Das Bühnenbild ist bewusst minimalistisch gehalten. Im Zentrum stehen Leila (Elisandra Melián), Zurga (Paul Jardach), Nadir (Dennis Marr) und Nourabad (Lukas Schmid-Wedekind), aber auch der Chor nimmt eine tragende Rolle ein. Foto: Hartmann Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Theaterring beendet aktuelle Spielzeit mit "Die Perlenfischer" / Regisseure greifen in dramaturgischen Zauberkoffer

Die Freundschaft zweier Männer, die Liebe beider zur selben Frau und ein enges gesellschaftliches Korsett – das sind die Hauptzutaten der Handlung von Georges Bizets Oper "Die Perlenfischer", mit der der Theaterring Schramberg die Spielzeit 2018/19 beendet hat.

Schramberg. Das erste Opernwerk des gerade 24-jährigen Georges Bizet zeugt in seinen drei Akten eindrücklich von seinem großen Talent als Komponist und beinhaltet mit "Au find du temple saint" wohl eines der schönsten Männerstimmenduette der Operngeschichte. Trotz der beeindruckenden musikalischen Qualität haben es "Die Perlenfischer" neben Bizets Welterfolg "Carmen" auch heute noch eher schwer. Da ist einerseits das oft als schwach kritisierte Libretto (der Text der Oper), andererseits haftet ihr schon allein durch den Handlungsort Ceylon ein gewollt exotisch-fernöstlicher Kolorit an, das heute eher Unbehagen verursacht.

Der Pariser Bizet mit seiner Faszination für alles Fremde, für die Exotik des indischen Subkontinents und eben auch dessen haarsträubend klischeehafter Darstellung in jeder Hinsicht ein Kind seiner Zeit – für moderne Inszenierungen stellt dieser Aspekt aber keine geringe Herausforderung dar.

Die beiden Regisseure Olivier Desbordes und Eric Perez, welche "Die Perlenfischer" als Kooperation zwischen dem Theater Pforzheim und dem Festival de Saint-Céré inszenierten, begegnen den dramaturgischen Herausforderungen von Bizets Oper mit einem beeindruckenden Griff in ihren dramaturgischen Zauberkoffer: Sie verlegen die gesamte Handlung der Oper in die Traumebene. Das bewusst minimalistische Bühnenbild von Ruth Große ähnelt einem weißen, überdimensionalen Bett auf dem sich die gesamte Handlung abspielt. Videoprojektionen auf die weiße Spielfläche bestärken die traumgleiche Atmosphäre und sorgen durch Ausschnitte indischer Feste und Trancezeremonien für einen Hauch Mystik ohne allerdings in unreflektierte Exotik abzugleiten.

Wenn Zurga vor den Bildern marschierender britisch-indischer Militärs eine der wenigen verwendeten Requisiten, ein überdimensionales kreuzförmiges Schwert in die Höhe streckt, weckt dies unweigerlich durchaus kritische Assoziationen zum Kolonialismus – und zur Verwendung eines Kulturraums als bloße Kulisse.

Die traumhafte Einfärbung der Handlung, das gewissermaßen von den Protagonisten selbst erträumte Universum, lenkt den Blick weg von den oft diagnostizierten Schwächen der Opernhandlung – niemand erwartet von einem Traum komplexe Figurenentwicklungen und Handlungsstränge. Stattdessen gibt es viel Raum für große Gefühle und stimmungsvolle Bilder, welche die sinnliche Musik Bizets ihre volle Magie entfalten lassen.

So bekam nicht nur die von Bläsern umspielt, von Elisandra Melián mit ihrem klarem, ausdrucksvollen Sopran gesungene Arie der Leila "Me voilà seule" Szenenapplaus. Dennis Marrs heller, lyrischer Tenor als Nadir kontrastierte hervorragend mit Paul Jardach, der Zurgas Zerrissenheit mit seinem warmen, voluminösen Bariton auf die Bühne brachte.

Eine tragende Rolle nimmt der Chor ein – in diesem Fall Opern- und Extrachor des Theaters Pforzheim – der, ähnlich des Chors einer griechischen Tragödie, stets auf oder hinter der Bühne präsent ist ohne direkt ins Geschehen involviert zu sein. Tatsächlich malten Markus Huber und die Badische Philharmonie Pforzheim den melodischen Reiz und die dramatische Spannung in Bizets Partitur derart bezwingend aus, dass eine weniger zurückhaltende Inszenierung die Aufführung völlig überfrachtet hätte.

Das Ensemble des Pforzheimer Theaters bewies eindrucksvoll, dass Bizets Oper eben nicht, wie es gelegentlich heißt, uninszenierbar ist und auch nicht zwingend zum Edelkitsch verkommen muss – im Gegenteil.