"Keine schlaflosen Nächte": Schulleiter Wiesemann, Chemiker Zöltzer von der Uni Stuttgart, der zuständige Dezernatsleiter Kramer und Gesundheitsamts-Chef Adam (von links). Foto: Rath

Formaldehyd-Werte an Berufsschule erhöht – aber unter kritischem Wert. Kreis will Problem lösen.

Schramberg-Sulgen - Die Schadstoffbelastung mit Formaldehyd in Gebäude C des Berufsschulzentrums in Sulgen übersteigt zwar den Richtwert. Er liegt aber unter der Konzentration, die als gesundheitsgefährdend gilt. Die Probleme sollen behoben werden.

Mit dieser Botschaft warteten am Donnerstag Vertreter des Landkreises, der Schulleitung, des Gesundheitsamts Rottweil sowie ein Sachverständiger der Universität Stuttgart auf. Derzeit sind die Beteiligten dabei, den Grund für die Belastung zu finden. Indizien sprechen dafür, dass die alten Pressspan-Deckenplatten ausdünsten. "Die Quelle muss großflächig sein. Das spräche für den Deckenbereich", so Dieter Zöltzer. Der promovierte Chemiker ist Mitarbeiter der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart. In zwei Wochen will er in dieser Frage schlauer sein.

Kreisweite Messungen

Im Augenblick ruht der Schulbetrieb wegen der Pfingstferien. Übernächste Woche soll er ganz normal wieder aufgenommen werden. "Angesichts der Messergebnisse wäre eine Schließung eine völlig überzogene Maßnahme", so Heinz-Joachim Adam, Leiter des Gesundheitsamts des Landkreises. Die Messergebnisse, die von Fachinstituten der Uni Freiburg analysiert worden seien, bereiten ihm jedenfalls "keine schlaflosen Nächte".

Das Landratsamt habe die Schule "umgehend" informiert und andere Schritte in die Wege geleitet. Unter anderem erging Weisung an die Schulleitung, sämtliche Räume regelmäßig zu lüften. Eine stillgelegte Lüftungsanlage, an die alle Räume angeschlossen sind, werde wieder in Betrieb genommen. Derzeit sei eine Firma damit beschäftigt, die Schächte zu reinigen. Zwei Klassenräume bleiben gesperrt. In ihnen sollen Sachverständige untersuchen, wo die Belastung herkommt. "Die Messwerte liegen unterhalb der Reizungsschwelle. Aber klar, wir haben Handlungsbedarf", sagte Gerald Kramer, Dezernatsleiter und unter anderem zuständig für das Schulwesen. Ziel sei es, den Richtwert zu erreichen, nach Möglichkeit zu unterbieten. "Wir wollen das dauerhaft in den Griff bekommen", so Kramer. Bereits in den 80er-Jahren hatte es erhöhte Formaldehyd-Werte in der Schule gegeben. Damals wurden neue Schränke der 1979 gebauten Gebäude gleich wieder rausgerissen. Fortan habe das Problem nach Kontrollmessungen als gelöst gegolten. Möglicherweise sei die Konzentration von Formaldehyd in der Raumluft zuletzt durch den Einbau neuer, hochdichter Fenster gestiegen. Sie wurden vor rund drei Jahren eingebaut. "Überall, wo hocheffektiv gedämmt wird, muss die Raumlüftung aktiv betrieben werden. Generell", so Adam.

Aufgefallen war die erhöhte Schadstoff-Konzentration bei zwei Routine-Messungen Ende März und Anfang Mai. Anlass: Der Landkreis will Gebäude C am Berufsschulzentrum im Sommer ohnehin umbauen lassen, die Messungen gehören laut Kramer zu den Vorbereitungen. Die beiden bislang selbstständigen Berufsschulen Ludwig-Erhard-Schule und Friedrich-Ebert-Schule sollen zusammengeführt werden. Im Gebäude C werden die gemeinsame Schulleitung und Lehrerräume untergebracht. Ferner ist der Bau einer Mensa geplant.

Im Zuge des Umbaus will der Kreis die Formaldehyd-Quellen trockenlegen. Inwieweit das Problem Folgen für Kosten- und Zeitplan hat, lasse sich im Moment nicht abschätzen. Offen ist außerdem, ob es weitere Gebäude gibt, die erhöhte Schadstoffe in der Raumluft aufweisen. Gerald Kramer sagte zu, dass die Messungen aufgrund der aktuellen Ergebnisse auf die anderen Gebäude in Sulgen ausgedehnt werden sollen, ferner auf die Berufsschulen in Rottweil, Oberndorf und Sulz. "Ich sehe eine Handlungspflicht, dass wir das untersuchen", so der Dezernatsleiter.

Laut Schulleiter Jörg Wiesemann gibt es keine Hinweise, dass Schüler oder Lehrer gesundheitliche Probleme hatten. "Klar klagt mal einer über Hustenreiz oder juckende Augen. Aber das war nichts Signifikantes", so Wiesenmann. Das könne auch andere Gründe haben. Die Krankheitsquote an der Schule liege sogar "seit Jahren unter dem Durchschnitt". Das gesamte Berufsschulzentrum in Sulgen hat rund 1200 Schüler. Im Gebäude C werden im Schnitt täglich rund 470 Schüler unterrichtet. Die Zahl der Klassenzimmer soll beim Umbau von derzeit 25 auf etwa 20 sinken.

Info: Richtwert und Messergebnisse

Für die Formaldehyd-Konzentration in Räumen gibt es laut Gesundheitsamt keinen Grenzwert, nur einen Richtwert. Er liegt aktuell bei 124 Mikrogramm pro Kubikmeter Raumluft und gilt als sicher (Safe Level). Für Berufstätige in entsprechenden Industriebetrieben mit 40 Jahren Dauerbelastung liegt er bei 370 Mikrogramm. Die Messungen in der Berufsschule wurden unter verschiedenen Bedingungen vorgenommen. Im ungelüfteten Raum lagen die Werte bei 222 bis 296 Mikrogramm, unter "Nutzungsbedingungen" wie bei Unterrichtsbetrieb sanken sie und lagen bei 164 bis 201 Mikrogramm. Das Institut für Umweltmedizin, Wohnmedizin und Innenraumhygiene der Uni Freiburg kommt in seiner Analyse der Proben zur Erkenntnis, dass die Konzentration an der Berufsschule Sulgen "gesenkt werden sollte". Leichte Reizungen könnten bei Werten zwischen 380 und 600 Mikrogramm auftreten, dieser Wert sei in Sulgen aber selbst in ungelüftetem Zustand nicht erreicht. Es liege "keine unmittelbar gefährliche Situation vor". Das Institut rät dem Kreis aber, den "Safe Level" anzustreben. Laut Heinz-Joachim Adam vom Gesundheitsamt sei Formaldehyd auch ein Stoffwechselprodukt. Jeder Mensch im Raum produziere zehn Mikrogramm pro Kubikmeter.