Bestattungswald. Auch in Schramberg sollen hierfür Flächen ausgewiesen werden. Foto: Büttner

Landschaftsplaner rät der Stadt von Krematorium und Friedwald ab. Schwermetalle werden freigesetzt.

Schramberg - Braucht Schramberg ein eigenes Krematorium und gehört eine solche Einrichtung in ein Industriegebiet? Am Donnerstag geht die Diskussion im Gemeinderat weiter. Bislang beherrschten vor allem Fragen der Wirtschaftlichkeit und Pietät die Debatte, außerdem der Aspekt, ob das Bestattungswesen privatisiert werden soll. Andreas Morgenroth, Landschaftsplaner und Berater, sieht aber noch ganz andere Probleme.

Herr Morgenroth, braucht eine Stadt mit 21.000 Einwohnern ein eigenes Krematorium?

Nein. Statistisch dürfte es damit rund 200 Todesfälle im Jahr geben, etwa die Hälfte davon sind durchschnittlich Einäscherungen. Das reicht nicht für einen wirtschaftlichen Betrieb eines Krematoriums, da müsste der Betreiber schon im weiten Umfeld akquirieren. Die Stadt bräuchte eher Beratung, was hinter dem ganzen Thema Krematorium sonst noch steckt.

Was spricht aus Ihrer Sicht gegen Einäscherungen?

Umweltgründe. Denn erstens besteht der menschliche Körper bekanntlich überwiegend aus Wasser und benötigt viel fossile Energie, um in Asche verwandelt zu werden. Zweitens: Totenaschen sind schwermetallbelastet, veröffentlichten Analysen zufolge mit bis zu 4000 Milligramm allein des Schwermetalls Chrom pro Kilo. Zum Vergleich: Die Vorsorgewerte für Böden laut Bodenschutzverordnung sind bei 30 bis 100 Milligramm, je nach Art der Böden, festgeschrieben.

Woher kommt das Schwermetall?

Nach derzeitiger Kenntnislage hängt das offenbar vor allem mit dem im Kremationsofen verbauten Hochleistungsstahl zusammen. Heutige Krematorien werden bei hohen Verbrennungstemperaturen von 850 bis 1200 Grad gefahren. Um solchen Temperaturen standhalten zu können, werden hitzebeständige Chrom-Nickel-Stähle verbaut, die aber wiederum den Nachteil haben, dass bei jeder Einäscherung etwas davon abplatzt und sich in den Aschen anreichert. Eigentlich müssten die Aschen dekontaminiert werden, bevor sie auf Friedhöfen oder gar in Friedwäldern beigesetzt werden. Technisch möglich ist das und wird bei den Aschen aus Müllverbrennungsanlagen angewandt, erscheint für Totenaschen aber nicht sehr pietätvoll und wäre auch mit zusätzlichen Kosten verbunden.

Sie kritisieren also die Krematorien, aber auch das Bestatten der Aschen in Wäldern?

Ja. Schlimm genug, dass mit dem Einäschern viel fossile Energien benötigt und im Ofen Schwermetalle freigesetzt werden. Aber dann noch kontaminierte Aschen in die Wälder vergraben, alles in Sulgen? Ich habe nichts gegen privatwirtschaftliche Ideen und verstehe auch, dass es interessant sein könnte, die Aschen gleich in der Nähe beizusetzen, denn es kommen ja mit der Zeit viele Tonnen zusammen. Aber wo ist denn das Gemeinwohlinteresse dabei? Die Frage sollte doch eher sein: Was können wir tun, um unnötige Umweltbelastung in Wäldern zu vermeiden? Gibt es nicht auch Bäume auf Friedhöfen? Dort sind die Böden schon vorbelastet und auch keine so sensiblen Naturbereiche wie Wälder. Im Übrigen: Schon seit Napoleons Zeiten gibt es strenge Auswahlkriterien: Friedhöfe sind besonders geeignete Flächen, sie sollten etwa nicht von Bächen durchspült werden, außerdem homogene Boden- und Grundwasserverhältnisse aufweisen.

Viele Menschen nehmen über Jahre Medikamente. Ist es nicht besser, sie nach dem Tod zu kremieren?

Bei einer Körperbestattung wird durch den langsamen Abbau auch die Freisetzung von Medikamenten stark verlangsamt. Vieles ist da völlig unbedenklich. Bei chemo- oder radioaktiver Behandlung allerdings bedarf es wissenschaftlicher Expertise, hier wissen wir noch zu wenig über die Freisetzung.

Was sagt die Wissenschaft zum Einäschern?

In den Niederlanden gab es schon in den 90er-Jahren sehr detaillierte Untersuchungen, die auch auf deutsch vorliegen. Weitere Aufklärung ist durch die laufende Seminarreihe über Totenaschen bei der deutschen Bundesstiftung Umwelt zu erwarten. Ich stütze meine Bewertungen auf Veröffentlichungen von Kremationsexperten aus Deutschland und den Niederlanden.

Nicht alle Urnen werden in Friedwäldern beigesetzt. In fast jeder Gemeinde gibt es mittlerweile Urnenwände oder -felder. Was geschieht mit den Aschen, wenn die Ruhezeit abgelaufen ist?

Sie dürfen ihrer Charakteristik nach jedenfalls nicht auf Hausmülldeponien entsorgt werden.

Wie möchten Sie eines Tages bestattet werden?

Ich will im letzten Akt meines Lebens nichts veranlassen, das meiner Überzeugung widerspricht und daher im Sarg bestattet werden. Die Natur regelt alles Weitere von selbst.

Seite 2: Zur Person

Andreas Morgenroth (59) ist freiberuflicher Landschaftsplaner in Hamburg. Er ist Berater in Friedhofsangelegenheiten, auch für Friedwald-Interessenten. Den Schwerpunkt legt er dabei auf Umweltschutzfragen. Er verfolgt über seine Netzwerk-Kontakte die Debatte in Schramberg. Im Augenblick geht es um ein Human-Krematorium, dass ein privater Investor im Industriegebiet Hirtenwald in Sulgen bauen will, direkt neben dem Tier-Krematorium. Ferner will die Stadt im neuen Flächennutzungsplan zwei Standorte für Friedwälder ausweisen, im "Feurenmoos" in Sulgen und am "Falkenstein" in der Talstadt.