Abschied von den Glocken der evangelischen Stadtkirche in Schramberg am 24. Juni 1917. Von links: Mesner Konrad Kohler, Rektor Christian Schick und Stadtpfarrer Wilhelm Duisberg. Fotos: Stadtarchiv Schramberg Foto: Schwarzwälder-Bote

Serie: "Der Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg" (Teil 9) / Zum Abschied teilweise mit Blumen geschmückt

100 Jahre ist es heute her, dass im Ersten Weltkrieg zahlreiche Glocken aus dem Raum Schramberg abtransportiert wurden, die von Gebäuden abgehängt wurden, um in den Rüstungsfabriken zu Waffen und Munition eingeschmolzen zu werden.

Schramberg. "Ihr Heimat-Glocken mit eurem lieblichen Klang, so oft ihr ertönt zu Freud und Leid, durch unser herrliches Tal entlang, ihr seid zu Scheiden jetzt bereit." Mit diesen Zeilen beginnt ein Gedicht mit dem Titel "Zum Abschied der Kirchenglocken", das im "Schwarzwälder Tagblatt" vom 22. Juli 1917 veröffentlicht wurde und wahrscheinlich der Schrambergerin Karoline Grüner (1857 bis 1929) zuzuschreiben ist. Die Autorin gibt in diesem Gedicht die Gefühle der Zeitgenossen an der Schwelle zum vierten Kriegsjahr wieder. Die Hoffnung auf einen schnellen Sieg war schon lange verflogen. Die Abnahme der Kirchenglocken war ein besonders bedrückendes Zeichen für den Ernst der Lage. "Der Abschied von euch, er fällt schwer, das können wir nicht verhehlen", heißt es in dem Gedicht, "und eine Träne, vielleicht auch mehr, wird aus manchem Auge sich stehlen."

Insgesamt wurden im Deutschen Reich schätzungsweise 65 000 Glocken für die Rüstungsproduktion eingezogen. Verschont wurden nur Glocken mit einem "besonderen Kunst- oder Altertumswert". Unter diese Ausnahmeregelung fielen im damaligen Oberamt Oberndorf nur drei Glocken in Alpirsbach, Hochmössingen und Römlinsdorf, die aus dem 15. Jahrhundert stammten. Auf die Abgabe der übrigen Glocken wurde durch die Heeresverwaltung ein starker Druck ausgeübt. Jede Kirche durfte nur eine Glocke – meistens die kleinste – behalten. Für die Glocken bekamen die Kirchengemeinden und Gebäudeeigentümer Entschädigungen ausbezahlt. Auf den Sammelstellen – den so genannten "Glockenfriedhöfen" – kamen viele Tausend Glocken zusammen, bevor sie in den Schmelzöfen verstummten.

Abschiedsfeier

In Schramberg nahm am 24. Juni 1917 zunächst die evangelische Kirchengemeinde Abschied von ihren Glocken, die nach dem Gottesdienst das letzte Mal zusammen läuteten. In einer kurzen Abschiedsfeier sprach Stadtpfarrer Wilhelm Duisberg zu den Gemeindemitgliedern: "Aber unsere Glocken sind für uns nicht bloß ein Stück Metall, etwas Totes und Lebloses, sondern sie haben gewissermaßen etwas Persönliches an sich […] Wie manches Mal durften unsere Glocken froh und freudig eine Siegesnachricht hinaus in die Lüfte jubeln; wie manches Mal haben sie einem gefallenen Helden zu Ehren den Klagegesang angestimmt […] Das Vaterland braucht euch, das Vaterland ruft euch, ihr trauten Heimatglocken." Einen Tag später wurden die Glocken abgenommen.

Die evangelische Kirchengemeinde hatte sich zuvor noch darum bemüht, statt der großen die kleine Glocke abgeben zu dürfen, da sie einen "besonders schönen, klangvollen Ton" besaß und eine Stiftung der Familie Junghans war. Dem Antrag war jedoch kein Erfolg beschieden. Die Abnahme der 1500 Kilogramm schweren Hauptglocke wäre aber aus technischen Gründen beinahe nicht möglich gewesen.

Die Glocken der katholischen Stadtpfarrkirche Maria Himmelfahrt und der kurz nach Kriegsbeginn eingeweihten Heilig-Geist-Kirche läuteten am Abend des 8. Juli 1917 das letzte Mal. Die katholische Kirchengemeinde verzichtete auf eine Abschiedsfeier. "Opferbereit sehen wir die ehernen Verkünder von Freud und Leid scheiden", wurde damals im "Schwarzwälder Tagblatt" geschrieben, "mögen sie uns das bringen, was wir schon lange erhoffen: einen ehrenvollen, dauernden Frieden."

In der Pfarrchronik der katholischen Kirchengemeinde wurde indes noch eine andere Stimmung für die Nachwelt festgehalten: "Viele Leute sehen darin, daß die Glocken zu menschenmörderischen Werkzeugen umgegossen werden, ein böses Vorzeichen!"

Am 28. Juli 1917 wurden alle in der Raumschaft Schramberg abgenommenen Glocken auf den Bahnhof in Schramberg gebracht. Insgesamt waren 31 große und kleine Glocken versammelt. Die meisten Glocken waren aus Schramberg. Drei Glocken musste die katholische Stadtpfarrkirche Maria Himmelfahrt abgeben, jeweils zwei Glocken waren von der katholischen Heilig-Geist-Kirche und der evangelischen Stadtkirche. Jeweils eine Glocke mussten die Falkensteiner Kapelle, die Eretskapelle, die Kirnbachkapelle, die Paradieshofkapelle und die Spitalkapelle opfern.

Luftige Höhen

Drei Glocken musste die Stadt Schramberg hergeben (Rathaus und Berneckschule), zwei Glocken wurden von der Familie Knieß beschlagnahmt (Auf dem Heideckle 2). In Schramberg blieben nur die kleinen Glocken auf den Kirchtürmen, die Feuerglocke aus dem Jahr 1748 auf dem Rathausturm und eine Glocke in der Berneckschule zurück. Aus Sulgen, Heiligenbronn und Hardt wurden jeweils drei und aus Lauterbach und Mariazell jeweils zwei Glocken nach Schramberg gebracht. Die Nummer 31 war zum Schluss die Glocke der Hofkapelle von Franz Xaver Klausmann (1882 bis 1960) vom "Bascheshof" in Hardt. Zum Teil waren die Glocken zum Abschied mit Blumen gekränzt. Voller Hoffnung schrieb Karoline Grüner schließlich in ihrem bereits zu Beginn erwähnten Gedicht: "Möge die Zeit bald kommen, in der die Glocken, wenn auch in neuem Gusse, auf ihre luftigen Höhen zurückkehren."

Die Serie "Der Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg" des Stadtarchivs Schramberg berichtet in Kooperation mit dem Schwarzwälder Boten seit 2014 über das damalige Geschehen und stellt bisher unbekannte Quellen vor. Zur Mitarbeit sind alle Interessierten eingeladen und können sich beim Stadtarchiv melden. Unterlagen aus dem Ersten Weltkrieg, die für die Serie genutzt werden könnten, sind jederzeit willkommen. Weitere Infos: E-Mail: stadtarchiv@schramberg.de. Telefon: 07422/2 92 63.