Wird die (alleinerziehende) Mutter erfolgreich therapiert, profitiert auch direkt das Kind von dieser Entwicklung. Foto: dpa/Pleul Foto: Schwarzwälder-Bote

Medizin: "wir2"-Patientinnen berichten vom durchschlagenden Behandlungserfolg des Konzepts für Alleinerziehende

An der Celenus-Klinik in Schömberg ist 2016 das neue Behandlungskonzept "wir2" für Alleinerziehende eingeführt worden – und schlug ein wie eine Bombe: Dreimal höhere Erfolgsquoten wie bisherige Therapien führen zu einer Verdreifachung der Behandlungskapazitäten.

Schömberg. Mit einer Millionen-Investition in ein neues, dann fünftes Therapiehaus der Celenus-Klinik soll bis Jahresende die Zahl der Therapieplätze von aktuell sieben bis zehn auf dann bis zu 28 Patienten wachsen (wir berichteten). Vorgesehen für diesen Ausbau ist das bisher leer stehende Haus "Rickmann" am Eingang des Klinik-Campus in Schömberg.

Sechs Wochen bleiben die überwiegend alleinerziehenden Mütter in der Regel für die "wir2"-Therapie in Schömberg – ein bundesweit aktuell einzigartiges Angebot. Ansonsten wird das von Matthias Franz, Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, entwickelte Therapie-Konzept derzeit in mehr als 400 ambulanten Gruppen eingesetzt. Doch was ist das Geheimnis dieses durchschlagenden Behandlungserfolges von "wir2"?

Mann trennt sich völlig unerwartet

Angelique kam aus Bremen als "wir2"-Patientin nach Schömberg. Im Oktober vergangenen Jahres trennte sich nach langer Ehe – für sie völlig unerwartet – ihr Mann von ihr: der ultimative emotionale Ausnahmezustand, auch für ihre zwei 16 und zehn Jahre alten Söhne. "Das alles kam sehr plötzlich für mich, ging sofort an meine Gesundheit." Sie brauchte, wollte eine Reha, die Auszeit. An ihre Söhne, das gibt Angelique offen zu, dachte sie dabei eigentlich nicht – obwohl gerade der Zehnjährige nach der Trennung der Eltern "völlig versteinerte". Aber der Kindsvater sei gefühlskalt – "da dachte ich, das gilt auch für den Sohn."

Kinder nicht selbst Teil der Behandlung

Durch die Therapie hier in Schömberg habe sie aber schnell erkennen müssen: "Ich bin das, die ihre Gefühle nicht zeigt." Die Wut und die Traurigkeit, die natürliche Reaktion auf die plötzliche, schockhafte Trennung vom jahrelangen Partner, nicht zuließ. Es ist die Besonderheit der "wir2"-Idee, dass die (betroffenen) Kinder ihr alleinerziehendes Elternteil zur Therapie begleiten – aber eigentlich selbst nicht Teil der Therapie sind. "Die Behandlung richtet sich allein an die Mutter, den Vater", erläutert Therapeutin Anni Kirchner, die zusammen mit Kollegin Astrid Kreutz dieses Angebot an der Celenus-Klinik leitet.

Allerdings: Über die Behandlung des alleinerziehenden Elternteils wird auch das betroffene Kind quasi als "Nebeneffekt" mit erreicht; weil es "von Natur aus" an die Emotionalität in der Regel der Mutter direkt angebunden ist. "Versteinert" aus emotionaler Sicht – wie Angelique nach ihrer Trennung – überträgt sich das direkt auch auf das Kind.

Oder umgekehrt: Wird die (alleinerziehende) Mutter erfolgreich therapiert, lernt sie also, ihre (situationsbedingt meist heftigen) Gefühle wieder zuzulassen, profitiert auch direkt das Kind von dieser Entwicklung.

Für Angelique bedeutete das: "Ich musste lernen, meine Wut zuzulassen." Was schwierig gewesen sei, weil "das gehört sich ja sonst nicht." Genau hier aber greift die "wir2"-Therapie-Idee ein – in Form quasi einer "Emotions-Schule". Dabei werde "der innere Dialog der Patientinnen angeworfen", erklärt Therapeutin Astrid Kreutz. Sie lernten (wieder) zu reflektieren, was aus emotionaler Sicht in der jeweiligen Ausnahmesituation mit ihnen passiert. Und wie sie die "innen schlummernden", wahren Gefühle sich wieder bewusst machen und ausleben könnten.

Gesicht wie zu einer Maske versteinert

Ein besonders drastisches Beispiel dafür sei Alexandra, die aus Hessen in den Nordschwarzwald zur "wir2"-Therapie kam. Auch Alexandra ist nach einer Trennung alleinerziehend. Aber das Problem in ihrem Fall ist nicht der Ex-Mann – sondern Alexandras eigener, krankhaft dominanter Vater. "Als Alexandra bei uns ankam, haben wir uns extrem große Sorgen gemacht", erinnert sich Therapeutin Kreutz. "Sie hatte ein komplett verhärmtes Gesicht." Versteinert wie zu einer Maske. Keinerlei emotionale Regung oder Mimik.

Auch Alexandra hat ihr Kind, ihre Tochter, nach Schömberg mitgebracht – die wie bei Angelique und ihrem Sohn zum emotionalen Spiegelbild der Mutter geworden war. Alexandras Therapie in Schömberg wurde zum (emotionalen) Befreiungsschlag von ihrem Vater.

"Ich kam hierher, weil ich mein Lachen wiederhaben wollte." Ein Gefühlstagebuch war das Instrument, an die durch den heftigen, hoch dramatischen Konflikt mit dem eigenen Vater verkrusteten Emotionen wieder heranzukommen. Zu lernen, diese zuzulassen. Dadurch Souveränität zu gewinnen über die eigene Situation – und den künftigen Umgang mit dem "narzisstischen, destruktiven Vater".

Gewollter "Nebeneffekt" auch hier: Wieder quasi nebenbei wurde mit der Therapie der Mutter auch die kleine Tochter erreicht. "Die Kruste löst sich" auch bei ihr. "Die Kleine wird mittlerweile richtig selbstbewusst, auch ein bisschen aufmüpfig" – worüber Mama Alexandra aber nur froh ist. Denn auch sie musste diese positive Aufmüpfigkeit gegenüber ihren Vater ja erst lernen. Und braucht diese zur Selbstbehauptung und zum Rückgewinn der eigenen Fröhlichkeit. "Bei einem Tanzabend der gesamten Therapiegruppe war Alexandra die erste auf der Tanzfläche", erzählt Astrid Kreutz als zufriedene Therapeutin.

Und tatsächlich ist es eine totale Verwandlung der Mütter (und ihrer Kinder), die "wir2" mit seinem besonderen Therapie-Ansatz möglich macht. Für Angelique und Alexandra selbst grenzt das an Zauberei: "Wenn mir vorher einer gesagt hätte, dass das so möglich ist – durch Entdecken und Ausleben deiner eigenen Gefühle dein Kind zu ›heilen‹ – ich hätte es nie geglaubt", wundert sich Alexandra eigentlich immer noch über ihre "Verwandlung".

Allerdings muss sich dieses "Wunder" nun auch in den Alltag retten lassen. Aber da sind hier alle guter Dinge: Bisherige Erfahrungen mit "wir2" zeigten, dass der erreichte Therapie-Erfolg auch eine extreme Langzeitwirkung beinhalte – für Mutter und Kind.