Diesmal konnte der Angeklagte mit einem Freispruch nach Hause gehen. Foto: Fritsche

Konfuse Zeugenaussagen retten Angeklagten aus dem Irak vor weiterer Verurteilung.

Schramberg/Oberndorf - Die öffentliche Hauptverhandlung wegen Vergehens gegen das Gewaltschutzgesetz vor dem Amtsgericht endete mit einem Freispruch für den Angeklagten.

Damit blieb es für den Beschuldigten bei zwölf Vorstrafen, darunter mehrere Jahre Gefängnis, unter anderem wegen Raub und räuberischer Erpressung, wie der Direktor des Amtsgerichts Oberndorf, Wolfgang Heuer, aufzählte. Bis zu einen Jahr Gefängnis oder Geldstrafe hätten ihm bei einer Verurteilung diesmal gedroht, führte die Staatsanwältin aus. 2001 ist der Beschuldigte M. aus dem Irak nach Deutschland gekommen. Er stammt aus der Gegend von Bagdad, ist nach wie vor irakischer Staatsbürger. Aufenthaltsrechtlich hat er den Status "Duldung", also die "vorübergehende Aussetzung der Abschiebung" von ausreisepflichtigen Ausländern. Seinen Wohnsitz hat M. in der Schramberger Talstadt.

Vor dem Amtsgericht Oberndorf ist er ohne Verteidiger erschienen. Die Fragen und Vorhalte von Richter Heuer und der Staatsanwältin wird er ohne zu zögern routiniert beantworten, wie sich im Lauf des Prozesses zeigt. Auch die Frage von Richter Heuer, warum er keinen früheren Bus von Schramberg nach Oberdorf genommen habe, denn die öffentliche Hauptverhandlung am Mittwochvormittag begann mit einer Viertelstunde Verspätung.

Die Staatsanwältin trägt die Anklage vor. M. habe das vom Amtsgericht nach dem Gewaltschutzgesetz erlassene Kontaktverbot mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin mehrfach verletzt. Im einzelen zählt die Staatsanwältin vier Fälle nachts beim Haus der Klägerin oder beim Rathausplatz in der Talstadt auf, einige davon auch in Verbindung mit massiver Bedrohung und Beleidigung. Insgesamt Verstöße "gegen eine Latte von Paragrafen". Bevor Richter Heuer die Zeugen aufruft, will er sich ein Bild vom Beschuldigten machen. M. antwortet jedoch zunehmend vage auf Heuers Fragen. Hat M. nun nur zwei Monate oder ein Jahr lang in den 19 Jahren in Deutschland gearbeitet, hat er jetzt Arbeit auf dem Bau in Oberndorf – alles bleibt unklar, M. lässt sich nur vage dazu ein.

Klar ist aber: M. erhält 340 Euro monatlich zuzüglich Unterkunft und Nebenkosten vom deutschen Staat. Richter Heuer will wissen, was M. dann 19 Jahre lang gemacht hat. M. windet sich: Zu Hause sein und im Café sitzen mit Bekannten. M. weiß auch auf Nachfrage nicht den Nachnamen seiner neuen Freundin irgendwo bei Stuttgart, die er inzwischen haben will. Und sowieso, beteuert M., wolle er schon länger wieder in den Irak zurück, was aber aus bürokratischen Gründen nicht gehe. Heuer kann das nicht glauben: "Warum sind Sie noch hier in Deutschland, wenn Sie in den Irak wollen, wenn Sie jetzt zurückgehen, wird das Verfahren eingestellt". Dann ruft Richter Heuer die Zeugen auf, die aber auch kein Licht ins Geschehen bringen: Die beiden Polizisten vom Polizeirevier Schramberg haben nur die Anzeige der Klägerin und ihrer Mutter aufgenommen und keine unabhängigen Zeugen befragen können.

Und Klägerin und deren Mutter, anschließend unabhängig voneinander befragt, geben völlig voneinander abweichende Darstellungen der früheren Beziehung zwischen Klägerin und Beschuldigten M.: War es nur eine Freundschaft? Oder war es auch eine intime Beziehung? Oder gab es überhaupt keine Beziehung? Wofür waren die 8000 Euro, die die Klägerin bei der Bank geliehen und dem Beschuldigten gegeben hat? Wurde die chronische Krankheit der Tochter ausgenutzt? "Was genau passiert ist, lässt sich nicht aufklären", erklärte die Staatsanwältin. Die Aussagen der Zeuginnen seien nicht belastbar gewesen. Obwohl "etwas Schräges" gelaufen sein dürfte.

"Bleiben Sie in Zukunft auf Abstand", mahnte sie M. und beantragte Freispruch. Heuer folgte dem Antrag, die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Heuer ärgert sich aber nicht nur über den verursachten erheblichen Aufwand. Im Schlusswort knöpfte er sich M. vor: "Ich wünsche mir, dass Sie jetzt Taten folgen lassen und in den Irak zurückgehen. Wenn Sie hier keinen Ärger mehr machen, kommen Sie auch nicht wieder ins Gefängnis. Der Gipfel der Unverschämtheit ist für mich aber, dass Sie sagen, der Staat hindere Sie daran, in den Irak zurückzugehen". Und mit Blick auf die von einer kranken Frau genommenen 8000 Euro fragte Heuer: "Wo ist Ihre persönliche Ehre?"