeld abgeschafft worden war, gründeten die jungen Politiker eine Republik und bestimmten eine Präsidentin. In ihrer Eröffnungs rede erwähnte diese den meist schwierigen, umfangreiche und auch langen Weg der Parteienbildung und Betriebsgründung, die insgesamt ein Jahr dauerte. "Vor dieser öffentlichen Woche merkte man immer wieder, zu welchen Überraschungen ein demokratischer Staat fähig ist", sagte die Staatspräsidentin, die wie viele andere der Organisatoren aus dem Schülerkreis jüngst ihr Abitur abgelegt hat. Und anstelle mit anderen Absolventen auf Korfu zu feiern, unterstützt sie in dieser Woche ihre Schule bei der Umsetzung des Projekts "die Schulgemeinschaft näher zusammenwachsen zu lassen.

600 Schülern in der Aula

"So sei es bei "Schule als Staat" zum ersten Mal so, "dass nicht die Lehrer das Sagen haben und über den Schülern stehen. Alle Mitglieder dieser Schule sind ab heute bis Samstag gleichberechtigt und können sich ihrer eigenen Kreativität folgend in das Projekt einbringen", sagte Petri vor den rund 600 Schülern in der Aula. Sie hatten alle zuvor einen Ausweis als Bürger erhalten und sich über elektronische Lesegeräte eingebucht. Lediglich ein einziger Schüler habe diesen Ausweis vergessen, freute sich Lehrer Christoph Bihlmaier, der quasi "als Auskunftei, die auch nur wenig weiß", im Foyer der Mensa die Schülerströme leitete. Dies auch deshalb, weil bis zum Start des Projekts noch geplant und umgeplant, angepasst und verändert wurde: Den finalen Plan mit allen Aktionen konnte Fabian Fehrenbacher vom Organisationsteam erst am Morgen abschließen.

Dass es in manchen Bereichen auch Anlaufschwierigkeiten gab, ist bei solch einer Veranstaltung unvermeidbar. So fehlten am Montagmorgen noch die Staatsgrenzen, sprich Absperrbänder, und beim Wareneingang, über den alle Waren zu Euro-Preisen eingekauft und zu Berneckmark dann den Firmen und Einzelunternehmen zur Verfügung gestellt werden, gab es einen solchen Andrang, dass sich der stellvertretende Schulleiter Matthias Dobler erbarmte und als "Aushilfe" einsprang.

"Nur wenn wir alle unsere Aufgaben und Rechte wahrnehmen, können wir diese Zeit als Staat genießen", forderte Petri ihre Mitschüler zum aktiven Gestalten auf. Eines sei sicher: "Die Erfahrungen aus den nächsten Tagen werden allen noch ewig in Erinnerung bleiben. Freut euch nun, in eine Rolle schlüpfen zu können." Es seien neue Dimensionen, die eröffnet würden und "unser Ziel ist es, dass jeder seinen Weg findet und schon mal einen kleinen Vorgeschmack davon bekommt, wie das Leben aussieht".

Erste Sitzung des Parlaments

Wie schnell sich etwas verändert, merkte die Staatspräsidentin gleich in der ersten Sitzung des Parlaments: Nachdem festgestellt wurde, dass nach der Abschaffung der zuerst geplanten Monarchie das Amt des Staatspräsidenten gar nicht in der Verfassung verankert wurde, musste dies nachgeholt werden. Allerdings entschied sich eine Mehrheit von 15:13 bei den Parlamentariern dafür, eine erneute Bewerbungsrunde auszuschreiben – und nicht einfach die bisherige Präsidentin zu wählen.

Petri nahm diese Absetzung kämpferisch auf und kündigte an, "jetzt für sich eben Werbung machen zu müssen". Enttäuscht sei sie nicht, sagte sie im Gespräch, sie habe damit gerechnet, dass die Elftklässler auf ihre Absetzung drängten. Die neue Wahl soll heute erfolgen.

Eltern, Geschwister und alle Interessierten können die "Schule als Staat" heute, Donnerstag, und morgen, Freitag, von 7.35 bis 16.30 Uhr sowie am Samstag, 21.Juli, von 11 bis 15 Uhr besuchen – zum Miterleben, Zuschauen, Einkaufen, Essen, Trinken oder Chillen. Visumsgebühr und Zwangsumtausch betragen zusammen vier Euro, ermäßigt zwei.